Ex-Bundespräsident Christian Wulff: Stationen seiner Karriere
Mit 43 Jahren Ministerpräsident, mit 51 Jahren Bundespräsident, dann Angeklagter in einem einmaligen Korruptionsprozess - der Lebensweg von Christian Wulff in Bildern.
1 | 37 Christian Wulff wird am 19. Juni 1959 in Osnabrück geboren. Bereits 1978 wird er Bundesvorsitzender der Schüler Union und Mitglied des Bundesvorstandes der CDU. 1983 wird Wulff Landesvorsitzender der Jungen Union in Niedersachsen, 1984 Vorstandsmitglied der Landes-CDU.
2 | 37 1986 wird Wulff Ratsmitglied der Stadt Osnabrück. Ab 1990 arbeitet er dort auch als Rechtsanwalt. Drei Jahre später ruft dann die große Landespolitik. Ehefrau Christiane kann den 33-jährigen Wulff am 30. Januar 1993 zur Nominierung zum Spitzenkandidaten
für die Landtagswahl 1994 beglückwünschen.
3 | 37 Eine Woche später erhalten die Wulffs prominenten Besuch. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) lässt sich mit dem neuen Hoffnungsträger, dessen Frau und Tochter Annalena fotografieren. Später wird sich Wulff nach der CDU-Spendenaffäre im Jahr 2000 als einer der ersten gegen Kohl positionieren.
4 | 37 Wulff verliert 1994 seine erste Wahl gegen den damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD). Die CDU-Verluste sind so hoch, dass die SPD eine Alleinregierung bilden kann. Für Christian Wulff beginnt eine längere Phase als Oppositionsführer im Niedersächsischen Landtag.
5 | 37 Bei den niedersächsischen Kommunalwahlen 1996 erhält die CDU zwar mehr Stimmen als die SPD, bei der Landtagswahl 1998 aber unterliegt Wulff Gerhard Schröder (r., SPD) zum zweiten Mal.
6 | 37 Am 4. März 2003 ist es dann soweit: Christian Wulff gewinnt die Landtagswahlen gegen den SPD-Kandidaten Sigmar Gabriel. Wulff wird Ministerpräsident von Niedersachsen und leistet seinen Amtseid im Parlament.
7 | 37 Als Ministerpräsident trifft Wulff 2004 die damalige Landesbischöfin Margot Käßmann und Horst Köhler, damals noch Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten. Alle drei haben ihre größten Ämter noch vor sich - alle drei werden diese Ämter vor Ablauf der Amtszeit abgeben.
8 | 37 2007 erscheint Wulffs Buch "Besser die Wahrheit". Der Titel wird ihn in der Kredit-Affäre wieder einholen, genauso wie gesponserte Anzeigen für das Buch. Der damalige AWD-Chef Carsten Maschmeyer finanziert 2008 eine Anzeigenkampagne mit mehr als 40.000 Euro aus seinem Privatvermögen.
9 | 37 Maschmeyer und Wulff spielen beim Nord-Süd-Dialog 2007 gegen Daimler-Chef Dieter Zetsche und Baden-Württembergs damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) eine Partie Kicker. Das Magazin "Stern" wird später berichten, dass Wulff zumindest indirekt bei der Sponsorensuche für die Partys geholfen hat.
10 | 37 2008 freuen sich Christian Wulff und der damalige FDP-Spitzenkandidat Philipp Rösler nach der Landtagswahl auf vier Jahre Regierungszeit in Hannover. 2009 wird Rösler jedoch als Bundesgesundheitsminister nach Berlin berufen. Ein Jahr später folgt Wulff als Bundespräsident.
11 | 37 2008 hält Wulff zusammen mit Niedersachsens damaligem Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) eine Tabelle mit Kreditaufnahmen in die Kamera. Allerdings sind dies nicht die eigenen, sondern die des Landes für den Haushalt des nächsten Jahres. Im gleichen Jahr erhält Wulff einen persönlichen Kredit - angeblich von der Unternehmergattin Edith Geerkens -, den er lange verschweigt.
