Kobalt im Harz: Rohstoffrecycling und Umweltschutz

Stand: 30.09.2021 15:17 Uhr

Kann man Sondermüll in einen Schatz verwandeln? Forschende Niedersachsen versuchen, wertvolle Rohstoffe aus dem Klärschlamm ehemaliger Erzbergwerke, wie am Rammelsberg im Harz, zurückzugewinnen.

von Frank Ihben

Mehr als Tausend Jahre lang wurde am Rammelsberg bei Goslar Gold, Silber, Zink, Blei und Kupfer gefördert. Die Stollen sind längst geschlossen, die Gruben von einst nur noch Museen - aber die Folgen des Bergbaus sind geblieben: Teils giftige Schwermetalle, die in Deponiegruben gepackt und mit Wasser überbedeckt wurden - die heutigen Bergeteiche. Der Schlamm auf dem Grund der Teiche gilt als Sondermüll. Umweltverbände befürchten, dass der Damm am Erz-Bergwerk Rammelsberg bei Starkregen brechen könnte und eine giftige Schlammlawine den Goslarer Ortsteil Oker überschwemmen könnte, der genau unterhalb der Teiche liegt. In Brasilien und Rumänien hat es solche Katastrophen schon gegeben. Im Harz habe man beim verheerenden Hochwasser von 2017 nur viel Glück gehabt, dass Wasser und Schlamm nicht über die Ufer traten, sagen Naturschützer. Sie bezeichnen die Bergeteiche als kritischste Altlast im Harz. Der Rohstoff Kobalt, der darin gefunden wurde, könnte nun die Wende bringen.

Kobalt: Kinderarbeit für neue Handys und Autobatterien

Kobalt ist ein wichtiger Bestandteil in Batterien und in Akkus. Daher ist das Metall aktuell sehr gefragt, weil es für Elektro-Autos, Smartphones und Tablets gebraucht wird. Hauptsächlich wird Kobalt in Minen in Afrika, im Kongo abgebaut - unter teils katastrophalen Umständen. In kleinen bis zu 50 Meter tiefen Schächten müssen meist Kinder das wertvolle Metall mit Hammer und Meißel aus dem Stein hauen. Ohne Helme, Schutzkleidung, Atemmasken oder Sicherung. Die Organisation World Vision schätzt, dass allein in der Region Katanga im Kongo 22.000 Kinder in den Kobaltminen schuften. Kobalt ist also nicht nur ein heißbegehrter sondern auch ein sehr problematischer Rohstoff. Ausgerechnet er bringt nun wieder die belasteten Bergeteiche bei Goslar ins Spiel. Einem Forscherteam ist jetzt gelungen, das Kobalt wieder nutzbar zu machen.

Ein Ponton schwimmt auf einem Teich. © NDR
AUDIO: Aus Altlasten wird ein Schatz: Kobalt im Harz (4 Min)

Altlasten inmitten unberührter Natur

Ein Ponton schwimmt auf einem Teich. © NDR
Schon 2015 wurden erste Probebohrungen vorgenommen.

Dabei sieht der Schauplatz erstmal gar nicht problematisch aus: Eine grüne Wiese, ein Wanderweg, Heideflächen, Biotope für Kröten, kleine Bäche und Seen - so präsentiert sich der Harz bei Goslar. Doch der schöne Schein trügt, unter der Oberfläche der Bergeteiche schlummern mehrere Millionen Tonnen Sondermüll. Bei Probebohrungen entdeckten Wissenschaftler aber auch noch Reste von Gold, Silber, Kupfer und eben Kobalt. Lange Zeit waren die wertvollen Metalle nicht von Interesse, weil sie nicht aus Schlamm und Gestein herausgelöst werden konnten. Das ändert sich nun dank eines Verfahrens der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Es geht um die sogenannte Biolaugung, sagt Leiter Axel Schippers: "Wir haben spezielle Bakterien, die auch in solchen Bergbaustandorten, wie dem Rammelsberg vorkommen: mit denen können wir Metalle aus Feststoffen lösen. Das geht mittels chemischer Oxidationsprozesse, die diese Bakterien durchführen. Bei Versuchen in solchen Bioreaktoren haben wir festgestellt, dass dabei bis zu 90 Prozent des Kobalts in Lösung geht." Aus der Lösung könne man dann das Kobalt zurückgewinnen. Ein erster Durchbruch, ein Erfolg im Labor, dank Bakterien. Eine Rückgewinnung im großen Stil sei sogar denkbar.

