"Positive Geschichten aus China haben es schwer"
Sascha Storfner ist seit Januar 2016 China-Korrespondentin im ARD-Studio Peking. Ihr erster Aufenthalt in Chinas Hauptstadt liegt schon einige Jahre zurück. Das war 1991 noch während ihres Studiums. 2002 kehrte sie für ein Jahr als Reporterin dorthin zurück. Dann aber zog es sie erstmal für drei Jahre auf die andere Seite des Globus nach New York. Nach einem fünfjährigen Zwischenstopp in der Redaktion der Sesamstraße beim NDR in Hamburg, ist sie nun zurück in Peking. Gemeinsam mit Studioleiter Mario Schmidt und dem Team bringt sie dem Zuschauer das Riesenreich China, die Lebensweisen und die Veränderungen näher.
Auf Twitter können Sie Sascha Storfner folgen unter: @SaschaStorfner.
Frau Storfner, was hat Sie bis jetzt in Ihrer Korrespondenten-Wahlheimat am meisten beeindruckt?
Sascha Storfner: Dass die Chinesen dem Neuen gegenüber so aufgeschlossen sind. Ständig macht ein neues Business auf, ein neues Restaurant eröffnet, es gibt eine neue App. Und alle sind neugierig und machen mit. Seit ein paar Wochen boomt zum Beispiel das "Hausmannskost-Portal" im Internet: Menschen aus der Nachbarschaft, die Zeit haben, kochen für die, die keine haben. Meist sind das Rentnerinnen, die so eine Aufgabe haben und sich etwas dazuverdienen. Und: Es schmeckt wirklich wie bei Muttern - authentisch und köstlich.
Was hat Sie am meisten schockiert?
Storfner: Dass viele Chinesen große Angst haben (müssen), etwas Falsches zu sagen und dafür schwer bestraft zu werden. Auch für unsere Interviewpartner ist oft unklar, wo die Grenze ist, die sie nicht überschreiten dürfen. Sie sagen uns lieber ab. Das gilt für Menschenrechtler, aber auch für renommierte Uni-Professoren und Studenten. Nichts zu sagen ist für sie der einzig mögliche Schutz. Im Fernsehen sieht man die inszenierten Geständnisse von "Abweichlern", die Kritik geübt haben und denkt sich: Das darf nicht wahr sein. Das ist ja wie vor 50 Jahren während der Kulturrevolution.
Welche Geschichte wollen Sie unbedingt in Ihrer Zeit als Korrespondentin erzählen?
Storfner: Die Geschichte der chinesischen Mauer, anhand der Menschen, die an - und teilweise in - ihr leben. Einmal den "Drachen", wie die Chinesen ihre Mauer gerne nennen, aus der Sicht der Chinesen zeigen: vom Kopf in Shanhaiguan am Bohai Meer bis zur Schwanzspitze in Yumenguan in der Wüste der Provinz Gansu im Nordwesten Chinas.
Was ist die größte Herausforderung für die Zusammenarbeit mit den Redaktionen in Deutschland?
Storfner: Manchmal scheint es schwer, positive Berichte über China unterzubringen. Berichte aus dem sozialen Umfeld, die zeigen, wie das Leben hier dann doch ganz gut funktioniert, zwischen Tradition und Moderne. Aber all das gehört auch zu China, wie die Menschenrechtsverletzungen, die wirtschaftliche Entwicklung und die politische Engstirnigkeit.
Was haben Sie bei jeder Drehreise dabei?
Storfner: Pass, Presseausweis, Handy, ein Buch, ein paar Fotos von meiner Familie, Mentholpastillen und den neuesten Musikmix von meinem Friseur aus Hamburg.
Was war bisher die größte Panne, die Ihnen widerfahren ist?
Storfner: Eine Riesenpanne gab es noch nicht, aber die kommt sicher noch, ich bin ja noch nicht lange hier. Ich finde es unangemessen, wenn wir bei starkem Smog draußen mit Maske herumlaufen und unser Interviewpartner hat keine. Da ziehe ich die Maske auch aus.
Mussten Sie aus Höflichkeit bei einer Drehreise schon mal Merkwürdiges essen oder trinken?
Storfner: Als Korrespondentin bisher noch nicht, aber während meines Studiums schon: Schlangen-Aal-Suppe in Chengdu, Provinz Sichuan. Aber da dort alles derart mit Chili verfeinert wird, war diese "medizinische Suppe", die uns rundum gesund halten sollte, zu scharf um irgendetwas herauszuschmecken.
Was ist Ihr Lieblingsplatz in Peking?
Storfner: Der Ritan Park. Ein kleiner Park südlich des Arbeiterstadions. Dort kann man stundenlang im Steinboot-Teehaus sitzen und den Gesängen der Rentner lauschen, die über den kleinen See schallen. Es wird getanzt und Taijiquan trainiert. Und meine Kinder klettern auf den Felsen herum.
Wie sieht für Sie ein perfekter Sonntag aus?
Storfner: Milchbrötchen zum Frühstück, selbstgemacht von meinen Kindern. Perfekter, blauer Himmel, kein Smog. Aufs Rad und ab in die Hutongs, die kleinen Altstadtgassen, das alte Peking. Hier mal einen Schuh reparieren lassen, während im Hintergrund Rentner das Ganze kommentieren. Dort mal einen guten Kaffee in einem kleinen spanischen Restaurant trinken. Oder einen Trinkjoghurt beim Straßenverkäufer daneben. Wenn dann abends noch die Skype-Verbindung zu den Eltern gut ist, dann ist der Sonntag wirklich gelungen.
Was vermissen Sie am meisten aus Ihrer Heimat?
Storfner: Die Familie, die Freunde, die Nachbarn. Lakritz. Den Elbstrand. Manchmal sogar das Schietwetter.