Zeitreise: Als vor 25 Jahren die "Pallas" brannte

Stand: 20.10.2023 14:13 Uhr

Als am 20. Oktober vor 25 Jahren der italienische Holzfrachter "Pallas" den schwedischen Hafen Hudiksvall nördlich von Stockholm verlässt, ahnte man auf Amrum noch nicht, was auf die Insel in den nächsten Wochen zukommen würde.

von Jochen Dominicus

Am 25. Oktober 1998 werden die Amrumer Zeugen des Beginns der bisher größten Umweltkatastrophe im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Georg Quedens ist einer von ihnen. Der 89-jährige Heimatforscher ist sichtlich stolz auf sein Lebenswerk und deutet auf die vielen Dias, die auf seinem Schreibtisch neben ein paar schwarz-weiß Fotos von unterschiedlichen Schiffswracks liegen. Über 300 Schiffsstrandungen hat der Amrumer dokumentiert. Unter den vielen Schiffen, die er fotografiert hat, auch die "Pallas", jener Holzfrachter, der 1998 für die größte Ölverschmutzung an Deutschlands Küsten verantwortlich war, die es bisher gab.

Ein Mann sitzt an einem Schreibtisch, es ist Georg Quedens. © NDR Foto: NDR Screenshots
Georg Quedens ist einer der ersten, die das Unglück mit dem Fotoapparat dokumentieren.

"Ich hatte nur einen Drang: Da muss ich raus mit Fotoapparat! Ich war der Chronist der Insel und die Seefahrt und Unfälle waren mein Spezialgebiet", sagt er. Georg Quedens ist auf Amrum geboren. Seine Geschichten und Fotos von gestrandeten Schiffen im Wattenmeer finden sich in Chroniken, Zeitschriften und Kalendern. Er erinnert sich noch sehr gut an die Katastrophe, die - wie er sagt - zugleich eine Sensation war, und an die lange Irrfahrt, die der Holzfrachter bis zur Strandung vor Amrum hinter sich hatte.

"Wir haben gedacht, das wird schon gut gehen." Gerorg Quedens, Heimatforscher Amrum

Am 25. Oktober gegen 14.30 Uhr meldet die "Pallas" Feuer im Laderaum. Die Rückkehr in den dänischen Hafen wird allerdings von den dänischen Behörden verboten. Eine dramatische Rettungsaktion beginnt. Bis auf einen Seemann kann die Crew - trotz meterhohen hohen Seegangs und Orkanböen - aus der Luft von dänischen und deutschen Einsatzkräften von Bord geholt werden.

Dann treibt die "Pallas" führerlos in Richtung deutsches Wattenmeer, nimmt am 26. Oktober zunächst Kurs Richtung Sylt, erinnert sich Hans von Wecheln, der damals Pressesprecher der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. war. "Jetzt stellen Sie sich das mal vor: Ein brennender Holzfrachter strandet vor Deutschlands bekanntester Urlaubsinsel!" Ein Zuständigkeitswirrwarr deutscher Behörden, Koordinierungsstellen und Einsatzstellen beginnt und wertvolle Zeit verstreicht. Das stellt später auch das Seeamt in seiner Untersuchung fest.

Wertvolle Zeit verstreicht

Ein Mann blickt in die Kamera, es ist: Hans von Wecheln © NDR Foto: NDR Screenshots
Hans von Wecheln ist damals Pressesprecher der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste und erinnert sich noch gut an das Unglück.

Denn wenn das Schiff noch fährt, ist es Sache des Bundes, so der Nautik-Experte. "Wenn dieses Schiff aber gestrandet ist und es treten vom Schiff Verschmutzung aus, dann ist es Zuständigkeit des jeweiligen Landes, in welcher Küstennähe es dann liegt. Das heißt, sie haben in einer Lage ein Kommando Wechsel. Und das hat sich herausgestellt, ist nicht ganz so einfach", so von Wecheln weiter.

"Es waren überall nur Fragezeichen." Jürgen Junglaus, ehemaliger Amtsvorsteher Amrum

Am 25. Oktober bekommt auch der damalige Amtsvorsteher Jürgen Jungclaus Nachricht von der brennenden "Pallas", die durchs Wattenmeer treibt. "Amrum ist eine kleine, traumhafte, schöne, ruhige Insel. Die Leute kommen hierher, um hier Urlaub zu machen, die Ruhe zu genießen, keinen Trubel zu haben. Und dann passiert so etwas." Die Nachrichten gelangen zu Beginn nur spärlich zu Jungclaus. Auch er beschreibt den Beginn der Katastrophe als chaotisch und wenig koordiniert. "Es waren überall nur Fragezeichen."

