Pulitzer-Preis für die "PanamaPapers"
Keiner beschäftigt sich über einen so langen Zeitraum mit den Daten wie Bastian Obermayer und Frederik Obermaier, die beiden Reporter der SZ. Ihre Büros sind zum Sicherheitstrakt geworden. Mit codierter Karte öffnet sich die Tür, klick. Leise surrt hier ihre neueste Errungenschaft, angeblich einer der leistungsstärksten Rechner auf dem Markt. In einem Tresor sind Festplatten und Sticks verstaut. An den Wänden und den eng beschriebenen Whiteboards steht, was das Leak bedeutet: die Namen von Staatschefs und ihre Verbindungen zu den Daten, russische Firmengeflechte, Despoten, Sportfunktionäre, Kunsthändler, Ölmagnaten - und jeden Tag kommen neue Namen hinzu.
Weltweit arbeiten Journalisten an den Daten
"In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viele Daten auf einmal gesehen", sagt Mar Cabra, Datenchefin beim ICIJ. Sie hat schon Daten vieler Leaks bewältigt: OffshoreLeaks, LuxLeaks, Swissleaks. Aber: "Kein Journalist hatte jemals mit so einem Leak wie diesem zu tun", sagt sie. Die Menge der Daten, die unterschiedlichen Formate und Versionen der Dateien, von 1977 bis heute, sie bringen die Dateneinheit des ICIJ an ihre Grenzen. Lange arbeiten die Programmierer daran, dass Hunderte Journalisten weltweit gleichzeitig in einer sicheren und robusten Cloud Suchanfragen starten können.
Denn einige der Kollegen suchen inzwischen Tag und Nacht nach Namen aus ihrem Land. "Ich könnte 24 Stunden am Tag damit verbringen, in den Daten zu suchen", sagt Jóhannes Kristjánsson, Fernsehreporter aus Island, "ich finde immer etwas Neues". Kristjánsson hat schon viele wichtige Personen aus seinem kleinen Land in den Daten gefunden: den Premierminister, den Finanzminister, den Innenminister, den Geschäftsführer der Regierungspartei, Bankenmanager, schließlich den früheren Regierungschef und noch viele mehr. Angeblich kennt jeder jeden auf Island. Sogar Freunde hat Kristjánsson in dem Leak gefunden. Auch deshalb trägt er schwer an seinem Scoop. Denn nur er weiß, wie viele Isländer ihre Finanzen durch Offshore-Konstrukte verschleiern. "Das ist die größte Geschichte meines Lebens. Ich frage mich, was passieren wird auf Island, wenn das alles rauskommt", sagt Kristjánsson.
Im Senegal stellt sich diese Frage dagegen wohl kaum jemand mehr. Hamadou Tidiane Sy und Momar Niang, zwei investigative Reporter, versuchen unter den Bedingungen ihres Landes zu recherchieren und sich Gehör zu verschaffen. Hamadou arbeitet für das Online-Magazin Ouestaf.com. Viele im Senegal haben aber keinen Internetanschluss - und fast 50 Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten. Auch Sy und Niang recherchieren Fälle aus den #PanamaPapers. Das ICIJ hat viele afrikanische Kollegen an Bord geholt. Sie haben viel zu tun. Denn auch in Afrika hat Mossack Fonseca seine Spuren hinterlassen - in Nigeria, Guinea, Kenia, Südafrika.
Welche Verbindungen gibt es zu Putin?
In Russland arbeitet Roman Anin seit vielen Jahren bei der "Nowaja Gaseta". Um seine Sicherheit macht er sich bei dieser Recherche weniger Sorgen, aber seine Zeitung, befürchtet er, könnte in Schwierigkeiten geraten. Da gebe es viele Möglichkeiten: "Sie könnten hier irgendwelche Inspektionen machen, Kakerlaken oder Ratten aussetzen oder Verstöße gegen den Brandschutz feststellen." Häufig schon musste er aus Sicherheitsgründen bei einer Recherche kurzfristig das Land verlassen. Auch wählt er immer unterschiedliche Wege, um abends nach Hause zu gehen. Die internationale Zusammenarbeit jedoch schütze ihn. "Wenn jemand nicht nur in Russland bekannt ist, sondern weltweit Partner hat, ist er viel sicherer", sagt Roman Anin. Und so recherchiert er weiter, welche Verbindungen es zwischen dem Umfeld des Präsidenten Putin und den Offshore-Firmen von Mossack Fonseca gibt.
Russland, Senegal, Island, Deutschland
Roman Anin in Russland, Hamadou und Momar in Afrika, Johannes Kristjánsson auf Island und die Reporter vom NDR Fernsehen, Online und Radio - sie alle treffen sich in einem virtuellen Newsroom, dem sogenannten Global I-Hub. Auf dieser sicheren Plattform tauschen sie ihre Rechercheergebnisse aus, teilen ihre Fundstellen und fixieren ihre Verabredungen. Marina Walker, stellvertretende Direktorin des ICIJ, ist die Einpeitscherin und Motivatorin der großen Reporterschar. Sie sagt: "Es geht nicht nur darum, Journalisten eine Masse an Daten zur Verfügung zu stellen. Dann fängt der Job ja erst an. Wir wollen als Team arbeiten, wir wollen wirklich Wissen und Informationen untereinander austauschen."
Viele Jahre lang verhallten die Rufe der ICIJ-Kollegen nach mehr Zusammenarbeit. Erst die Offshore-Leaks im Jahr 2013 brachten den Durchbruch. Seitdem stehen Medien aus der ganzen Welt geradezu Schlange, um mit dem spendenfinanzierten ICIJ zu kooperieren. Gerard Ryle, ICIJ-Direktor: "Es ist einfacher geworden, Partner zu finden. Aber, was immer schwieriger wird, ist, so ein Riesenteam zu managen."
Bastian Obermayer von der "Süddeutschen Zeitung" und die weiterhin anonyme Quelle sind monatelang über verschlüsselte Verbindungen im Zwiegespräch miteinander - ohne sich jemals zu Gesicht zu bekommen. "Ich hab natürlich früh versucht rauszufinden oder rauszuhören, wer die Quelle ist, und was sie will. Und ich hab wiederholt natürlich gefragt, ob man sich treffen könnte, hab alles Mögliche versprochen, was man so versprechen kann, ohne die Anonymität zu verletzen. Am Ende hat aber die Angst überwogen bei der Quelle", erzählt Bastian Obermayer. Und räumt ein: So sei es sicher für alle am besten.
- Teil 1: Es werden immer mehr Daten
- Teil 2: Weltweit arbeiten Journalisten an den Daten