Sendedatum: 08.03.2015 | 19:30 Uhr | Hamburg Journal
1 | 16 Domenica Anita Niehoff ist eine Kämpferin. Sie wächst im Heim auf, ihr Mann - ein Bordellbetreiber - erschießt sich vor ihren Augen. 1972 wird Niehoff Prostituierte und setzt sich fortan öffentlich für die Rechte ihrer Kolleginnen ein. Sie will Akzeptanz für den Beruf, ohne aus den Augen zu verlieren, dass Prostitution Ausbeutung bedeutet. Auch nach ihrem Ausstieg aus dem Rotlichtmilieu kümmert sie sich als Streetworkerin um die Mädchen vom Straßenstrich. 2009 stirbt sie.
© Panfoto/ Günter Zint, Foto: Günter Zint
2 | 16 1923 wird sie Hamburgs erste Professorin: Agathe Lasch erforscht die Niederdeutsche Sprache. Ihren Lehrstuhl muss die 1879 geborene Jüdin zu Beginn der Nazi-Zeit aufgeben. 1942 wird Lasch Richtung Riga deportiert. Neben einem Hörsaal der Universität Hamburg ist auch ein Weg in Othmarschen nach ihr benannt. Zudem vergibt die Stadt alle drei Jahre den Agathe-Lasch-Preis für herausragende Leistungen zur niederdeutschen Sprachforschung.
3 | 16 Erst mit 45 Jahren kommt der "Engel von St. Pauli" nach Hamburg. Ab 1913 kümmert sich Bertha Keyser um die Armen und Verlassenen. Sie gründet eine eigene Mission, speist die Hungrigen, betreut die Prostituierten und Obdachlosen und geht in Gefängnisse und Krankenhäuser. Mehrere Male muss sie mit ihrem Heim umziehen, weil Nachbarn sich beschweren. Zu ihrer Beerdingung 1964 kommen mehr als 500 Gäste. Neben einer Gedenktafel erinnert der Bertha-Keyser-Weg auf St. Pauli an die Christin.
© Hauptkirche St.Michaelis
4 | 16 Salme Prinzessin von Oman und Sansibar heiratet nach einer bewegten Jugend auf Sansibar ihren Nachbarn, den Hamburger Kaufmann Heinrich Ruete. Gemeinsam flüchten sie in die Hansestadt und aus der Prinzessin wird Emily Ruete. Um nach dem frühen Tod ihres Mannes Geld zu verdienen, schreibt sie in ihren "Memoiren einer arabischen Prinzessin" über ihr Leben zwischen den Kulturen. Das Buch wird ein Erfolg. Ruete versucht, sich mit ihrer Familie und Heimat zu versöhnen und scheitert an den politischen Verwicklungen: "Ich verließ meine Heimat als vollkommene Araberin und als gute Mohammedanerin, und was bin ich heute? Eine schlechte Christin und etwas mehr als eine halbe Deutsche." Sie stirbt 1924 mit 79 Jahren.
5 | 16 "Mutter Veldkamp" steht auf ihrem Grabstein auf dem Ohlsdorfer Friedhof. 1.200 Gäste verköstigt Anna Wilhelmine Katharine Veldkamp zu Lebzeiten in ihrem Kaffehaus auf dem Hamburger Dom. Über dem Café leuchtet ihr Porträt mit unzähligen blinkenden Lichtern. Veldkamps Markenzeichen ist die von ihrer Großmutter geerbte, goldene und mit Brillanten besetzte holländische Haube. "Mutter" wird die resolute Dame für die Waisenkinder, für deren Verköstigung sie auf jedem Dom einen Tag lang ihr Lokal schließt. Ihr Café wird im Krieg von Bomben zerstört. 1944 stirbt die Unternehmerin mit 79 Jahren.
6 | 16 Thea Louise Schönfelder ist eine echte Hamburger Deern. Deutschlands erste Professorin für Kinder- und Jugendpsychiatrie wird in der Hansestadt geboren und stirbt dort 2010. Ihre Jugend ist geprägt von der Verfolgung ihres sozialdemokratischen Vaters durch die Nazis. Von 1970 bis 1987 lehrt Schönfelder am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und gilt heute als Pionierin in den Bereichen Familientherapie und konzentrative Bewegungstherapie.
7 | 16 Der Vater Hafenarbeiter, die Mutter Magd: Paula Karpinski hat sich aus Hammerbrook ins Rathaus vorgearbeitet. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg sitzt sie für die SPD in der Bürgerschaft, kommt jedoch nach dem Parteiverbot für die Sozialdemokraten einige Monate in das KZ Fühlsbüttel. Nach der Nazi-Zeit wird sie die erste Senatorin (Jugend und Sport) in der Geschichte Hamburgs und damit auch die erste Landesministerin in der Bundesrepublik. Kapinski sorgt für Spielplätze, den Bau des Volksparkstadions und der Jugendherberge am Stintfang. Dort erinnert seit 2013 der Paula-Karpinski-Platz an die mit 107 Jahren verstorbene Frau.
Foto: Stefan Hesse
8 | 16 Typisch schreibend: Marion Hedda Ilse Gräfin Dönhoff prägt als Journalistin und politische Autorin die deutsche Presse-Landschaft und Politik. Die studierte Volkswirtin ist am Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 beteiligt und schreibt darüber: "Nichts konnte schlimmer sein, als alle Freunde zu verlieren und allein übrig zu bleiben." Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg kommt sie zur Wochenzeitung "Die Zeit" und wird später Chefredakteurin und Herausgeberin. Die Hamburger Ehrenbürgerin erhält zahlreiche Preise und Ehrendoktorwürden. 2002 stirbt sie, seit 2003 erinnert der Marion-Dönhoff-Preis für internationale Verständigung an die bedeutende Publizistin.
