SRF am Tag der Abstimmung: Angespannt neutral
Am frühen Sonntagmorgen ist Zürich noch merkwürdig ruhig. Dabei geht es um viel an diesem Tag. Die Schweizer könnten heute ihren öffentlichen Rundfunk abschaffen. Sie müssen nur bis Mittag der Volksinitative zur Abschaffung der Rundfunkgebühren zustimmen und das Land wäre ein anderes. So einfach kann Revolution sein. Die Revolution bleibt am Ende zwar aus, aber es kommt eine Reform. Doch der Reihe nach. Rückblick auf einen historischen Tag aus dem Inneren des SRF.
Nervosität vor der Abstimmung
Der öffentliche Rundfunk in der Schweiz besteht aus vier Fernsehsendern, für jede Sprachgemeinschaft einen. Wir haben schon vor Wochen beim größten, dem SRF für die Deutschschweiz in Zürich, gefragt, ob wir die Mitarbeiter an diesem historischen Tag begleiten dürfen. Zunächst hieß es, sehr gerne, doch je näher das Datum rückte, desto größer wurde offenbar die Nervosität. Am Ende dürfen wir genau einen Mitarbeiter begleiten: Sandro Brotz.
Sandro Brotz ist eines der wichtigsten Gesichter des Schweizer Fernsehens. Er ist Moderator und stellvertretender Redaktionsleiter der investigativen Polit-Sendung "Rundschau", besonders bekannt für seine harten Live-Interviews. Auch über die anstehende Abstimmung hat in der "Rundschau" neutral und ausgewogen berichtet, so wie es sich für den öffentlichen Rundfunk gehört. Und obwohl es auch für ihn dabei um seine eigene Existenz geht. Wir werden uns mit ihm die Abstimmungssendung ansehen. In seiner Redaktion, die wir nicht verlassen dürfen.
Sorgen um Arbeitsplätze, Sorgen um den Journalismus
Nicht nur Sandro Brotz, das ganze Haus wirkt angespannt, auch wenn die letzten Umfragen zeigen, dass die Schweizer den öffentlichen Rundfunk erhalten wollen. Denn es geht heute nicht nur um 10.000 Arbeitsplätze, die wegfallen könnten, wenn die Initiative Erfolg hat. Sondern, wie Brotz immer wieder sagt, um etwas "viel Größeres". Es geht um die Schweiz, um einen wichtigen Teil der demokratischen Kultur: unabhängige Berichterstattung.
Die allgemeine Sorge hier im Sender: Nach der letzten Umfrage wollten die Schweizer zwar ihren öffentlichen Rundfunk behalten. Aber werden sie auch zur Wahl gehen? Brotz ist in dieser Hinsicht schon vor Beginn der Sendung optimistisch: Er hat am Hauptbahnhof vor der Abstimmungsurne "eine lange Schlage gesehen, viel länger als sonst bei ähnlichen oder anderen Vorlagen".
Deutliches Bekenntnis der Bevölkerung zum öffentlichen Rundfunk
Doch richtig beruhigen kann ihn das offenbar nicht: Je näher die Verkündung des Abstimmungsergebnisses rückt, desto undurchdringlicher wird Brotz' Miene. Selbst als der Sprecher endlich bekannt gibt, dass sogar 71 Prozent gegen die Initiative und damit für den Rundfunk gestimmt haben, ist von Brotz kein Jubel zu hören. Er ruft einmal "das ist aber deutlich", verstummt dann aber gleich wieder. Er weiß, dass die Diskussion um die Zukunft des Rundfunks weiter gehen wird, "der Druck ist unvermindert hoch".
SRG: Abstimmung gewonnen, Reform angekündigt
In den Sonntagszeitungen konnte man am Morgen der Wahl lesen, dass inzwischen alle Parteien sparen und die Rundfunkbeiträge deutlich senken wollen. Und jetzt, am Nachmittag, tritt die SRG-Spitze vor die Kameras. Der Generaldirektor Gilles Marchand verkündet, dass er im kommenden Jahr 100 Millionen Euro einsparen will, der heutige Tag sei "eine neue Etappe".
Auch wenn die mediale Revolution ausgefallen ist: Dies war ein historischer Tag. Für den Rundfunk und für die Schweiz. Das Land wird sich, das glauben hier alle, nun verändern.