Am 26. Oktober treibt die "Pallas" weiter durchs nördliche Wattenmeer. Die bundeseigenen Mehrzweckschiffe "Mellum" und "Neuwerk" sind auf den Weg und sollen versuchen den Havaristen nach Cuxhaven zu schleppen. Orkan, hohe Wellen schlechtes Wetter machen den Einsatz extrem schwierig. Es gelingt zwar zweimal die Pallas zu schleppen, die Leinen reißen aber mehrfach. Der immer noch brennende Frachter treibt weiter Richtung Küste und strandet schließlich am 29. Oktober südwestlich von Amrum.

Jürgen Jungclaus, kann sich noch gut erinnern, wie daraufhin der Hafen von Journalisten und Fernsehteams belagert wurde. "Es war Gott sei Dank Ende Oktober, also die Hauptsaison war zu Ende, aber für die Insel selbst war es eine Herausforderung. Kein Geschäft, kein kleiner Laden, kein Mensch irgendwo blieb unbehelligt, es waren alle davon betroffen und waren belastet."

"Wir waren alle bemüht, diese Sensationslust möglichst zu dämpfen." Jürgen Jungclaus

Hubschrauber mit Fernsehteams an Bord starten mehrfach am Tag auch hinter dem Haus von Georg Quedens. Zwei Wochen nach der Strandung wird klar. Öl tritt aus der Pallas aus. Das Schiff hat einen Knick im Rumpf. Das Ölt treibt auf die Küsten der Inseln und Halligen zu, Amrum trifft es am schlimmsten. Etwa 16.000 Seevögel verenden. "Alle waren in Sorge. Wie geht das jetzt weiter? Wie viel Öl kommt da noch? Schaffen wir das über den Winter bis zum Frühjahr, das so sauber zu bekommen?", erinnert sich Jürgen Jungclaus. "Alle Amrumer, die also wirklich zwei gesunde Hände und zwei gesunde Beine hatten, waren bereit, die Feuerwehren, die das federführend gemacht hat, zu unterstützen, dass unsere Strände wieder sauber wurden."

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Unklaren Zuständigkeiten zwischen Bund und Land

Jürgen Jungclaus hat auch nach 25 Jahren noch Wut im Bauch über das Geschehene. Vor allem über das Unvermögen der Behörden das Unglück zu verhindern, sagt er. Der abschließende 600-seitige Bericht, der vom Landtag eingesetzten Untersuchungskommission, kommt zum Schluss, dass die unklaren Zuständigkeiten zwischen Bund und Land die Bergungsarbeiten verzögert haben.

"Eine Havarie wird sich nie vermeiden lassen." Hans von Wecheln

Eine Konsequenz daraus: Das Havariekommando - als gemeinsame Einrichtung von Bund und Ländern - wird eingerichtet und nimmt 2003 seine Arbeit auf, soll von nun an bei schweren Schiffsunglücken die Einsätze auf Nord- und Ostsee koordinieren. Hans von Wecheln geht das aber nicht weit genug. Er fordert schon seit Jahren eine deutsche Küstenwache, mit einer einheitlichen Organisationsstruktur. Die, so sagt er, wäre in der Lage bei einer Havarie rechtzeitig zu handeln. "Eine Havarie wird sich nie vermeiden lassen. Wichtig ist, dass man ein Sicherungssystem hat, das so früh wie möglich erkennt, dass etwas passieren kann und so früh wie möglich Kräfte einsetzt", so von Wecheln.

Gleichzeitig erkennt er aber auch an, dass nach der Havarie schon vieles zum Positiven geändert wurde bei Bund und Land. "Auf Bundesebene hat man ein Notschleppkonzept erstellt, welches nach unserem Dafürhalten vorbildlich ist in Deutschland, aber auch in Europa", so von Wecheln, der heute Mitglied des nautischen Vereins Nordfriesland e.V. ist.

Jürgen Jungclaus geht oft am Strand von Amrum spazieren. Bei gutem Wetter kann er die "Pallas" sogar sehen. Dann läuft vor seinen Augen oft ein Film ab, sagt er. "25 Jahre so ein Ereignis, da kommt alles wieder hoch und weckt alle negativen Erinnerungen. So dass man so etwas nicht vergessen kann, aber auch nicht vergessen will."

Heute ein stilles Manhmal

Auch Georg Quedens kann sich gut an die Geschehnisse von damals erinnern, für ihn ist die "Pallas" eine bedeutende Havarie in seinem großen Archiv. "Mein Hauptinteresse war für Amrum das festzuhalten, und diese mir selbst gestellte Aufgabe habe ich dann auch zu meiner Zufriedenheit erfüllt!", ist er sich auch auch heute nach 25 Jahren sicher. Das Wrack liegt etwa vier Kilometer vor der Küste und ist heute ein stilles Mahnmal.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 22.10.2023 | 19:30 Uhr

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