Sendedatum: 07.04.2010 23:05 Uhr

60 Jahre ARD - Ein "Dinosaurier" und seine Zukunft

von Grit Fischer, Nils Casjens

 

Geplatzte Deals

Die Abwerbeversuche sind nicht immer erfolgreich: Vor vier Jahren verhandelt die ARD monatelang mit Günther Jauch. Er soll Sabine Christiansen am Sonntagabend nachfolgen und freut sich. Günther Jauch: "Auf einen Sendeplatz zu gehen, der wirklich zu den stärksten der ARD gehört, ist immer eine Herausforderung. Und es ist mit Abstand der schönste Platz, den man im deutschen Fernsehen haben kann." (ARD, Tagesschau vom 23.06.2006). Doch plötzlich will er diesen Platz gar nicht mehr haben. Der Deal platzt. Jauch lästert öffentlich über die Gremien als Gremlins. Zu lange hatten ihm die ARD-Anstalten gestritten. Neun Sender, neun Intendanten, neun Meinungen.

Friedrich Küppersbusch, Fernsehproduzent: „Ich bin ja ein Dissident, was die ARD angeht. Und wenn man da jetzt nicht jeden Tag stundenlang wehleidig erklären möchte, warum man da nicht mehr ist, dann tut das schon mal irgendwie gut, dass auch andere Leute da hingehen, sich das angucken und sagen: Nee, das ist schwierig, da zu arbeiten."

 

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Volker Herres © NDR
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Volker Herres, Programmdirektor der ARD 15 Min

Volker Herres, ARD-Programmdirektor: „Die ARD ist ein föderales System, es ist kein Zentralunternehmen, sondern es ist eine Gemeinschaft von neun selbständigen Landesrundfunkanstalten. Und ein solch föderales System hat immer ein höheren Abstimmungs- und Kommunikationsbedarf, dadurch dauern Entscheidungen manchmal etwas länger, sie sind aber auch gründlicher."

Neue Kooperationen

Etwas länger und gründlicher hatte die ARD auch bei ihm überlegt: Stefan Raab. Er soll den Grand Prix retten, nach jahrelangen Misserfolgen. Dass die ARD dafür nun mit der privaten Konkurrenz von ProSieben zusammenarbeitet: Ein Novum.

Volker Herres, ARD-Programmdirektor: "Natürlich ist das eine Kooperation, die zunächst mal etwas ungewöhnlich ist und auch mutig. Dauernd werden wir ermuntert, wir sollen mutig sein. Wenn man’s dann mal ist, erschrickt sich der ein oder andere. Aber wir haben eigentlich sehr schnell entschieden, dass wir es machen. Dass man sowas mal eine Runde diskutiert, ist doch normal."

 

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Stefan Niggemeier, Medienjournalisten 19 Min

Stefan Niggemeier, Medienjournalist: "Ich fand die Entscheidung beim Grand Prix mit ProSieben zusammenzugehen richtig. Weil man da einfach dann auch gesagt hat: Okay, wir haben diese Kompetenz nicht, wir haben auch nicht wirklich einen Draht zu Musikfirmen, dass die uns vertrauen, dass die uns spannende Leute schicken oder dass die uns produzieren. Stefan Raab hat die, warum soll man sich da nicht zusammentun."

Und so lässt sich die ARD von einem Privatsender helfen, um "Unseren Star für Oslo" zu finden. Eine Castingshow, ähnlich wie "Deutschland sucht den Superstar", nur anständiger, viel braver, öffentlich-rechtlich. Das Erste auf der Suche nach einem Massenpublikum und jungen Zuschauern.

Sport und Information

Friedrich Küppersbusch, Fernsehproduzent: "Ich glaube schon, dass die ARD einfach aufgrund des hohen Gebührenaufkommens, dass sie akkumulieren kann mit Olympischen Spielen, mit Fußball-Weltmeisterschaften, aber auch mit anderen großen gesellschaftlichen Ereignissen am ehesten noch diesen Lagerfeuer-Effekt von Fernsehen erzeugen kann."

Ein kleines Lagerfeuer: Die gute alte Sportschau. Die ARD hat sich die Fußball-Bundesliga 2003 zurückgekauft, für jetzt rund 100 Millionen Euro pro Saison. Mit ihrem Gebührengeld hat sie den Privaten das beste Programm weggeschnappt.

Volker Herres, ARD-Programmdirektor: "Bundesligafußball, Fußball generell, ist etwas, was unendlich viele Menschen interessiert, Sport gehört ausdrücklich zu unserem Programmauftrag, vom Bundesverfassungsgericht bestätigt."

Friedrich Küppersbusch, Fernsehproduzent: "Man kauft sich damit Quote. Jeder weiß, dass Fußballrechte nicht zu refinanzieren sind, also dass man da eine rote Zahl am Ende hat, dass man einfach den Leuten sagt, 'Programmier mich mal wieder weiter vorne auf deiner Fernbedienung, denn ich habe dieses Mal den Wanderpokal gewonnen'. Ich denke, dass die ARD das braucht, um überhaupt wieder auf dem Podium der ersten neun Tasten mitmachen zu dürfen in vielen Haushalten."

Das Pfund der ARD, die Information, reicht dafür offenbar nicht mehr aus. Dabei leistet sich die ARD eines der weltweit größten Korrespondentennetze, weitaus größer als es sich die Konkurrenten leisten könnten.

