Zeitreise: Feta aus Schleswig-Holstein
von Karl Dahmen
Viele Urlauber sind von Griechenland begeistert. Das war schon Ende der 1970er Jahre so. Das Land steht für klares, warmes Wasser, Kulturschätze, viel Sonne und vor allem auch für sein besonderes Essen, zu dem natürlich der traditionelle Schafskäse, der Feta, gehört. Wer aber damals als Erinnerung an den Urlaub den Käse mit nach Deutschland brachte, hätte sich oft die Reise sparen können, denn die Chance war groß, dass der Feta nicht aus Schafsmilch bestand und auch nicht aus Griechenland stammte, sondern von schwarzbunten Kühen aus Oldenburg in Holstein kam. Damals wurde für etwa 118 Millionen Mark Feta von Schleswig-Holstein aus nach Griechenland geliefert.
Von der Geschäftsidee zum Käse
Franz Zöllmer erinnert sich noch gut an den Tag, als sein Chef, Paul Rücker, eines Tages vor ihm stand und meinte, er hätte eine tolle Idee. Wenn die funktionieren würde, könnte er gute Geschäfte machen. Franz Zöllmer kannte Feta damals gar nicht, aber der Meierist nahm den Schafskäse, den Rücker ihm in die Hand drückte und "pflückte" ihn auseinander. Fast sechs Wochen tüftelten die Beiden an der Idee, aus Kuhmilch eine Art Schafsmilch-Käse zu machen. Paul Rücker meinte, in Griechenland würde es zu wenig Schafsmilch für die Nachfrage nach Feta geben - das könnte ein Bombengeschäft werden. Und so fing Zöllmer an, mit verschiedenen Säurebakterien, mit Salz und Wasser zu experimentieren. Der Feta musste eine bestimmte Festigkeit haben, erzählt Zöllmer, die hat er durch seine Finger ertastet. Er entschied, wann der Feta genau die richtige Stabilität hatte.
Der schleswig-holsteinische Feta in Griechenland
Paul Rücker war nach sechs Wochen mit dem Resultat zufrieden und fing an, den Feta aus Schleswig-Holstein zu produzieren. Das war der Beginn einer einzigartigen Erfolgsstory. In großen Fässern wurde der Käse in Lastwagen nach Griechenland transportiert. Die griechischen Geschäftspartner packten den Käse um und etikettierten ihn als griechischen Feta. Die Griechen, sagt Franz Zöllmer, waren begeistert von der Qualität des Käses, deshalb wollten sie immer mehr von ihm. Allerdings reklamierten sie häufig, erzählt er. Das gehörte für die Griechen sozusagen dazu, denn sie wollten immer den Preis drücken. Einmal, erinnert er sich, kam ein Brief mit der Reklamation bereits ins Haus, obwohl die Ware noch gar nicht abgeschickt war.
Eine Erfolgsgeschichte
Das Geschäft boomte. Aus zwölf Angestellten in der Meierei wurden 36, ständig wurde um- und ausgebaut. Es gab sogar 24-Stunden-Schichten, erinnert sich der heute 76-jährige Franz Zöllmer. Und auch die Bauern waren zufrieden. Es war die Zeit der Milchschwemme und der Butterberge. Die Meierei von Paul Rücker verarbeitete schließlich 100.000 Liter Milch am Tag und Rücker bezahlte einen guten Milchpreis. Für Oldenburg in Holstein war Rückers Meierei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und deshalb nahm man auch die vielen russischen Lastwagen in Kauf, die lärmend und stinkend den Käse in der kleinen holsteinischen Stadt abholten und nach Griechenland, in den Balkan und vor allem den Iran lieferten.
1994: Oldenburger Standort schließt
Aber den Griechen gefiel es nicht, dass andere mit dem Feta Geschäfte machen. Sie klagten vor dem Europäischen Gerichtshof. Seit 2005 gilt, nur Käse, der in Griechenland aus griechischer Schafsmilch produziert wird, darf sich "Feta" nennen. Paul Rücker nannte seinen Käse in "Friesischer Hirtenkäse" um.
1994 wurde die Meierei aus wirtschaftlichen Gründen nach Wismar verlegt und der Oldenburger Standort geschlossen. 1994 endete die gemeinsame Geschichte des schleswig-holsteinischen "Feta" und Oldenburgs - und damit die Zeit, als Oldenburg die "Hauptstadt des griechischen Käses" war.