Rundfunkbeitrag: Eilanträge scheitern in Karlsruhe - und jetzt?
Der Rundfunkbeitrag bleibt vorerst bei 17,50 Euro: Das Bundesverfassungsgericht hat Eilanträge von ARD, ZDF und Deutschlandradio abgelehnt. ZAPP beantwortet die wichtigsten Fragen zum Verfahren und zu den Folgen für die Sender.
Warum hat das Bundesverfassungsgericht die Eilanträge zurückgewiesen?
Wichtig ist: Bei den Eilanträgen ging es nicht um eine Entscheidung in der eigentlichen Sache, also ob dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Erhöhung des Rundfunkbeitrags von derzeit 17,50 Euro pro Haushalt im Monat auf 18,36 Euro grundsätzlich zusteht, wie sie die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) nach Prüfung der Senderfinanzen empfohlen hatte. Dafür haben ARD, ZDF und Deutschlandradio Klagen beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, die noch in einem Hauptsacheverfahren geprüft werden. In der Eilsache ging es um die Frage, ob der Beitrag bis zu dieser Entscheidung quasi präventiv erhöht werden sollte, damit das Programm nicht leidet.
Die Sender hatten argumentiert, dass das Land Sachsen-Anhalt, das Anfang Dezember das komplexe Verfahren zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags gestoppt hatte, die Rundfunkfreiheit und die unabhängige Finanzierung des Programmauftrags verletzt habe - nach dem Motto: Die Politik hat die vielen Radio- und Fernsehkanäle sowie Onlineangebote konkret beauftragt, nun müsste sie auch für die Finanzierung sorgen. Die Richterinnen und Richter in Karlsruhe haben nun entschieden, dass die Sender nicht ausreichend plausibel gemacht haben, dass das Programm gravierenden Schaden nehmen würde, sollte der Rundfunkbeitrag bis zu einer endgültigen Entscheidung erstmal bei 17,50 Euro bleiben.
Der ARD-Vorsitzende hatte nach dem Stopp der Beitragserhöhung gewarnt, man werde es "sehen und hören", dass Geld fehlen würde. Warum sieht das Bundesverfassungsgericht das anders?
Die Richterinnen und Richter des Ersten Senats haben dazu in ihrer Entscheidung einen Hinweis notiert: Den Anstalten wäre "ein Ausgleich zu gewähren, falls ihnen auf der Grundlage einer verfassungswidrigen Festsetzung des Beitrags Mittel - etwa für nötige Investitionen - entgangen sein sollten, deren Bezug nach ihren früheren Bedarfsanmeldungen und den Feststellungen der KEF erforderlich war, um die Erfüllung des Rundfunkauftrags sicherzustellen". Tatsächlich sieht das komplexe Verfahren für den Rundfunkbeitrag eine Überprüfung vor. Die KEF könnte den Sendern als Ausgleich mehr Geld zugestehen. Der Beitrag könnte später entsprechend nochmals steigen.
Das Gericht argumentiert also so: Die Sender könnten bis zum Ende des klassischen Verfahrens überbrücken. Sollten die Richterinnen und Richter feststellen, dass den Sendern die 18,36 Euro tatsächlich zustehen, könnten diese auch Geld einfordern, das ihnen seit Januar 2021 entgangen sein sollte - wobei in der Entscheidung nicht die Rede davon ist, dass den Sendern alle entgangenen Rundfunkbeiträge zustünden. Die Sender hätten aber eben "nicht substantiiert" vorgetragen, dass ihnen ohne einstweilige Anordnung "irreversible Nachteile" entstünden - und damit dem Programm.
Wie wahrscheinlich ist es, dass die Sender am Ende doch die Beitragserhöhung bekommen?
In früheren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Politik zwar die Freiheit hat, den Programmmix zu ändern. Wenn es um die Finanzierung der so beauftragten Programme geht, lässt Karlsruhe den Ländern aber nur wenig Spielraum. Schon 1994 hieß es in einer Urteilsbegründung, dass es der "enge Zusammenhang von Programmfreiheit und Finanzausstattung" verbiete, "dem Gesetzgeber bei der Gebührenfestsetzung freie Hand zu lassen". Wie viel Geld den Sendern zustehe, sei Aufgabe der KEF. 2007 hieß es allerdings, die Länder dürften vom KEF-Vorschlag abweichen, wenn es darum gehe, "die Angemessenheit der finanziellen Belastung der Gebührenzahler jenseits der Bedarfskalkulation der KEF zu wahren und damit auch die Akzeptanz der Gebührenentscheidung bei den Betroffenen zu erleichtern".