Peter Klöppel, RTL-Chefredakteur: "Ich war eine Zeit lang neidisch auf die Möglichkeiten der ARD, weil auch wir hier uns sehr genau fragen mussten, wofür geben wir unser Geld aus, wenn wir es in Informationsprogramme stecken. Wir haben aber in den vergangenen fünf bis zehn Jahren unser Korrespondentennetz deutlich ausweiten können, wir haben die Informationsstrecken bei uns im Programm deutlich ausweiten können, deswegen ist mein Neid weitgehend geschwunden, noch dazu, wenn ich mir anschaue, wie viel, sagen wir mal an Manpower auch an Infrastruktur vorgehalten wird in der ARD, um dieses Korrespondentennetz aufrecht zu erhalten, der Output aber in vielen Fällen überhaupt nicht gerechtfertigt, was da vorgehalten wird."

Stefan Niggemeier, Medienjournalist: "Ich bin ja ein großer Fan von der Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und finde, man muss die verteidigen, also genau diesen Gedanken, solidarisch zahlen alle für was, und daraus entsteht was, was teilweise Massen tauglich ist, aber wo man auch sagt, wir nehmen auch relativ viel Geld von dem, was alle bezahlen, auch wenn es nicht alle gucken und machen Dinge, für die man sonst nicht genug Geld hätte."

Der Streit um die Zukunft im Internet

Geld gibt die ARD zunehmend auch für das Internet aus. Den Verlegern ein Dorn im Auge ist tagesschau.de, ein Nachrichtenportal, auf dem Tagesschau und Radiobeiträge zeitversetzt abgerufen werden können mit jeder Menge Zusatzinfos.

 

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Wolfgang Fürstner, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) 17 Min

Wolfgang Fürstner, Verband Deutscher Zeitungsverleger: "Die Veränderung, die durch die Digitalisierung in der Medienlandschaft entsteht, muss dazu führen, dass die Märkte neu aufgeteilt werden, das heißt, dass der Gebührenzahler oder der öffentlich-rechtliche Rundfunk Märkte besetzt, die überlebensnotwendig für private Medien, also für Zeitungen und Zeitschriften, sind. Das geht nicht."

Der Kampf ums Internet ist für alle ein Kampf ums Überleben geworden. Dabei verdient bisher kein Medium wirklich Geld im Netz. Dafür sollten Apps, kleine Handyprogramme, endlich der Einstieg sein. Die Ankündigung einer kostenlosen Tagesschau-App: Für die Verlage eine Kriegserklärung.

Wolfgang Fürstner, Verband Deutscher Zeitungsverleger: "Wenn es nach den Interessen der Zeitschriftenverleger geht, dann würde ich sagen, dass Fernsehen sollte auf seinen Kernmärkten sich tummeln und da würden wir sie auch in keiner Weise kritisieren wollen. Wie weit öffentlich-rechtliches Fernsehen in digitale Medien hineinwachsen darf, das ist ja Gegenstand einer intensiven politischen Diskussion. Unser Interesse wäre, dass sie die Finger ganz davon lassen."

Volker Herres, ARD-Programmdirektor: "Ohne die Möglichkeit, auch im Internet präsent zu sein, haben Sie keine Zukunftsperspektive. Es wird neben der linearen Fernsehwelt die On-Demand-Welt geben, und deswegen müssen auch wir in Mediatheken und auf Plattformen präsent sein."

Stefan Niggemeier, Medienjournalist: "Wenn man sagt, ARD und ZDF sollen nicht ins Internet, dann sagt man im Grunde, die sollen bedeutungslos werden. Weil klar ist, dass das Internet an Bedeutung zunimmt, das Publikum dort sein wird und dass das mittel- bis langfristig das Leitmedium sein wird."

Für die ARD geht es im Internet weniger um Klickraten als um junge Zuschauer, die für das öffentlich-rechtliche Fernsehen sonst verloren scheinen. Langfristig steht die Daseinsberechtigung auf dem Spiel.

Der Ausblick

Peter Klöppel, RTL-Chefredakteur: "Mir kommt die gute alte ARD mit ihren 60 Jahren manchmal vor wie so eine etwas immobil gewordene alte Dame, die etwas hüftsteif und etwas rund um die Hüften ist, der mal eine Abmagerungskur ganz gut tun würde. So gesehen gibt es da durchaus Potenzial, wohin sich die ARD noch entwickeln kann."

Volker Herres, ARD-Programmdirektor: "Ein erfolgreiches nationales Vollprogramm mit der richtigen Mischung an Angeboten zu machen, das ist eine ständige Aufgabe, da schrauben Sie mal hier und da schrauben Sie mal da."

Friedrich Küppersbusch, Fernsehproduzent: "Ich glaube, die ARD ist zu heterogen, als dass jetzt ARD-Fanclubs sich gründen oder wilde Jungs brüllen, ich möchte ein Kind von Dir, ARD." Das wird auch in absehbarer Zeit nicht passieren. Die absehbare Zeit, das Geburtstagsjahr, ist durch die Weltmeisterschaft im Sommer gesichert. Rekordquoten sind garantiert, genauso wie Platz eins auf der Fernbedienung.

Harald Schmidt, Entertainer: 2Brot und Spiele, so sind alle großen Imperien gut gefahren, bis es dann endgültig vorbei war, aber das sind noch mindestens, jetzt feiern wir 60 Jahre, dann sind es ja noch 940 Jahre."

 

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 07.04.2010 | 23:05 Uhr

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