Radfahrkurse für geflüchtete Frauen in Kiel
Im Kieler Stadtteil Mettenhof lernen Frauen mit Migrationshintergrund in Kursen das Radfahren. Eine wackelige Angelegenheit: Die Teilnehmerinnen haben wenig bis gar keine Erfahrung.
Vorsichtig setzt Fatima Qadir Hassan einen Fuß auf die Pedale, den Lenker hat sie mit beiden Händen fest im Griff. Ein kurzes Zögern, dann zieht sich die Irakerin hoch in den Sattel. Direkt vor ihr steht Frauke Sommer von der Landesverkehrswacht. "Geht doch, oder?", fragt die Kursleiterin. "Wenn du dich ganz jetzt ganz gerade machst, dann fällst du nicht um." Noch schaut Fatima Qadir Hassan etwas skeptisch, aber sie will sich heute trauen: Die 37-Jährige möchte Radfahren lernen. "Ich bin schon ein bisschen gefahren, bin aber sehr ängstlich. Ich möchte sicherer werden." Sie ist eine von sechs Fahranfängerinnen, die heute an einem Fahrradkurs für Frauen mit Migrationshintergrund in Kiel-Mettenhof teilnehmen.
Die Gründe für die Teilnahme sind vielfältig
Die Frauen kommen aus der Türkei, der Ukraine, aus Russland, Indonesien und Eritrea. Die Gründe, warum sie alle nicht richtig Radfahren können, sind vielfältig. Fatima Qadir Hassan erzählt, sie träume seit ihrer Kindheit vom Radfahren. "Aber im Irak wird es nicht gerne gesehen, wenn Frauen auf dem Rad sitzen. Das gilt als peinlich", erklärt die Kurdin, die 2016 nach Deutschland flüchtete. Natalia Zahovora, die 2022 vor dem Krieg aus der Ukraine geflohen ist, saß erst einmal in ihrem Leben auf dem Fahrrad. "Die Straßen in der Ukraine waren schon vor dem Krieg zu schlecht", sagt sie. Sie möchte Fahrradfahren lernen, um mehr Sport zu treiben.
Fahrradfahren zählt zur Grundbildung
Martina Vanicek vom Grundbildungszentrum der Kieler Volkshochschule organisiert die Kurse in Zusammenarbeit mit der Landesverkehrswacht. Im Grundbildungszentrum bekommen Menschen, die nicht gut lesen und schreiben können, niedrigschwellige Hilfe. Rund 20.000 Menschen leben im Stadtteil Mettenhof im Westen der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt. Etwa jeder Zweite hat einen Migrationshintergrund. Martina Vanicek ist direkt ins Viertel gegangen, um bei den sozialen Akteuren vor Ort nachzufragen, was die Menschen an Unterstützung brauchen. "Die Antwort war: Lesen-und-Schreiben-Kurse, Unterstützung bei Papierkram und Fahrradkurse für Frauen." Finanziert werden die Radfahrkurse - ebenso wie die anderen Grundbildungsangebote - aus Fördermitteln des Landes Schleswig-Holstein, die noch bis Ende 2025 fließen. Für die Teilnehmerinnen sind die Angebote kostenlos. Die Nachfrage: hoch.
Motivation: Freiheit und Zeitersparnis
Bei den Radfahrerinnen, die nun die ersten Kreise auf dem Schulhof des Bildungszentrums Mettenhof fahren, läuft es immer besser. "Es macht Spaß", sagt Natalia lächelnd und fährt konzentriert weiter. Auch Fatima wirkt schon sicherer: "Die Angst ist schon weniger geworden. Ich brauche wohl einfach Übung." Für sie ist das Fahren auf zwei Rädern ein Stück Freiheit. Und es spart Zeit, denn künftig möchte sie mit dem Fahrrad zur Arbeit in einem Kieler Einkaufszentrum fahren. "Mit dem Bus brauche ich bisher eine Stunde, mit dem Rad nur etwa 15 Minuten."
Drei Lerneinheiten plus Fahrradhelm
In dem Radfahrkurs lernen die Teilnehmerinnen an drei Nachmittagen, wie man sich sicher auf zwei Rädern durch den Verkehr bewegt. Dazu gehört auch eine Theorie-Einheit. Frauke Sommer hatte den Frauen zunächst die Verkehrsregeln erklärt, anschließend bekam jede einen passenden Fahrradhelm.
Mit Schwung anfahren, bremsen, im Kreis fahren. Für die sechs Fahranfängerinnen heißt es üben, üben, üben. "Wer ein bisschen sportlich ist, kann in den zwei Praxisnachmittagen richtig etwas lernen", ist Frauke Sommer überzeugt. Aber auch nach dem Kurs heiße es dann: Dranbleiben. Fatima Qadir Hassan möchte im Sommer mit Mann und Tochter die erste Fahrradtour ins Grüne unternehmen.