Schatz im Wert von 65 Millionen Dollar

Professor Daniel Goldmann vom Lehrstuhl für Rohstoffaufbereitung und Recycling der Technischen Universität Clausthal. © NDR
Professor Daniel Goldmann von der Technischen Universität Clausthal, bekommt häufig Anfragen aus anderen Ländern zum Entwicklungsstand seiner Forschung.

Fast 1.300 Tonnen Kobalt schlummern im Schlamm der Harzer Bergeteiche. Das haben Wissenschaftler der TU Clausthal ermittelt. Daniel Goldmann leitet an der TU das Projekt über die Bergeteiche und freut sich über den Erfolg und den gefundenen Schatz: "Der Kobaltpreis liegt heute etwa bei 50.000 Dollar pro Tonne. Wenn sie das mit 1.300 Tonnen multiplizieren, haben Sie eine ungefähre Vorstellung. Natürlich kriegt man das Geld jetzt nicht eins zu eins, aber es sind schon nennenswerte Mengen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Entwicklung der Batterietechnologien, für die wir Kobalt dringend brauchen, wird es immer interessanter!" In den Bergeteichen liegt also Kobalt im Wert von aktuell 65 Millionen Dollar. Hersteller von E-Autos und Smartphones schauen deshalb gespannt in den Harz. Denn da wird weitergeforscht, an Optimierungen gefeilt, Verfahren verfeinert. Auch die anderen Metalle, wie Kupfer, Silber, Indium, insgesamt nochmal 6 Tonnen in den Teichen, werden nicht vergessen, sagt Axel Schippers von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: "Wenn man an diese Menge des Materials geht, ist ja die Frage, was man damit macht. Man will es ja nicht unbedingt wieder an den gleichen Platz zurücklagern, sondern alles verwerten. Wir prüfen derzeit die Nutzung als Baumaterial, als Zementzuschlagsstoff."

Erfolg für Umwelt und Rohstoffwirtschaft

Die Experten rechnen damit, dass es noch zehn Jahre dauert, bis Kobalt und Co. aus den Teichen geborgen und im großen Stil verarbeitet werden können. Für den Harzer Friedhart Knolle, Erster Vorsitzender des BUND-Regionalverbandes Westharz, bleibt ein konkreter Zeitplan aber vage: "Das sind lange Prozesse: erstmal technologisch, dann muss die Aufbereitungsanlage irgendwo gebaut werden und dann darf man nicht vergessen, dass wir von den Metallpreisen der Welt abhängig sind. Die werden am London Stock Exchange gemacht, der Metallbörse der Welt. Wenn die Metallpreise morgen steigen, dann kann so ein Prozess sehr schnell gehen, aber wenn sie sinken, dann werden solche Projekte auch wieder auf Eis gelegt." Doch insgesamt ist der Umweltschützer zuversichtlich und freut sich über den Erfolg der Wissenschaft. Es sei nicht so einfach, der Öffentlichkeit zu erklären, dass eine scheinbar unberührte Natur wieder ausgebaggert werden muss. Trotzdem sei die Sanierung dieser kritischen Altlast ganz oben auf der Agenda: " Schließlich helfen wir beim Recycling. Und wenn man bedenkt, unter welchen schwierigen Umständen in der Dritten Welt diese Metalle abgebaut werden, Stichwort Kinderarbeit, dann kann man sich nur wünschen, dass möglichst viel aus diesen Altlasten wieder zu extrahieren ist. Das ist ein doppelter Erfolg: Für die Umwelt, aber auch für die Rohstoffwirtschaft." Bakterien könnten also die Welt verbessern. Und das nicht nur im Harz.

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NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 01.10.2021 | 08:47 Uhr

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