Ein besonderer Umzugshelfer - Ameisenheger Ronald Wischmann

Stand: 22.04.2023 05:00 Uhr

Gerade aus dem Winterschlaf erwacht, sollen sie umziehen: In Hornbek hat ein Ameisenvolk sein Nest zu nah an ein Wohnhaus gebaut. Ein Fall für Ronald Wischmann von der Ameisenschutzwarte Norddeutschland.

von Lena Haamann

Das Nest, das er begutachtet, guckt ungefähr zwanzig Zentimeter aus der Erde, und liegt nur wenige Meter von einem Wohnhaus in Hornbek im Kreis Herzogtum-Lauenburg entfernt. Ronald Wischmann steht mit dem Hausbewohner auf dem Parkplatz, direkt davor. "Seit vier Jahren gibt es das Nest hier, und es wird von Jahr zu Jahr größer", erzählt der. Mittlerweile bevölkern es rund anderthalb Millionen Kahlrückige Waldameisen. Für die kleinen Kinder der Familie, die hier auf dem Boden krabbeln und spielen, könnte das schmerzhaft werden, denn "Ameisen können beißen und mit Ameisensäure spritzen - und das in großer Zahl", sagt der ehrenamtliche Ameisenheger. "Hier stellen sie eine unzumutbare Belästigung dar. Das ist ein Ausnahmegrund, um so ein besonders geschütztes Nest umsiedeln zu dürfen", so Wischmann.

30 Völker im Jahr müssen weichen

Die große Rote Waldameise, die Gelbe Wiesenameise oder die Glänzend Schwarze Holzameise - rund 120 Ameisenarten gibt es in Deutschland. Viele davon sind besonders geschützt. Für Ronald Wischmann zählen die kleinen Krabbler zu den wichtigsten Tierarten überhaupt. "Denn alleine ein Ameisenvolk frisst rund 100.000 Schadinsekten am Tag", erzählt er. "Darunter auch Zecken oder Eichenprozessionsspinner." Andersherum sind die Ameisen selber wichtige Nahrungsquelle, zum Beispiel für viele Vogelarten. Der gelernte Kaufmann beschäftigt sich seit zehn Jahren mit den Tieren, ist mittlerweile Vorsitzender der Ameisenschutzwarte Norddeutschland und Präsident des Bundesverbands der Deutschen Ameisenschutzwarte. Er hat die Ausnahmegenehmigung der Oberen Naturschutzbehörde, Ameisenvölker umzusiedeln. Ob in der Nähe von Kitas, Baugebieten oder in Stromkästen - um die 30 Völker im Jahr stören so sehr, dass sie weichen müssen.

"Dann wissen alle, jetzt herrscht Krieg"

Scheren, Spaten, eine Kettensäge und große Maurerbütten - zusammen mit seinen fünf Kollegen von der Ameisenschutzwarte holt Ronald Wischmann das nötige Werkzeug für die Umsiedelung aus dem Anhänger seines Wagens. Möglichst viele Tiere möglichst unbeschadet mitzubekommen, das sei immer ihr Ziel. Dann beginnt er zu buddeln. "Bei Gefahr sind die Ameisen über Duftstoffe sofort im Kollektiv informiert - dann wissen alle, dass jetzt Krieg herrscht", sagt er. "Dass wir ihnen ihr Zuhause nehmen, finden sie gar nicht gut."

Ronald Wischmann von der Ameisenwarte hebt einen Baumstamm mit einem Mitarbeiter © NDR Foto: Lena Haamann
Nach anderthalb Stunden kann der Baumstumpf mit dem Ameisennest eingeladen und umgesiedelt werden.

Während er einen Graben um das Ameisennest herum aushebt, tummeln sich immer mehr Tiere oben auf dem Nest. Ronald Wischmann tastet sich mit dem Spaten immer näher heran. Schicht für Schicht trägt er Erde mit Ameisen ab und füllt sie in die Maurerbütten. Er muss vorsichtig sein, weil er den Nestkern nicht kaputt machen will. Der besteht meistens aus einem morschen Baumstumpf. Nach rund anderthalb Stunden ist es soweit. "Hier leben die Königinnen und die Brut. Der muss unbedingt mit - so heil wie möglich." Nachdem sein Kollege den Baumstumpf mit der Säge unter der Erde abgesägt hat, laden sie ihn auf eine Schubkarre und dann ins Auto.

"Für jede umgebrachte Ameise bekommt man zehn neue"

Als Laie selber Hand anzulegen, und Nester umzusiedeln, davon rät der Ameisenexperte ab. In den meisten Fällen ist das gar nicht erlaubt, weil die Ameisen geschützt sind. Bei Arten, die nicht besonders geschützt sind, wie der Schwarzen Wegameise, kann es sehr unangenehm werden - für beide Parteien. "Dazu kommt, dass immer die Gefahr besteht, dass sich so ein Nest versprengt", sagt Ronald Wischmann. Auch vor Gift oder Backpulver warnt er: "Ameisen sind sehr intelligent, das Gift kommt bei den Königinnen gar nicht an, aber sie steuern gegen, wenn sie merken, dass die Arbeiterinnen schwächer werden. Für jede umgebrachte Ameise bekommt man zehn neue." Stattdessen rät er zu Hausmitteln wie Nelkenöl oder Zimtpulver. "Das sind kleine Maßnahmen mit großer Wirkung", findet er.

Neues Zuhause im Wildpark Uhlenkolk

Das neue Zuhause der Ameisen aus Hornbek liegt knapp zwanzig Minuten entfernt - im Wildpark Uhlenkolk in Mölln. Denn hier soll ein Ameisenpfad entstehen, und es herrschen ideale Bedingungen: "Wir haben hier eine Kiefer, die sich gut als Belaufbaum eignet. Ameisen ernähren sich nämlich von Blattlausschiete, deshalb beschützen sie die Läuse auf sogenannten Belaufbäumen." Fürs erste streuen die Mitarbeiter der Ameisenschutzwarte aber etwas Zucker um das Nest, denn statt Futter zu suchen, muss das Volk sich erst einmal wieder neu sortieren. "So ein Nest ist hochkomplex organisiert. Es gibt sogar eigenen Friedhof, einen Müllplatz und ein ausgeklügeltes Klimasystem", schwärmt Ronald Wischmann, bevor er das Volk wieder sich selbst überlässt.

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