In Sachsen-Anhalt hatten die Gegner der Beitragserhöhung neben diversen Gründen argumentiert, während der Coronakrise könne den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch Unternehmen keine Erhöhung des Beitrags zugemutet werden. Medienrechtler zweifeln allerdings daran, dass eine Erhöhung von 86 Cent pro Haushalt im Monat reicht, um die Richterinnen und Richter von dieser Argumentationslinie zu überzeugen:
Was heißt das jetzt für die Sender - und vor allem: die Programme?
Die Sender haben für das kommende Jahr damit geplant, dass sie die Beitragserhöhung bekommen. Jetzt müssen die Intendantinnen und Intendanten abwägen: Wetten sie auf die 18,36 Euro oder planen sie lieber so, dass sie nicht in Schwierigkeiten kommen, falls Karlsruhe am Ende doch überraschend nicht in ihrem Sinne entscheiden und der Beitrag bei 17,50 Euro bleiben sollte.
Wo die Intendantinnen und Intendanten Recht haben: Sparen können sie kurzfristig vor allem am Programm. Das wird - wie dieser Text hier - zu einem großen Teil von freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern produziert, von Autorinnen und Autoren sowie Moderatorinnen und Moderatoren. In vielen Sendern sind sogar Redaktionen bis hin zu den Chefs vom Dienst mit "Freien" besetzt. Außerdem könnten die Sender Auftragsproduktionen zurückfahren, also weniger Dokumentationen bei Produktionsgesellschaften bestellen oder Filme und Serien in Auftrag geben - wobei gerade bei Fiktionalem der Vorlauf oft groß ist, ebenso bei Sportrechten, die teils über viele Jahre abgeschlossen werden.
Viele andere Kosten sind weitgehend fix, darunter die Verbreitung der Angebote, der Unterhalt der Technik, feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Redaktionen und Verwaltung und Pensionen. Vor allem alte Verträge, die so heute gar nicht mehr abgeschlossen werden, belasten die Haushalte stark. Bei festen Mitarbeitenden könnten die Sender nur sparen, wenn sie sich für betriebsbedingte Kündigungen entscheiden würden. Das haben die Intendantinnen und Intendanten allerdings bislang abgelehnt: Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen möglichst soziale Arbeitgeber sein.
Wo könnten die Sender das Geld hernehmen?
Unklar ist, ob Sender Kredite nehmen dürfen. Das hatte unter anderem der KEF-Vorsitzende Heinz Fischer-Heidlberger in einer Anhörung im Magdeburger Landtag angemerkt. Einen Teil ihrer Planungen können die Sender kurzfristig sowohl bei den freien als auch bei den festen Mitarbeitenden drücken: Die Gewerkschaft Verdi bestätigt auf Anfrage, dass alle öffentlich-rechtliche Sender für die laufenden Tarifverträge auf eine Sonderkündigungsklausel bestanden haben, für den Fall, dass der Rundfunkbeitrag nicht erhöht wird. Damit können sie zumindest die Erhöhungsstufe der Honorare und Gehälter streichen, die 2021 ansteht. Gewerkschaften und Sender müssten dann allerdings neue Tarifverträge abschließen. Es könnte rasch zu Streiks kommen.
Einige Sender könnten wohl notfalls Immobilien verkaufen, um für Liquidität zu sorgen. Außerdem könnten Sender Investitionen strecken, etwa wenn sie neue Studios geplant haben. Diskutiert werden wird wohl auch, ob gegebenenfalls die jeweiligen Länder bei Liquiditätsengpässen einspringen müssten. Bremen und das Saarland haben bereits darauf hingewiesen, dass "für die Trägerländer die Gefahr besteht, in Haftung genommen zu werden, wenn eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Finanzierung der Anstalten nicht mehr gewährleistet ist".
Radio Bremen, der Saarländische Rundfunk und auch der Hessische Rundfunk gelten als besonders anfällig. Vor allem Radio Bremen und der SR sind schon seit Jahren darauf angewiesen, dass größere ARD-Anstalten ihnen Geld abgeben. Der ARD-Finanzausgleich hätte mit der Erhöhung des Rundfunkbeitrags auch angepasst werden sollen, zugunsten der kleinen Sender. In Bremen und im Saarland könnte sich also zuerst zeigen, ob die mindestens vorerst ausbleibende Erhöhung des Rundfunkbeitrags die Sender tatsächlich zu radikalen Entscheidungen zwingt.