Der Niedergang von Danmarks Radio
In Dänemark sind die Rechtspopulisten seit über 20 Jahren eine Macht. Und genauso lange prügeln sie - zusammen mit den Neoliberalen und Libertären - auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein: Danmarks Radio, kurz DR. Es sei zu links, zu parteiisch, zu elitär - bekanntes Vokabular populistischer Hetzer europaweit. Nun haben die Rundfunkgegner einen wichtigen Sieg errungen: Die Minderheitsregierung hat zusammen mit der sie tolerierenden rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei einen Beschluss gefasst: DR soll endlich gestutzt werden.
Ein riesiger Sieg für die Kultusministerin Mette Bock: "Es ist noch nie passiert, dass DR 20 Prozent kürzen musste." Nicht nur weil DR jetzt "kleiner" werde, sondern weil "DR diese brennende Plattform braucht, um sich darauf zu besinnen, eine Kulturinstitution, ein Kulturvermittler und ein Nachrichtenvermittler zu sein". Das Budget soll um ein Fünftel schrumpfen. Zwei Kanäle sollen geschlossen werden. Hunderte Mitarbeiter und Zulieferer könnten ihre Jobs verlieren. Außerdem soll der Sender in Zukunft nicht mehr über Lizenzgelder, wie die Rundfunkbeiträge in Dänemark heißen, finanziert werden - sondern über Steuern. "Ein Blutbad" stehe bevor, kommentieren manche Zeitungen. Andere frohlocken, denn für sie ist die "Stunde der Rache gekommen im Kampf gegen DR".
Druck von außen und eine defensive Haltung
Die Angreifer sind mächtig. Aber wo sind die Verteidiger? Wo die flammenden Appelle für einen starken und unabhängigen Rundfunk? Sie kommen nicht einmal vom Sender selbst. "Ich denke, dass sie zu defensiv waren", sagt der Kopenhagener Medienprofessor Henrik Søndergaard: "Statt der Öffentlichkeit deutlich zu sagen, was sie ihr alles bieten, haben sie sich zurückgezogen." Dabei hätte Danmarks Radio allen Grund gehabt, für sich zu trommeln. Der Sender ist eine der erfolgreichsten öffentlichen Anstalten Europas. Seine Nachrichten informieren das ganze Land rund um die Uhr. Es gibt sechs TV-Kanäle und acht Radiowellen für jeden Geschmack und insgesamt 3.200 Mitarbeiter. Auch international hat DR einen Namen: Mit Serien wie "The Killing" oder "Borgen" hat der Sender große internationale Filmpreise gewonnen.
Doch statt die Menschen in einer großen Debatte für sich einzunehmen, hat DR zugesehen, wie andere die Themen bestimmen. Vorne weg: Die Rechtspopulisten. Jede Kritik an einer Sendung wurde bei ihnen sofort zur Kritik am gesamten System, national-kritische Töne zum "Beweis, dass DR gegen uns hetzt". Die andere mächtige Kampagne kam von den Zeitungskonzernen. Sie agitierten gegen DR, weil der Konkurrent angeblich ihre "Nachrichten kopiert" und sie aus dem "Netz verdrängt".
Missmanagement und Geldverschwendung
In einer solchen Atmosphäre braucht es nicht viel, um einen Sturm auszulösen, der ein System umfegt. In diesem Fall war das die Enthüllung, dass DR "das Pferd einer Korrespondenten-Gattin in die USA für Lizenz-Geld" geflogen hatte. Kostenpunkt 10.000 Euro. Ein Fehler, den der damalige Nachrichtenchef Ulrik Haagerup auch sofort zugab. Doch das Schuldeingeständnis half nicht. Stattdessen geriet er selbst ins Visier, wegen Flugkosten in Höhe von über 100.000 Euro. Er war oft von Aarhus - seinem Wohnort - nach Kopenhagen zur Arbeit geflogen.
Diese Situation sei "von einigen Journalisten und Rechtspopulisten sehr geschickt genutzt worden, um DR in Verruf zu bringen", so der Medienprofessor Søndergaard: "Seht, wir zahlen euch viel Geld und ihr verschwendet alles." Bald glaubte jeder vierte Zuschauer laut einer Umfrage nicht mehr, dass der Sender die Gebühren noch angemessen einsetzt. "Stück für Stück", so Haagerup, "setzte sich ein Bild zusammen. Am Ende sah es aus wie ein gigantischer Berg aus Missmanagement und Geldverschwendung. Wie konntet Ihr ein Pferd bis ans andere Ende der Welt fliegen? Wie konnte das passieren?"
Umstellung auf Steuerfinanzierung gibt der Politik mehr Macht
Wohl um Schlimmeres zu verhindern, bot DR selbst im vergangenen Sommer ein Sparprogramm an. Aber keine Chance: Die Politik wollte den Sender stutzen und setzte das durch. Und die Umstellung auf Steuern wird der Politik noch mehr Macht geben. "Wenn man über Steuergelder finanziert wird", so Søndergaard, "kann das meiner Meinung nach Redakteure und Programmmacher verleiten, nicht mehr über die Wünsche des Publikums nachzudenken. Sondern eher über die der Politiker." Kurz: Wer zahlt, bestimmt.
Die DR-Generaldirektorin versucht Optimismus zu verbreiten. "Meine Hoffnung ist", sagt Maria Rørbye Rønn, "dass wir eine Struktur bekommen, in der wir unabhängig bleiben und die Freiheit haben, DR so weiterzuentwickeln, dass wir relevant bleiben". Man mag es kaum glauben, dass sie sich gegen die aggressive Politik in Dänemark behaupten kann.