Der Auftrag: Die Zukunft von ARD/ZDF
Das Aus für den höheren Rundfunkbeitrag im Dezember 2020 hat eine alte Debatte neu entfacht, die dieser Tage auch die Medienpolitik beschäftigt: Wie soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Zukunft aussehen?
Wenn es nach Jan-Marcus Rossa geht, dem medienpolitischen Sprecher der mitregierenden FDP im Landtag von Schleswig-Holstein, dann soll die Senderlandschaft übersichtlicher werden. Auf einer Deutschlandkarte der Kanäle von ARD, ZDF und Deutschlandradio streicht er mit einem Rotstift das Erste und die Spartenprogramme der ARD: tagesschau24, One und den Bildungskanal Alpha.
"Ich bin der Auffassung, dass die Gründe, weswegen es zwei nationale Fernsehsender in Deutschland gibt, durchaus auf den Prüfstand gestellt werden müssen", sagt Rossa. Er ist einer von drei medienpolitisch Verantwortlichen, die ZAPP besucht hat auf der Suche nach einem zeitgemäßen Auftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk - gut 70 Jahre nach Gründung der ARD.
Während Rossa einen Rückbau fordert, da inzwischen private Sender und Streaminganbieter das Publikum mit vielen Angeboten gerade bei Sport und Unterhaltung versorgten sowie mit regionalen Radiosendern, will die Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, die SPD-Politikerin und rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, an den bundesweiten Angeboten von ARD und ZDF festhalten. "Wir sollten die Medienvielfalt auch in diesem Bereich bewahren", mahnt Dreyer - die auch Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrates ist.
Landesregierungen wollen Macht abgeben
Dreyer stimmt derzeit mit den Staatskanzleien der Länder den neuen Auftrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio ab. Die Länder sollen dabei Macht abgeben und anders als bisher nicht mehr alle öffentlich-rechtliche Kanäle beauftragen. "Wir brauchen da erheblich mehr Flexibilität", erklärt Dreyer gegenüber ZAPP. "Und dann können ARD, ZDF und Deutschlandradio für sich selbst entscheiden: Welcher Spartenkanal ist für sie jetzt eigentlich noch relevant und welcher nicht?"
Darauf hofft wiederum Tom Buhrow, WDR-Intendant und Vorsitzender der ARD. “Wenn sich das Publikum vom Linearen mehr ins Digitale hinwendet und man kann es dann selber entscheiden, entkrampft es die Sache", sagt Buhrow. Welche Kanäle er und die übrigen Intendanten dann streichen wollen, will er aber nicht verraten. "Es führt nirgendwo hin, weil jeder gerade in seinem Bundesland erst einmal sagt: Das muss jetzt bleiben." Nur vage sagt er voraus, dass es am Ende des Jahrzehnts weniger Kanäle geben wird: “Das ist doch einfach eine Tatsache."
Müssen sich ARD und ZDF stärker unterscheiden?
CDU-Politiker Rainer Robra, der wohl dienstälteste Medienpolitiker der Republik und Leiter der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt, will ebenfalls den Intendanten und Intendantinnen sowie ihren Rundfunk- und Fernsehräten die Entscheidung überlassen, welche Kanäle ARD und ZDF künftig bespielen sollen. Er fordert aber, dass sich vor allem das Erste und das Zweite stärker voneinander unterscheiden. "Die Wettbewerbssituation zwischen beiden bringt nicht nur förderliche Resultate zutage, sondern gelegentlich auch zu viel vom Gleichen."
Geht es nach Robra, dann soll die ARD stärker den Diskurs in den verschiedenen Teilen der Republik abbilden und das ZDF die bundesweite Perspektive. Robra begrüßt, dass die ARD zuletzt in den "Tagesthemen" die Rubrik "Mittendrin" gestartet hat mit Berichten aus den Regionen - so ähnlich, wie er sich das 2017 gewünscht hatte. "Ich fand, dass das eine sehr gute Reaktion gewesen ist."
Wenn es beim Sparen konkret wird, kommt der Widerstand
Joachim Knuth, seit anderthalb Jahren Intendant des NDR, will das Profil schärfen. In Zeiten des Spardrucks kürzt er vor allem beim Sport und in der Unterhaltung. Erst mal fänden das viele Menschen gut - bis es konkret werde. "Dann ist der erste Reflex 'Aber doch nicht der Tatort aus dem Bundesland X oder Y!’ - und beim Sport ist es genauso", berichtet Knuth. In den Gesprächen mit den Gremien des NDR spüre er auch entsprechende "Erwartungshaltungen". Irgendwo müsse nun aber gespart und dafür auch Prioritäten gesetzt werden. "Wenn Sie das nicht tun, dann gibt es irgendwie Chaos."
Wenn es um die Zukunft von ARD und ZDF geht, wirken viele unterschiedliche Kräfte. Wollen die Länder etwas ändern, müssen sie das einstimmig beschließen. Jahrelang hat eine Reform des sogenannten Auftrags für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht geklappt. Jetzt haben die Staatskanzleien der Länder einen ersten Entwurf für entsprechende Änderungen im Medienstaatsvertrag erarbeitet: Die Öffentlich-Rechtlichen sollen sich klar von den Privaten abgrenzen. Außerdem will die Politik weniger Kanäle konkret beauftragen. Ansonsten sollen die Sender mit ihren Gremien entscheiden, ob Sender zeitgemäß sind oder ob für ein Genre allein Angebote etwa in der Mediathek oder in sozialen Netzwerken aufgebaut werden. Noch in dieser Woche wollen sich die Länder vorläufig einig sein. Sie wollen den Entwurf dann im Netz öffentlich zur Diskussion stellen. Letzte Details beschließen wollen die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten möglichst im Herbst.
Wenn dann auch noch alle 16 Landtage ausnahmslos zustimmen, könnte es tatsächlich zu einer Reform kommen - Anfang 2023.