12 | 37 2010 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (l., CDU) ein Problem und Wulff scheint die Lösung zu sein: Bundespräsident Horst Köhler tritt zurück. Gemeinsam einigen sich die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP auf Wulff als Kandidaten für die Wahl in der Bundesversammlung.
13 | 37 Der Gegenkandidat von SPD und Grünen ist Joachim Gauck, der zehn Jahre die Stasi-Unterlagen-Behörde leitete. Drei Wahlgänge muss Christian Wulff am 30. Juni 2010 in der Bundesversammlung durchstehen, bis er schließlich zum Staatsoberhaupt gewählt und neuer Bundespräsident wird.
14 | 37 Das Ehepaar Wulff bezieht den Amtssitz des Präsidenten, das Schloss Bellevue in Berlin. Bettina Wulff wird Deutschlands jüngste First Lady. Boulevard-Medien feiern das Paar, weil es neuen Glamour nach Berlin bringe.
15 | 37 Politisch macht Wulff bei seiner Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit auf sich aufmerksam: "Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland."
16 | 37 Die Rede ist nicht unumstritten, aber die Mehrheit lobt die Aussagen Wulffs zur Integration in Deutschland. In einer Rede vor dem türkischen Parlament sagt Wulff wiederum: "Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei." 2011 besucht der türkische Staatspräsident Abdullah Gül (2. v.r.) zusammen mit Wulff dessen Heimatstadt Osnabrück.
17 | 37 Im Dezember 2011 berichtet die "Bild"-Zeitung über einen Privatkredit des Unternehmerpaares Geerkens für Christian Wulff. Der hatte als Ministerpräsident vor dem Parlament Geschäftsbeziehungen zu Egon Geerkens verneint. Kurz vor Weihnachten befasst sich der Ältestenrat in Hannover mit der Affäre, fällt aber kein Urteil.
18 | 37 Wulff schweigt lange zu den Vorwürfen. Auch bei seiner offiziellen Weihnachtsansprache, die am 21. Dezember aufgezeichnet wird, spricht er nicht über die Kredit-Affäre.
19 | 37 Der Druck der Öffentlichkeit wird allerdings immer stärker und so verliest Wulff noch vor der Ausstrahlung der Weihnachtsansprache eine persönliche Erklärung. In seiner Stellungnahme entschuldigt er sich für seinen Umgang mit der Kredit-Affäre und bittet die Deutschen um Vertrauen. Wulff bleibt im Amt. Sein Sprecher Glaeseker muss gehen.
20 | 37 Um die Aufdeckung der Kredit-Affäre durch die "Bild"-Zeitung zu verhindern, hatte Wulff offenbar versucht, Chefredakteur Kai Diekmann anzurufen. Als dort nur die Mailbox anspringt, "verewigt" sich der Bundespräsident Deutschlands mit wütenden Worten und Drohungen.
21 | 37 Der öffentliche Druck zwingt Wulff am 4. Januar zu einer erneuten Erklärung - diesmal in Form eines Fernsehinterviews mit ARD und ZDF. Er räumt zwar den einen oder anderen Fehler ein, aber: Fehler seien menschlich, so Wulff. Eine Bilanz wolle er erst am Ende seiner Amtszeit ziehen.
22 | 37 Die Wulffs und der Freund im Hintergrund: Die Verbindungen zu Filmproduzent David Groenewold sind für die Staatsanwaltschaft Hannover der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Am 16. Februar 2012 teilen die Ermittler mit, dass sie einen Antrag auf Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten eingereicht haben.
23 | 37 Einen Tag später gibt Wulff auf: Er tritt vom Amt des Bundespräsidenten zurück. Daraufhin sorgt die Frage für Diskussionen, ob er den für ehemalige Bundespräsidenten vorgesehenen Ehrensold bekommen soll. Das Bundespräsidialamt sieht die Voraussetzungen dafür erfüllt: Wulff sei aus politischen Gründen aus seinem Amt ausgeschieden.
