Rundfunkbeitrag: CDU Sachsen-Anhalt stemmt sich gegen Erhöhung
Der Rundfunkbeitrag soll nach elf Jahren wieder steigen. In Sachsen-Anhalt leistet die CDU aber erstaunlichen Widerstand. Darunter leiden dürften auch Kreative im ganzen Land.
Für Hagen Eichler ist die Sache klar. "Es geht hier auch darum, den anderen mal zu zeigen, dass man auch wer ist", sagt der landespolitische Korrespondent der "Mitteldeutschen Zeitung". Die andere Zeitung im Land, die "Magdeburger Volksstimme", brachte zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags gar die Schlagzeile: Magdeburg sei "das gallische Dorf".
Tatsächlich bangen die Intendantinnen und Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender und mit ihnen viele Mitarbeitende schon seit Monaten, ob der Rundfunkbeitrag zum Januar auf 18,36 Euro steigen kann. Während viele Landtage schon zugestimmt haben, fehlt in dem 16:0-Verfahren in Sachsen-Anhalt noch immer eine Mehrheit. "Die Stimme aus Sachsen-Anhalt ist jetzt auf einmal wichtig. Und da kann man auch Macht demonstrieren."
"Die CDU-Fraktion hat in einer Fraktionsvorstandssitzung am Montag und der turnusgemäßen Fraktionssitzung am Dienstag die Anhörung zum Rundfunkbeitrag ausgewertet. Ein Angebot der Intendanz hat die Fraktion nicht bewogen, von ihrer Beschlusslage abzuweichen. Das Angebot sah lediglich vor, kleine und mittelständische Unternehmen mit Blick auf die Corona-Pandemie von der Zahlung des Rundfunkbeitrages befristet zu entlasten." Siegfried Borgwardt, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt
Vergleich mit Verhandlungen übers Taschengeld
Machtgehabe werfen jedenfalls viele Markus Kurze vor. Dem parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion und seinen Leuten sind die Sender zu teuer, genauso wie der AfD. Sie hinterfragen, ob es so viele Häuser sein müssten, ob es den Saarländischen Rundfunk und Radio Bremen brauche und ob es nicht auch sonst mit weniger Programmen und stärkerer Kooperation gehe. Während Corona sei eine Erhöhung des Beitrags - es geht um 86 Cent mehr pro Monat und Haushalt - außerdem eine zusätzliche Belastung, für die Bevölkerung und für Unternehmen.
Gegenüber ZAPP vergleicht Kurze die Situation mit den Verhandlungen über ein Taschengeld. "Wenn der Vater in Kurzarbeit ist, dann kann man auch über die Frage diskutieren, ob man das Taschengeld nicht kürzen muss", sagt der CDU-Politiker. Er argumentiert zudem mit den Klagen der Handwerker- und Industrielobby. Sie stören sich daran, dass sie auch für Betriebsstätten Rundfunkbeitrag zahlen müssten, obwohl dort niemand Radio höre. Tatsächlich sind die Beiträge für Unternehmen gestaffelt. Eine Betriebsstätte mit bis zu acht Beschäftigten kommt auf einen Beitrag von einem Drittel, derzeit 5,83 Euro. Kurze spricht hingegen von "erhebliche Lasten".
"Wirtschaftlicher Schaden" bei der Kreativwirtschaft
Stefan Gebhardt ist für die Sender wiederum kein Risiko mehr. Monatelang hatte der medienpolitische Sprecher der Linksfraktion gemahnt: Viele Sendermanager, allen voran viele Intendanten, bekämen zu üppige Gehälter. Und auch sonst könne es doch sparsamer gehen. Inzwischen wollen er und der Rest seiner Fraktion allerdings für die avisierte Erhöhung des Rundfunkbeitrags stimmen. Gebhardt ist das Wohl der Filmwirtschaft in seinem Land Sachsen-Anhalt aktuell wichtiger als Spardruck.
"Ich glaube, dass wir nach der Pandemie in einer anderen Zeit leben werden und dass die Wirtschaft wieder aufgebaut werden muss in diesem Land, auch in Sachsen-Anhalt", sagt Gebhardt gegenüber ZAPP. Werde der Rundfunkbeitrag nicht erhöht, drohe bei der Kreativwirtschaft ein "wirtschaftlicher Schaden".
Gebhardt ist damit ganz auf die Argumentationslinie der Sender eingeschwenkt, aber auch vieler Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden - von den Arbeitgebern bis zur Filmwirtschaft. Sie hatten bei der letzten Anhörung vor der entscheidenden Abstimmung in Magdeburg Mitte November gemahnt, es "nicht drauf ankommen zu lassen" - während CDU und AfD erklärten, die Sender könnten doch andernorts sparen als bei der Auftragsvergabe an Produktionsgesellschaften.
Verfahren liegt nun bei den Ländern
Das konterte aber der Vorsitzende der unabhängigen Finanzkommission KEF, die nach Prüfung der Senderfinanzen ausrechnet, wie hoch der Beitrag sein muss. Heinz Fischer-Heidlberger warnte vor "Liquiditätsproblemen" der Sender, falls die Erhöhung ausbleibe. Die Sender müssten dann zudem bei den variablen Positionen sparen - und damit auch bei der Produktion von Filmen, Serien und Dokumentationen.
"Ich glaube, wir und die vielen Sachverständigen von Produzentenwirtschaft und Arbeitgeberverbänden und viele andere haben wirklich erörtert, dass Sachsen-Anhalt Nachteile hätte, wenn die Beitragsanpassung nicht käme", sagte der Intendant des WDR und ARD-Vorsitzende Tom Buhrow nach der Sitzung. Die Intendantin des örtlichen Mitteldeutschen Rundfunks, Karola Wille, wollte sich nicht äußern: Das Verfahren liege nun bei den Ländern, erklärte eine Sprecherin des MDR.
"Liebe Leute, macht mal was"
KEF-Vorsitzender Fischer-Heidlberger erklärte Kurze und der AfD in der Sitzung noch: Wolle die Politik den Beitrag klein halten, dann könne sie ja an den Auftrag ran, also etwa die konkret bestellten Sender. "Das ist ureigenste Aufgabe der Medienpolitik." Nun gehe es aber darum, den gegenwärtigen Auftrag zu finanzieren. Eine Ablehnung der KEF-Berechnung sei "nicht verfassungsgemäß". Einzelne Intendantinnen und Intendanten haben für diesen Fall schon eine Klage angekündigt.
CDU-Politiker Markus Kurze schreckt das alles nicht ab. Er erinnert an den Koalitionsvertrag, der Beitragsstabilität vorsieht. Anders als Grüne und SPD wolle sich seine Fraktion daran halten. Kurze sagt ganz offen, dass er so Reformen im öffentlich-rechtlichen System erzwingen will. "Solange der Druck nicht hoch genug ist, macht man auch keine Reformen", sagt er. "Und deshalb muss man eben den Druck an der einen Stelle mal erhöhen, um zu sagen: Liebe Leute, macht mal was."