Medien und Klima: Versagt?!
Der Klimawandel ist das Top-Thema unserer Zeit. Immer mehr Medien kümmern sich darum, doch prominente Stimmen mahnen: Es reicht nicht.
Man könnte meinen, ARD-Moderatoren wie Karsten Schwanke oder Eckart von Hirschhausen hätten nichts zu beklagen: Der eine erklärt schon lange im Wetter der "tagesthemen" neben der Vorhersage für die nächsten Tage auch Zusammenhänge mit dem Klimawandel. Der andere hat gerade erst mehrere Ausgaben von "Wissen vor acht" im Ersten produziert, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen. Und beide sehen, dass auch andere Medien das Klima immer stärker zum Thema machen. Doch sie sagen ebenso klar auch: Das alles kann nur der Anfang sein.
"Es würde der ARD gut zu Gesicht stehen, eine Sendung zu kreieren, bei der das Wort 'Klima' wirklich im Titel steht – neben der Berichterstattung in allen anderen Formaten", sagt Meteorologe Schwanke. "Wir können auch nicht sozusagen die Ausputzer für die ARD sein, für das, was vielleicht noch nicht gemacht wird." Mediziner Hirschhausen sagt wiederum auf die Frage, ob es reicht, was Medien zum Klima machen: "Nein." Prävention sei der einzige Weg, Lebensbedingungen für Menschen auf der Erde zu ermöglichen. Medien berichteten darüber zwar schon spürbar häufiger, aber noch nicht ausreichend. Er werde "wütend und ungeduldig".
Hirschhausen hat ein Buch geschrieben über den Zusammenhang von Klimawandel und Gesundheit. Bei den Verhandlern der möglichen künftigen Koalition der Bundesregierung wirbt er mit einem ausführlichen Brief und seiner Unterschrift dafür, dass der Klimawandel zur Top-Priorität wird. Gegenüber ZAPP erklärt Hirschhausen nun, er habe "persönliche Konsequenzen" gezogen: "Ich werde mein Tour-Geschehen im nächsten Jahr beenden. Ich werde mich dieser Aufgabe voll widmen." Hirschhausen will unter anderem dafür sorgen, dass Mitarbeitende der Pflege- und Gesundheitsbranche häufiger in Medien darüber aufklären, welche Folgen erhöhte Temperaturen auf der Erde für Kranke und ältere Menschen haben.
Schwanke und auch andere Wettermoderatorinnen und -moderatoren von ARD und ZDF spüren auch Gegenwind von Boulevardzeitungen oder manchem Leugner des Klimawandels, wenn sie nicht nur über das Wetter von morgen reden, sondern auch über das Klima. Es gebe aber vor allem Rückenwind, auch aus der ARD. "Aber es gibt viel mehr Themen rund um Klimawandel und Klimaschutz, die in ganz anderen Sendungen, in vielen anderen Gefäßen stattfinden müssen."
"Warum habt ihr uns das nicht deutlicher gesagt?"
Tatsächlich beschäftigen sich immer mehr Medien auch kontinuierlich in eigenen Formaten mit dem Klima, also dauerhaft und nicht nur zu Großereignissen wie der Weltklimakonferenz in Glasgow. Die "Zeit" hat dafür mit "Green" ein eigenes Ressort gegründet: Zusätzliche Journalistinnen und Journalisten suchen nach Lösungen und vergleichen, was die Länder auf der Erde tun, um den Klimawandel zu bremsen. Sie veröffentlichen das auf der Internetseite der Wochenzeitung und in der gedruckten Ausgabe ein Mal im Monat gebündelt auf mehreren Seiten. Der WDR betreibt wiederum mit dem Kanal @klima.neutral ein eigenes Angebot auf Instagram.
All das reicht Kritikerinnen und Kritikern nicht. "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk riskiert, dass er nicht seinem Informationsauftrag gerecht wird und dass die Leute früher oder später sagen: Hm, warum habt ihr uns das eigentlich damals nicht deutlicher gesagt?", mahnt Christian Stöcker. Der frühere Journalist lehrt nun an der HAW in Hamburg digitale Kommunikation. "Die Gefahr, dass man sich eines Tages wird nachsagen lassen müssen 'Ihr habt das wichtigste Thema der Welt nicht adäquat behandelt', die halte ich für ganz real."
Zuletzt hat eine Initiative, die unter dem Titel "Klima vor acht" ein entsprechendes Format im Ersten fordert, das Programm unter anderem des Ersten, des ZDF, aber auch der Dritten und einiger Spartensender wie 3sat und tagesschau24 ausgewertet. Die Initiative kritisiert, die Zahl der Sendungen zur Klimakrise spiegele "weder die Relevanz noch das Problembewusstsein in der Bevölkerung" wider. Auf Anfrage von ZAPP ging die Programmdirektion der ARD nicht auf die Forderung nach einem Dauerformat ein. Sie stellte stattdessen die Qualität der "Klima vor acht"-Auswertung ihrer Programme infrage.
Stellungnahme der ARD
In der Stellungnahme der ARD heißt es: "Die Auswertung von 'Klima vor acht' ist unvollständig, denn sie berücksichtigt lediglich Sendungen mit der Nennung des Wortes Klima im Titel oder Untertitel, nicht aber die Beiträge in Magazin- oder Nachrichtensendungen." Die Initiative hatte allerdings in den elektronischen Programmführern ausdrücklich auch die Zusammenfassungen und Themenübersichten der einzelnen Sendungen ausgewertet, wie sie auf ihrer Internetseite erklärt.
Die ARD kritisiert unterdessen auch, dass fiktionale Formate, wie der Fernsehfilm "Ökozid" keinen Eingang in die Erhebung gefunden hätten, "obwohl sie für die Meinungsbildung der Zuschauerinnen und Zuschauer eine große Rolle spielen". Außerdem biete die ARD "eine Vielzahl an Berichten, Dokumentationen, Gesprächssendungen und Filmen zu dem Thema" - im TV und online. Bereits 2020 habe sich eine Themenwoche unter anderem mit dem Klima beschäftigt. Für das Frühjahr 2022 stellt die ARD zudem zum Weltwassertag "einen umfassenden Themenschwerpunkt" in Aussicht.