Eine Frau faltet die Hände in einem Stacheldrahtzaun. © picture alliance / Geisler-Fotopress Foto: Christoph Hardt

Gestern und heute: Flucht und Vertreibung sind präsent

Stand: 22.01.2025 11:55 Uhr

Immer wieder wird bei der Diskussion um Geflüchtete in Kirchen ein Bibelwort zitiert: "Wenn sich ein Fremdling bei euch im Lande aufhält, dürft ihr ihn nicht bedrücken." Warum steht das im Stammbuch des Volk Israels?

von Andreas Brauns

Auch damals war es offenbar nicht selbstverständlich, Fremde fair zu behandeln. Die Weisung gehört zu einer uralten Sammlung von Regeln, die das Zusammenleben im Blick haben: Menschen, die zu einem anderen Stamm gehörten oder aber aus ihrer Heimat geflohen waren - sie sollten behandelt werden wie jeder andere auch.

"Du sollst den Fremdling lieben wie dich selbst"

In einer Stammeskultur eine Zumutung. Aber die Weisung sagt klar und deutlich: "Wie ein Einheimischer aus eurer Mitte gelte euch der Fremdling, der sich bei euch aufhält. Du sollst ihn lieben wie dich selbst." Gleich im folgenden Satz wird an etwas erinnert, was im Volk Israel unvergessen ist: "Auch ihr wart Fremdlinge im Land Ägypten."

Erst Gott hat das Volk Israel befreit

Die Forderung hängt sozusagen an einer Erinnerung: Das Volk Israel musste in der Not sein Land verlassen und nach Ägypten ziehen, um zu überleben. Dort wurden sie zwar aufgenommen, doch bald ausgebeutet. Die Situation wurde unerträglich. Erst sein Gott hat Israel befreit. Und dieser Befreier fordert nun von seinem Volk, den Teufelskreis zu durchbrechen: Geht anders mit Fremden um als ihr es selbst erlebt habt! Eure Mütter und Väter waren Sklaven. Ihr seid frei.

Wer als Fremdling unter euch lebt, untersteht zwar dem Gesetz und genießt als ein geschützter Bürger gewisse Rechte. Doch ein Fremdling ist kein Vollbürger. Er darf kein Land besitzen und dient in der Regel einem Israeliten. Das alles setzt den Teufelskreis fort, denn es sorgt für Unruhe beim Zusammenleben. Die geforderte Solidarität, nicht nur im 3. Buch Mose, dem Buch Levitikus, hat ihre Geschichte: Sie ist verwurzelt in der Geschichte des eigenen Volkes.

Flucht und Vertreibung sind immer noch präsent

Und so ist es heute auch: Flucht und Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkrieges sind noch präsent, werden jedoch immer mehr in den Hintergrund gedrängt - und in der Politik verschwiegen. Als ob es möglich ist, sich von der Geschichte loszusagen in einer Welt, zu der Migration dazugehört - gestern, heute und morgen. Ob das den politisch Verantwortlichen nun gefällt oder nicht.

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Dieses Thema im Programm:

Kirche im NDR | 25.01.2025 | 09:15 Uhr

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