24 | 37 Anfang März wird das Haus von Wulff und seiner Frau in Großburgwedel bei Hannover durchsucht. Die Ermittler beschlagnahmen unter anderem Computer. Es geht um die Verbindungen zu Filmproduzent Groenewold und mögliche Vorteilsannahmen vonseiten Wulffs.
26 | 37 Im Oktober wird bekannt: Die Staatsanwaltschaft konzentriert sich im Verfahren gegen Wulff auf dessen Beziehung zu Groenewold. Zuvor hatte sie geprüft, ob es auch eine Vorteilsannahme im Zusammenhang mit dem Aufsichtsratschef des Versicherungskonzerns Talanx gegeben haben könnte. Dieser Vorwurf ist vorerst vom Tisch. Doch Wulff bleibt im Visier der Ermittler.
27 | 37 Anfang Januar 2013 gibt das Ehepaar Wulff bekannt, dass es sich getrennt hat. "Bettina und Christian Wulff nehmen ihre Verantwortung für ihren Sohn gemeinsam wahr und werden keine weiteren Erklärungen zu ihrer privaten Situation abgeben", so Wulffs Anwalt. Final bleibt die Trennung zu dem Zeitpunkt jedoch nicht: Mehrfach findet das Paar wieder zueinander.
28 | 37 Am 9. April 2013 erklären die Anwälte von Wulff, Michael Nagel (l.) und Bernd Müssig, dass der ehemalige Bundespräsident das Angebot der Staatsanwaltschaft ablehnt, die Korruptionsermittlungen gegen eine Geldauflage von 20.000 Euro einzustellen. Am 12. April 2013 wird gegen Wulff Anklage wegen Bestechlichkeit erhoben.
29 | 37 Am 27. August 2013 wird bekannt, dass das Landgericht Hannover die Anklage zulässt. Allerdings wird Wulff nicht, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, wegen Bestechlichkeit, sondern wegen Vorteilsannahme angeklagt.
30 | 37 Prozessbeginn ist nicht, wie ursprünglich geplant, am 1. November, sondern erst am 14. November. Am ersten Prozesstag erklärt Wulff den vor dem Landgericht versammelten Journalisten, er werde auch den allerletzten Vorwurf ausräumen. In der Verhandlung stellt er rund 50 Minuten lang seine Version der Dinge dar - und spart auch nicht mit Kritik an Staatsanwaltschaft und Medien.
31 | 37 Der Prozess gegen Wulff und den wegen Vorteilsgewährung mitangeklagten Groenewold gestaltet sich oft zäh. Die zahlreichen Zeugen können sich häufig an nichts erinnern. Der Vorsitzende Richter will die Beweisaufnahme verkürzen, die Staatsanwaltschaft legt dagegen immer wieder neue Beweisanträge vor.
32 | 37 Ende Dezember 2013 bietet Richter Frank Rosenow an, den Prozess gegen Auflagen einzustellen. Anklage und Verteidigung lehnen jedoch ab. Wulff will, wie er zu Prozessbeginn sagt, einen "lupenreinen Freispruch".
33 | 37 Am 27. Februar fällt das Urteil: Freispruch für Wulff. Freispruch für den Mitangeklagten Groenewold. "Ich bin natürlich sehr erleichtert", sagt der frühere Bundespräsident.
34 | 37 Am 13. Juni gibt die Staatsanwaltschaft Hannover bekannt, dass sie ihren Antrag auf Revision gegen das Urteil zurückgezogen hat. Damit wird der Freispruch für Wulff rechtskräftig - und der Ex-Bundespräsident ist juristisch rehabilitiert.
36 | 37 Gut zehn Jahre nach Wulffs Rücktritt ist sein politisches Erbe wieder in den Vordergrund gerückt. Im April 2022 wird ihm vom amtierenden niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) für seine Verdienste die Niedersächsischen Landesmedaille verliehen.
37 | 37 Die Stadt Osnabrück verleiht dem dort geborenen Wulff Ende Juni 2022 die Ehrenbürgerwürde. Im höchsten Amt des Staates habe er sich für das interkulturelle und religiöse Miteinander eingesetzt, was den "Leitgedanken der Friedensstadt" unterstütze.