Gesetz gegen Hass: Journalisten in Sorge
"Ihr dreckigen Untermenschen!!! Töten werde ich euch, JAGEN WIE HUNDE, ABSCHLACHTEN WIE SCHWEINE" oder auch "Die beschnittene Aysche stinkt nach Köfte": Leila Younes El-Amaire hat sich dran gewöhnt, dass sie für ihre Kunst in sogenannten sozialen Netzwerken nicht nur Lob, sondern auch Hass abbekommt.
Auch daran hat sich die 26-Jährige gewöhnt: Wenn sie und ihre Mitstreiterinnen der Poetry-Slam-Gruppe "i,slam" solche Einträge melden - die Lage verbessert sich nicht. "Am Ende des Tages bleiben trotzdem noch die Leute, die im Netz herumschwirren, die dich weiter attackieren", sagt die 26-Jährige. "Das Gefühl geht ja nicht weg. Auch nicht durch Counterspeech. Deswegen ist das bei Weitem nicht ausreichend."
Politik schaltet sich ein
Die Welle aus Hass und Hetze auf Plattformen wie Facebook, Google und Twitter ist inzwischen so gewaltig, dass sich längst auch die Politik eingeschaltet hat. In einer eigens eingerichteten Task-Force hat sich Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) Dutzende Male mit Vertretern der IT-Konzerne getroffen. Googles Videoplattform YouTube, die in Deutschland 26 Millionen Nutzer hat, verbesserte zwar den Umgang mit gemeldeten Inhalten, aber insgesamt bleiben immer noch zu viele strafbare Inhalte in den sozialen Netzwerken online - gerade bei Facebook und Twitter.
Neues Gesetz zwingt Konzerne zum Handeln
Maas hat deshalb das Netzwerkdurchsetzungsgesetz entworfen, das die Portale zur raschen Löschung rechtswidriger Inhalte zwingen und - zumindest bei systematischem Versagen - mit Bußgeldern von bis zu 50 Millionen Euro bedrohen würde (siehe Infokasten). Das NetzDG wird an diesem Freitag erstmals im Bundestag beraten.
Gefährdet das Gesetz die Meinungsvielfalt?
Gegen das Gesetz hat sich allerdings eine breite Allianz gebildet - aus IT-Lobby, Netzaktivisten und Medienverbänden. Sie kritisieren, dass die Abwägung, was strafbar ist und was nicht, Unternehmen überlassen bliebe, und befürchten, dass die Prüfteams der Portale aus Angst vor Strafen großzügiger als nötig löschen und dabei etwa auch Satire auf der Strecke bliebe oder auch journalistische Kommentare.
Google-Mitarbeiterin befürchtet Auswirkung auf Meinungsvielfalt
Facebook-Vertreter wollen sich zu dem Gesetzesvorhaben nicht vor der Kamera äußern. Die Leiterin Regulierung bei Google Deutschland, Sabine Frank, sagt indes gegenüber ZAPP: "Die Tatsache, dass das NetzDG auf der einen Seite sehr enge zeitliche Fristen vorsieht und auf der anderen Seite empfindliche Strafen, wird bei einer Vielzahl von Unternehmen dazu führen, dass eher Inhalte runtergenommen werden. Und das wird tatsächlich mit dem Netz in Deutschland und mit der Vielfalt an Meinung etwas machen."
Diskussion um umstrittene Reden könnten wegfallen
Frank betont, dass statt Unternehmen wie Google weiterhin Gerichte entscheiden sollten, was in welchem Kontext strafbar sei und was nicht. Komme das NetzDG, dann werde man "einen Großteil der Grau-Inhalte, die heutzutage im Netz verbleiben, bis ein Gericht entscheidet, das ist tatsächlich strafbar, vermutlich in Deutschland nicht mehr sehen". So könne dann etwa nicht mehr über umstrittene Reden wie die von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke zur deutschen Erinnerungskultur am konkreten Fall diskutiert werden.
Mass: "Ich will keine Zensur"
Maas hatte schon im Dezember im Interview mit ZAPP auf Kritiker reagiert, die neue Zensurapparate befürchten. Damals sagte er: "Ich will keine Facebook-Polizei. Und ich will auch keine Zensur. Ich will, dass die Inhalte, die den Boden der Meinungsfreiheit verlassen, weil sie nämlich strafbar sind - Bedrohung, Beleidigung, Volksverhetzung, Aufforderung zur Begehung einer Straftat - nicht nur vom Netz verschwinden, sondern auch von der Justiz verfolgt und geahndet werden. Nur so ist es möglich, ins Bewusstsein der Nutzer zu bringen, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist."
Zwei-Säulen-Modell: Löschen und Verurteilen
Der Minister will also ein Zwei-Säulen-Modell, in dem Plattformen Inhalte rasch vom Netz nehmen und dann die Justiz die Verbaltäter sanktioniert. Allerdings ist nicht nur fraglich, ob die IT-Konzerne dazu in der Lage sind. "Wenn wir fordern, dass Recht online und offline nicht unterschiedlich behandelt werden soll, dann müssen tatsächlich auch mehr Urteile ergehen, wenn Beschimpfungen und Verunglimpfungen online passieren", fordert jedenfalls Google-Lobbyistin Frank und moniert: "Das sehen wir noch zu wenig."
Es passiert noch zu wenig
Leila Younes El-Amaire macht mit ihren Mitstreitern - Opfer von Hasskommentaren - diese Erfahrung ganz praktisch. Immer wieder haben sie Kommentare, in denen sie Nutzer beschimpfen oder sogar bedrohen, nicht nur bei den Portalen gemeldet, sondern die Urheber auch angezeigt. Von der Polizei hören sie dann allerdings in aller Regel über Monate hinweg schlicht: gar nichts mehr. Hass im Netz dürfte damit ein Dauerzustand bleiben.