© NDR/Marion Dönhoff Stiftung
9 | 16 Dank Margarethe Meyer Schurz nennen auch die Amerikaner den Kindergarten Kindergarten. 1833 wird sie in Hamburg geboren und lernt beim Erfinder des Kindergartens Friedrich Fröbel. Nach ihrer Emigration in die USA gründet sie in Watertown/Wisconsin den ersten Kindergarten. Mit 42 Jahren stirbt sie in New York am Kindbettfieber.
© 2007 by Husum Verlag
10 | 16 Gerda Gmelins Leben ist das Theater. Sie leitet etwa 40 Jahre lang das "Theater im Zimmer" im Viertel Harvestehude bis zur Schließung 1999. Ihr Vater Helmuth hatte das Haus gegründet. Gmelin erhält ihre Ausbildung am Schauspielhaus und tauscht die Bühne immer wieder mit zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen: Tatort, Die Bertinis, der Landarzt. Der Senat verleiht ihr unter anderem die Medaille für Kunst und Wissenschaft. Sie stirbt 2003. Zehn Jahre später gibt es den Gerda-Gmelin-Platz in der Hafencity.
11 | 16 Tanz und Politik sind die Leidenschaften von Olga Brandt-Knack. 33 Jahre lang ist sie an der Hamburger Staatsoper tätig, als Solotänzerin und Ballettmeisterin. Zudem engagiert sie sich gewerkschaftlich und gründet verschiedene Tanz-Vereinigungen. Während der Nazi-Zeit wird die Sozialdemokratin unter Gestapo-Aufsicht gestellt und vorübergehend verhaftet. Nach dem Zweiten Weltkrieg zieht die 1885 geborene Brand-Knack für die SPD in die Bürgerschaft ein. Sie stirbt 1978 in Hamburg.
12 | 16 Seit 2013 ehrt der Gretchen-Wohlwill-Platz in der Hafencity die Malerin, die die Hamburgische Sezession mitbegründete. Wohlwill lernt in Paris unter Henri Matisse und zeigt ihre Werke in zahlreichen Ausstellungen. Sie arbeitet zudem als Kunsterzieherin im Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium, wo sie Wandbilder hinterlässt, die während der Nazi-Zeit übermalt werden. Ihre Familie wendet sich vom jüdischen Glauben ab, trotzdem muss Wohlwill emigrieren. 1952 kehrt sie aus Lissabon zurück und wohnt bis zu ihrem Tod zehn Jahre später in den Grindelhochhäusern.
13 | 16 Erna Mohr arbeitet neben ihrer Lehrertätigkeit zunächst freiwillig am Naturhistorischen Museum. Der Zoologin gelingt es, das Alter von Fischen zu bestimmen. Sie zieht als erste eine Fledermaus auf und gilt als Mutter der europäischen Wisente. Mohr betont besonders, wie wichtig es sei, Sammlungen anzulegen und diese zu ordnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg baut sie Hamburgs Zoologische Sammlung wieder auf und erforscht das Verhalten von Säugetieren. Sie wird unter anderem Ehrenmitglied des Verbandes Deutscher Zoodirektoren. Seit 1984 erinnert die Erna-Mohr-Kehre in Nettelnburg an die 1968 verstorbene Wissenschaftlerin.
14 | 16 Helene Lange hat sich als Frauenrechtlerin und Pädagogin einen Namen gemacht. 1848 in Oldenburg geboren, unterrichtete sie als Lehrerin in Berlin, gründete den Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein und ermöglichte es durch ihr Engagement 1896 sechs Frauen, erstmals die Reifeprüfung abzulegen. Als eine der Mitbegründerinnen der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei zog sie 1919 als Alterspräsidentin in die Hamburgische Bürgerschaft ein. Heute sind in ganz Deutschland zahlreiche Schulen nach ihr benannt, so auch ein Gymnasium in Hamburg, wo auch eine Straße im Stadtteil Rotherbaum ihren Namen trägt.
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15 | 16 Valerie Alport ist Kunstsammlerin und Mäzenin. Schon während ihres Kunstgeschichte-Studiums in Paris beginnt sie zu sammeln, darunter Werke von Chagall, van Gogh und Matisse. Gemeinsam mit ihrem Mann Leo, Aufsichtsrat bei Beiersdorf, lädt sie Künstler und Kulturschaffende in ihre Villa in der Hamburger Agnesstraße 1 ein. Dank ihrer Freundschaft zur jüdischen Malerin der Hamburgischen Sezession, Anita Rée, gelingt es ihr, zahlreiche von Rées Werken vor den Nazis zu schützen. Alport stirbt 1960 mit 75 Jahren.
16 | 16 Nur 51 Jahre alt wird die Musikerin Erni Kaufmann. Mit dem Deutschen Damen-Orchester tourt sie in den 1920er- und 30er-Jahren durch das Land und spielt neben Geige auch Akkordeon und Saxofon. Immer wieder müssen Musikerinnen in dieser Zeit ihren Lebenswandel verteidigen, sie werden häufig als unsittlich angesehen. "Wir ziehen weit umher in der Welt, spielen und singen für weniges Geld. Menschen sieht in uns keiner. Zigeuner."