"Die Geister, die ich rief": Die Grenzen von KI
Künstliche Intelligenz, kurz KI, scheint in vielen Bereichen das neue Zauberwort zu sein. KI hat aber auch seine Grenzen - wer in Not ist, braucht echte Menschen zur Unterstützung.
Hausaufgaben habe ich in der Schule nie leiden können. Wenn es irgendwie ging, habe ich mich davor gedrückt - und damit war ich in meiner Klasse nicht allein. Unser Deutschlehrer hatte dafür seine eigene Lösung. Er stellte uns vor die Wahl: Hausaufgaben vorzeigen oder ein langes Gedicht auswendig lernen. Ich habe ziemlich viele Gedichte gelernt. An eines denke ich immer öfter: "Der Zauberlehrling" von Johann Wolfgang von Goethe. In dem Gedicht ist ein Nachwuchszauberer allein zuhause und probiert sich an einen Zauberspruch seines Meisters: Er verzaubert einen Besen, damit er die Hausarbeit übernimmt. Erst läuft es prima, aber dann verliert der Lehrling die Kontrolle über seine Schöpfung, Am Ende ruft er verzweifelt nach seinem Chef: "Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd' ich nun nicht los."
"'Künstliche Intelligenz' ist das Zauberwort"
Manchmal überkommt mich das Gefühl, dass die Menschheit gerade dabei ist, genau denselben Fehler zu begehen wie der Zauberlehrling. "Künstliche Intelligenz" ist in praktisch allen Lebensbereichen das Zauberwort, das die Antwort auf alle Fragen liefern soll. Selbstfahrende Autos, Fotoapparate, Saugroboter und auch fertige Hausaufgaben aus dem Computer - mit KI scheint alles möglich. Aber ob diesen Systemen genug Grenzen gesetzt sind, was sie dürfen und wie weit sie sich entwickeln können, ist fraglich.
"Wer in einer Notlage ist, braucht echte Menschen"
In den USA verklagt gerade eine Familie zwei große Technologiekonzerne, weil sich der vierzehnjährige Sohn suizidiert hat. Er war so sehr von Dialogen mit einer künstlichen Intelligenz beeinflusst worden, dass er schließlich die KI-Welt der wirklichen Welt vorzog und sich vor allen zwischenmenschlichen Kontakten abschirmte. Schlimmer noch: Sein virtuelles Gegenüber hatte ihm in diversen Textnachrichten sogar Mut gemacht, den Suizid in die Tat umzusetzen.
"Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd' ich nun nicht los." Wer in einer seelischen Notlage ist, braucht echte Menschen, die ihn unterstützten - und wenn es erstmal nur ein anonymer Anruf bei der Telefonseelsorge ist. Für mich ist die menschliche Intelligenz ein Geschenk Gottes, mit dem wir verantwortungsvoll umgehen müssen. Wenn wir uns zu unseren eigenen technologischen Göttern erheben - dann wird das nicht gut gehen, glaube ich.