Stand: 01.11.2017 21:18 Uhr

Chauvinismus: Erfahrungsberichte aus Redaktionen

Ein Screenshot mit der Aufschrift #metoo © fotolia.com / Screenshot NDR Foto: SFotolEdhar
Über andere berichten Medien unter dem Hashtag #metoo gerne.

#metoo - Seit Wochen beschäftigt diese Debatte die Medien. Seit die Vorwürfe über sexuelle Übergriffe des amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein ans Licht kamen, haben sich tausende Frauen, auch Männer, unter diesem Hashtag gemeldet und ihre Erfahrungen zum Thema Sexismus berichtet. Journalisten berichten zu gerne darüber, ist es doch zu interessant zu erfahren, welche prominente Schauspielerin jetzt von welchem Kollegen oder Vorgesetzen begrabbelt oder verbal niedergemacht wurde. Das bedient vor allem den Voyeurismus. Dem Thema Sexismus kommt man damit kaum näher.

Dumme Sprüche bestimmten den Alltag

Denn oft geht es gar nicht um tätliche Übergriffe. Im Alltag sind es meist dumme, herabwürdigende Sprüche, die sich vor allem diejenigen gefallen lassen müssen, die nicht in der Machtposition sitzen. Journalisten zeigen gerne mit dem Finger auf andere. Aber wie sieht es denn eigentlich in unserer eigenen Branche aus? Sind Journalisten, vor allem freie Kollegen, die auf Aufträge angewiesen sind, nicht genauso gefährdet wie Schauspielerinnen, Übergriffe oder verbale Entgleisungen einfach hinzunehmen, um ihre Existenz nicht zu gefährden? Aus vielen Redaktionen, Verlagen, Sendern haben wir genau von solchen Erfahrungen gehört.

Kolleginnen, aber auch Kollegen berichten über chauvinistische Sprüche, die sie dann eben einfach überhören, um nicht anzuecken, von sexuell anzüglichen Bemerkungen, die völlig unpassend sind, bei denen aber kein anderer mal den Mund aufmacht und dagegen hält. Unter der Hand wird diese Diskussion überall geführt. Aber müssen sich nicht gerade Medienhäuser, die für sich in Anspruch nehmen, die Diskussionen der Gesellschaft zu führen, auch selbst so einer Debatte stellen? Kann sich eine Kultur des Miteinander nicht nur dann ändern, wenn unangenehme Dinge auch mal ausgesprochen werden?

Wie sieht es im NDR aus?

Und wir? Auch der NDR ist ein Medienunternehmen. Es herrscht ein freundliches, offenes kommunikatives Miteinander. Sexismus scheint nicht besonders ausgeprägt. Aber er kommt trotzdem vor. Und bemerken tun das in der Regel die, die nicht schon jahrelang in ein- und derselben Redaktion arbeiten, sondern diejenigen, die neu zu einem Unternehmen stoßen. Die Volontäre, die Auszubildenden, die Jungen, die in der Hierarchie ganz unten stehen. Wir haben sie nach ihren Erfahrungen gefragt.

Der NDR geht offen mit diesen Schilderungen um. Der Intendant hat eine Sondersitzung mit den Volontärinnen und Volontären und Verantwortlichen des Hauses einberufen. Eine Infoveranstaltung mit Podiumsdiskussion soll weiter für das Thema sensibilisieren und eine unmissverständliche Haltung vermitteln, dass Sexismus nicht toleriert und auch sanktioniert wird. Außerdem wird es verpflichtende Seminarangebote mit dem Schwerpunkt "Sexismus im Arbeitsalltag" für Führungskräfte und die Belegschaft geben, auch für Auszubildende und Volontäre. Auch wenn es hier nicht um schlimme Übergriffe geht, es geht um eine Kultur des Miteinander. Und die kann man nur gemeinsam verändern. Der Nachwuchs hat die Diskussion angestoßen, die Spitze des Hauses hat sie aufgenommen.

Das große Schweigen

In vielen Medien packen Frauen aus, erzählen von ihren alltäglichen Erfahrungen und klagen an. Meist sind es jedoch Frauen aus anderen Branchen. Für ZAPP Anlass, einmal in Redaktionen nachzufragen. Zwei junge Journalistinnen recherchierten und telefonierten eine Woche mit Kolleginnen verschiedenster Hintergründe. Der Befund: Es ist einfacher über Belästigungen anderer zu berichten als über Belästigungen in der eigenen Branche. Wer öffentlich spricht, hat offensichtlich Sorge um den nächsten Auftrag oder Restriktionen in der Redaktion - und das, obwohl fast alle Erfahrungen mit Sexismus gemacht haben.

 

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Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 01.11.2017 | 23:20 Uhr