Sendedatum: 30.10.2013 | 19:30 Uhr | Nordmagazin
1 | 20 Direkt hinter den Dünen des langgezogenen Sandstrands dominiert die "Villa Baltic" die Promenade von Kühlungsborn-West noch heute. Sie ist das beeindruckendste Haus des Ortes - auch wenn es seit Jahren steter Vernachlässigung ausgesetzt ist.
© NDR.de, Foto: Daniel Sprenger
2 | 20 Von 1910 bis 1912 errichtet der Mecklenburger Architekt Alfred Krause das Gebäude im neobarocken Stil für den jüdischen Berliner Rechtsanwalt und Notar Wilhelm Hausmann und seine Frau Margarete. Es wird mit Türmchen, Erkern und einem Säulengang ausgestattet.
© NDR.de, Foto: Daniel Sprenger
3 | 20 Die zunächst als Privathaus entworfene Villa erfährt in den 100 Jahren seit dem Bau zahlreiche Eigentümerwechsel. Ihre Historie spiegelt die deutsche Geschichte der vergangenen 100 Jahre wider.
© NDR.de, Foto: Daniel Sprenger
4 | 20 Die kinderlose Margarete Hausmann vermacht die Villa der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, welche darin 1931 ein Erholungsheim für arme Akademiker und Künstler einrichtet. Zu jener Zeit befindet sich vor der Seeseite des Hauses ein gepflegter Park.
© Archiv Wolfgang Bade, Kühlungsborn
5 | 20 Bereits im ersten Jahr kommen 104 jüdische Gäste in das Ferienheim, die dort für fünf Reichsmark logieren können - und rituell zubereitete Kost bekommen. Dass Arendsee ein beliebter Ferienort für Juden war, zeigt diese Postkarte aus dem Jahr 1917: "O, wie wunderschön ist Deutsch-Jerusalem in Aronsee!"
© Archiv Wolfgang Bade, Kühlungsborn
6 | 20 Nach der Machtergreifung der Nazis schlägt den jüdischen Urlaubern auch in Arendsee immer mehr Abneigung und Hass entgegen. 1936 wird die Hausmann-Stiftung enteignet und die Villa zur "Joseph-Goebbels-Stiftung für Bühnenschaffende" umfunktioniert. Fortan weht eine Hakenkreuzfahne auf dem Dach.
© Archiv Wolfgang Bade, Kühlungsborn
7 | 20 In der DDR zieht das "Kurt-Bürger-Erholungsheim" in die Villa ein. Die Enteignung der früheren jüdischen Besitzer wird nicht korrigiert, sondern unter anderen politischen Vorzeichen fortgeführt. Über die prächtige Marmortreppe gelangen die Urlauber ...
© Archiv Wolfgang Bade, Kühlungsborn
8 | 20 ... in den im ersten Stock gelegenen Speisesaal des Restaurants. Nach den Erinnerungen von Oberkellner Christian Mothes standen die Gäste täglich Schlange, um hier essen zu können.
© Archiv Wolfgang Bade, Kühlungsborn
9 | 20 Natürlich darf im vom staatlichen Gewerkschaftsbund finanzierten Haus ein Foto vom Staatsratsvorsitzenden nicht fehlen. Auf dieser Aufnahme von 1973 ist Erich Honecker ganz links zu erkennen.
© Archiv Wolfgang Bade, Kühlungsborn
10 | 20 In den 1970er-Jahren wird direkt nebenan ein Meerwasserhallenbad gebaut, das auch über eine Verbindung zur Villa verfügt. So wurde die "Baltic" noch mehr zu einem Anziehungspunkt für die Gäste, die darin neben dem Restaurant und einer Nachtbar auch einen Friseur und eine Sauna vorfanden.
© Archiv Wolfgang Bade, Kühlungsborn
11 | 20 Mit der Wende fällt die "Baltic" in einen Dornröschenschlaf. Versuche, ein neues Café zu etablieren, scheitern. Die wechselnden Betreiber können die immensen Unterhaltungskosten nicht stemmen.
© NDR.de, Foto: Daniel Sprenger
12 | 20 Das Haus geht zurück an die Stadt und dann an die Jewish Claims Conference, die Ansprüche enteigneter Juden vertritt. Sie verkauft die Villa 2003. Doch der neue Investor muss wenig später Insolvenz anmelden. Seitdem steht die "Baltic" komplett leer. Der prächtige Säulengang wird mit Graffiti beschmiert. Zerschlagene Flaschen liegen herum.
© NDR.de, Foto: Daniel Sprenger
13 | 20 Im ehemals gepflegten Park wuchern die Büsche mittlerweile ungehindert. Die raumhohen Fenster der Villa sind im Erdgeschoss alle mit Sperrholz vernagelt. Viele der Scheiben waren zuvor eingeworfen worden.
© NDR.de, Foto: Daniel Sprenger
14 | 20 Wie sehr der Verfall an dem Prachtbau nagt, zeigt das Portal: Nach Jahren des Leerstands bricht irgendwann ein Teil der Balkonbrüstung heraus.
© NDR.de, Foto: Daniel Sprenger
15 | 20 Am Lieferanteneingang hängt noch ein Schild aus den betriebsamen Zeiten: "Der Zutritt ist nur den beschäftigten Personen gestattet".
© NDR.de, Foto: Daniel Sprenger
16 | 20 Einer der früheren Beschäftigten ist Christian Mothes. Der heutige Hotelier war von 1980 bis 1990 Oberkellner im Restaurant der damaligen "Kurt-Bürger-Stiftung". Er zeigt auf die kleinen Fenster unterm Dach. Hinter dem links außen befand sich sein Angestellten-Zimmer, in dem er gewohnt hat.
© NDR.de, Foto: Daniel Sprenger
17 | 20 Direkt darunter lag die Nachtbar, die täglich bis in die Morgenstunden geöffnet hatte und bei Einheimischen wie Urlaubern sehr beliebt war.
© NDR.de, Foto: Daniel Sprenger
18 | 20 Die Pläne des jetzigen Eigentümers Mathias Wagner sehen vor, das Schwimmbad aufzustocken und darin luxuriöse Hotelzimmer unterzubringen. So soll sich der Betrieb der Villa, in welcher der Brandenburger Augenarzt ein Gesundheitszentrum einrichten möchte, rentieren.
© NDR.de, Foto: Daniel Sprenger
19 | 20 Wagner hat beide Gebäude vor einigen Jahren erworben und wartet nun auf die Baugenehmigung. Seit zehn Jahren ist das Schwimmbad mittlerweile geschlossen: Vernachlässigung und Vandalismus haben dem 1970er-Jahre-Bau mächtig zugesetzt.
© NDR.de, Foto: Daniel Sprenger
20 | 20 Bis die "Villa Baltic" wieder im alten Glanz erstrahlt, wird es noch einige Jahre dauern. Aber zumindest besteht Hoffnung, dass sie demnächst aus ihrem nunmehr 20 Jahre dauernden Dornröschenschlaf geweckt wird.
© NDR.de, Foto: Daniel Sprenger