Die Klatschpresse und Michael Schumacher
Es sollte "ein Weihnachtswunder" sein, was die "Bunte" im Dezember 2015 über Michael Schumacher erfahren haben wollte: "Er kann wieder gehen", titelte das Burda-Blatt zwei Jahre nach dessen Skiunfall, darüber in Signalfarben der Hinweis auf die Exklusivität der Nachricht. Mittlerweile Hat die "Bunte" eine Unterlassungserklärung abgegeben. Die Behauptung, Schumacher könne wieder gehen, stimmt nicht.
Die Schumacher-Managerin Sabine Kehm dementierte damals umgehend in der "Bild" und betonte: "Solche Spekulationen sind unverantwortlich, denn angesichts der Schwere seiner Verletzungen ist für Michael der Schutz seiner Privatsphäre sehr wichtig. Leider führen sie außerdem dazu, dass viele Menschen, die ehrlich Anteil nehmen, sich falsche Hoffnungen machen." Anders als bei anderen Geschichten habe die "Bunte" ihre Informationen in diesem Fall nicht beim Management gegengecheckt, so Kehm: "Mein subjektiver Eindruck war, dass man diesmal bewusst darauf verzichtet hatte, um diese Geschichte nicht zu gefährden."
Familie Schumacher verklagt die "Bunte"
Jetzt streiten beide Parteien vor dem Landgericht Hamburg. Es geht um 100.000 Euro Schadensersatz für die Familie, so viel wie nie zuvor bei Schumacher. Die entscheidende Frage ist, wie vertrauenswürdig der "Vertraute" war, von dem die "Bunte" ihre Informationen bezog. Dazu war am vergangenen Freitag Tanja May als Zeugin geladen, stellvertretende Chefredakteurin und Autorin der "Weihnachtswunder"-Story. Ihre fast dreistündige Aussage fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt - um Michael Schumachers Privatsphäre zu schützen, falls sein Gesundheitszustand Thema sein sollte. Mit ZAPP wollte Tanja May nicht über den Fall sprechen.
Wo keine Geschichten sind - denkt man sich welche aus
Der Fall steht für ein System: Deutsche Klatschblätter bedrucken ihre Titelseiten Woche um Woche mit Geschichten über Schumachers Schicksal. "Ich beobachte das zunehmend mit großem Erstaunen, weil die Informationsquellen immer dünner werden und eigentlich keine Informationen nach draußen gelangen", sagt Felix Damm, der die Schumachers als Anwalt vertritt.
Ohne Ende Artikel und Coverstorys mit meist mindestens fragwürdigen, oft sogar justiziablen Inhalten. Für die Familie sei das "sehr lästig und mitunter auch ärgerlich", so Damm. Mehrere hundert Klagen hat die Familie bisher eingereicht, um gegen Berichterstattung, die die Privatsphäre des kranken Rennfahrers in ihren Augen nicht ausreichend respektiert, vorzugehen. Der Fall des „Weihnachtswunders“ in der „Bunte“ sei inmitten all der anderen Klatschblätter ein besonderer, sagt Damm: "Die Bunte ist natürlich eine der größten People-Zeitschriften Europas und hat eine unglaubliche Reichweite und insoweit auch ein gewisses Gewicht innerhalb dieses Genres."
"Die Klatschpresse lebt eben von Intimitäten, und die werden ihnen von der Familie Schumacher natürlich konsequent verweigert. Das macht sie einerseits irre, andererseits wird natürlich gerade dadurch der Fall Michael Schumacher zu einer großen Projektionsfläche", meint Jörg Thomann von der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er beschäftigt sich seit Jahren mit dem Boulevard, schreibt eine wöchentliche Kolumne darüber. "Es gibt keine Informationen über ihn, es gibt sozusagen keinen Gegennarrativ, und das betrachten sie jetzt als Einladung die exklusiven Geschichten zu schreiben."
Warum sagt die Familie nichts?
Natürlich stellt sich die Frage, warum die Familie Schumacher nicht einfach mit der Sprache rausrückt, um der Spekulationswut vieler Medien einmal Informationen entgegenzusetzen und damit Fakten zu schaffen. "Es gibt nicht die eine 'goldene' Antwort, die alle auf unbestimmte Zeit zufrieden stellen würde", sagt Managerin Kehm. "Der Wunsch der Familie nach Privatsphäre in einem derart intimen Bereich ist doch mehr als nachvollziehbar; er sollte respektiert werden." Auch vor seinem Unfall habe Schumacher schon viel Wert auf seine Privatsphäre gelegt. Inwiefern diese von der "Bunte" verletzt wurde und wie viel Schadensersatz das wert ist: Eine Entscheidung will das Gericht Anfang April verkünden.