Zirkus, Oper, Bruchbude: Die Geschichte der Schiller-Oper
Um 1890 turnen Elefanten und Artisten durch die Manege, dann wird aus dem Gebäude die Schiller-Oper. Heute ist von der einstigen Hamburger Attraktion nicht mehr viel übrig - nur noch das Stahlskelett.
Stand: 07.03.2024 | 10:30 Uhr
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NDR 90,3
1 | 26 So kennen viele Hamburger die Schiller-Oper noch: Das Gebäude steht seit mehr als 120 Jahren, dahinter steht ein tragisches Auf und Ab.
3 | 26 Die Geschichte des Gebäudes reicht weit zurück. 1889 beantragt Paul Busch bei der Stadt Altona die Erlaubnis zur Errichtung eines "Circus mit Stallgebäuden und Restauration". Ihm schwebt ein zwölfeckiger Bau aus Stahl und Wellblech vor.
4 | 26 Das Hauptgebäude misst 30Meter im Durchmesser. Es soll 3.000 Zuschauern Platz bieten. Das Gerüst baut die Firma Hein Lehmann. Sie ist auch für die Wellblechverkleidung der Wände zuständig. 1891 feiert der Zirkus Busch in Altona Eröffnung.
6 | 26 Die Aushänge stellt damals der bekannte Hamburger Lithograf Adolph Friedländer her. Seine Druckerei befindet sich in der Nachbarschaft des Zirkus.
7 | 26 Ob die phantastischen "Wasser-Pantomimen" des Zirkus-Busch auch in Altona liefen, ist ungewiss. Hartnäckig hält sich jedoch der Bericht, dass damals 120 Eisbären über eine Rutsche ins Zirkusrund rodelten.
8 | 26 Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts geht auch die Zirkusgeschichte des Gebäudes zu Ende. 1899 gibt Busch den Standort in Altona auf. Er siedelt in den von ihm aufgekauften Bau des Konkurrenz-Betriebes Renz in Hamburg um. Sein alter Zirkus wird 1905 zum Schiller-Theater umgebaut.
11 | 26 Regelmäßig erscheint die Zeitschrift "Die Volksbühne", in der die Theaterleitung damals über das Geschehen auf und hinter der Bühne informiert.
12 | 26 Geboten werden neben klassischen Theaterstücken auch volkstümliche Programme in niederdeutscher Sprache, Liederabende - und handfeste Auftritte. 1909 wird dem Publikum zum Beispiel ein "Internationaler Ringkampf" angekündigt.
13 | 26 Das Ensemble von 1913: In diesem Jahr elektrisiert das skandalträchtige Stück "Die Schiffbrüchigen" von Eugène Brieux das Publikum. Es handelt von der Syphilis. In Altona wird die Aufführung von der deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten gesponsert.
14 | 26 Im Ersten Weltkrieg geht das Theater pleite. 1918 gibt es einen Neustart. Der neue Leiter Hans Pichler lässt das abgewirtschaftete Haus renovieren. Hier ist der Kassenbereich um 1920 zu sehen. Doch auch Pichler geht 1921 das Geld aus
15 | 26 Das Theater liegt in einer ärmlichen Gegend. Viel Geld haben die Menschen nicht für Kultur übrig. Kinder dürfen kostenlos in die Vorstellungen. Sie machen stets einen großen Teil der Besucher aus. Oft wirken Nachbarskinder auch selbst auf der Bühne mit.
16 | 26 Auch im weiteren Verlauf der 1920er-Jahre hat das Schiller-Theater schwer zu kämpfen. Hier ist das angeschlossene Restaurant zu sehen. 1930 lässt die Baupolizei den Betrieb schließen.
18 | 26 Auch der Zuschauerraum und die Bühne werden umgestaltet. Es gibt nach dem Umbau 1.250 Klappsitze und 100 Stehplätze.
Foto: Gebrüder Dransfeld
19 | 26 Die Foyerräume erstrahlen nach dem Umbau ebenfalls in neuem Glanz. Am 4. September 1932 wird Eröffnung des Opernhauses gefeiert. Intendant Hanns Walther Sattler erklärt, er wolle das Haus in der Tradition eines Volkstheaters pflegen.
Foto: Gebrüder Dransfeld
20 | 26 Auf den Eintrittskarten bleibt der alte Name Schiller-Theater zunächst noch erhalten. Gunhild Ohl-Hinz vom St. Pauli-Archiv zeigt ein Original-Ticket von 1933.
21 | 26 Der Sozialdemokrat Sattler stemmt sich lange gegen die "Nazifizierung" des Betriebes. Doch die Nationalsozialisten drücken mehr und mehr ihr Programm und ihre Leute in die Schiller-Oper. Sattler setzt auf unpolitische Stücke, doch die Besucherzahlen gehen zurück.
22 | 26 1939 kommt das Aus. Dabei beginnt das Jahr mit der Aufführung von Franz Léhars Operette "Giuditta" noch recht vergnüglich. Der Komponist dirigiert bei der Premiere sogar selbst. Doch im August ist Feierabend für die Schiller-Oper - angeblich wegen mangelnder Luftschutz-Vorkehrungen.
23 | 26 Den Krieg übersteht die Schiller-Oper mit lediglich leichten Schäden. In den nächsten Jahrzehnten wird der Aufführungsraum praktisch nicht mehr genutzt und verfällt.
26 | 26 Übrig bleibt das außergewöhnliche Stahlskelett. Ob es erhalten werden kann, ist Gegenstand laufender Gespräche zwischen Stadt und Eigentümerin.