Das kann man nicht verzeihen
Der Schritt in den Untergrund
Am 26. Januar 1998 klingelt es früh morgens mal wieder an der Tür. "Ich habe erstmals gefragt, wer ist da? Ich habe das ja schon geahnt, weil ja die Polizei gern um diese Zeit kam und es war ja auch nicht die erste Wohnungsdurchsuchung, wir hatten schon einige miterlebt. Moment, ich möchte mich zumindest erst mal anziehen. Und ich habe dann auch Uwe geweckt und hab gesagt, die Polizei ist wieder da, was ist jetzt schon wieder los?"
Die Beamten durchsuchen die Wohnung, Garagen. Brigitte Böhnhardt war nicht dabei, kennt die Geschichte nur aus den Erzählungen ihres Sohnes. "Und auf dem Weg von der einen Garage zu der anderen, da hat ihm einer gesagt, jetzt bist du fällig. Der Haftbefehl ist schon unterwegs. Und da hat der Uwe die Polizisten in die Richtung laufen lassen und er ist in aller Ruhe zu seinem Auto gegangen und ist weggefahren. Und da habe ich gesagt: Und die haben dich einfach wegfahren lassen? Ja. Das glaube ich nicht. Und die haben sich noch nicht einmal umgedreht und sich nach dir umgesehen, ob du mitkommst oder so? Nö."
Kontakt per Telefonzelle
Die Polizei bestreitet, dass ein Haftbefehl ausgeplaudert wurde. Dass sie Böhnhardt gehen ließ, bestreitet sie nicht. Uwe Böhnhardt informiert Beate Zschäpe und Uwe Mundlos. Sie gehen in den Untergrund, sind für Eltern und Ermittler wie vom Erdboden verschluckt. Die Eltern sind verzweifelt, erzählen einem Freund, dass sie es nicht mehr aushalten würden. Bis 1999. "Es lag dann irgendwann ein Zettel im Briefkasten und darauf stand eine Uhrzeit, ein Ort und da sollten wir uns hinstellen. Das war eine Telefonzelle in Lobeda West. Wir standen wir da bibbernd vor der Telefonzelle und haben auf den Anruf gewartet und der kam auch. Da rief der Uwe an. Wir haben erst mal alle am Telefon gehangen und geheult. Es war einfach nur, es fiel ein Stein vom Herzen, er lebt."
Die Eltern erfahren, dass Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt zusammen leben. Irgendwann kommt es auch zu persönlichen Treffen, bei denen alle drei dabei sind. Wie häufig diese Zusammenkünfte stattfanden, das mögen die Böhnhardts nicht so recht sagen. Nur, dass sie das Trio eigentlich überreden wollten, sich zu stellen. „Wir haben allen dreien gesagt, wir helfen Euch. Das kriegen wir irgendwie hin. Wir unterstützen Euch finanziell und wir suchen euch eine Wohnung oder wie auch immer. Wir helfen Euch, stellt Euch.“
"Als wir uns dann getroffen haben, haben nur Uwe und Beate gesagt, sie würden sich stellen. Der Uwe Mundlos war nicht bereit. Aber wissen Sie, im Nachhinein als wir dann zuhause waren, haben wir gesagt: Wenn er dann allein ist, er wird auch aufgeben. Er kann doch nicht allein leben."
Das Ende des Kontakts
Gestellt hat sich niemand. Stattdessen begann das Morden. Seinen Eltern erzählte Uwe Böhnhardt davon offenbar lieber nichts. Sie blieben arglos, trotz weiterer Treffen. Bei einem Treffen 2002 kündigen die drei an, dass dies die letzte Zusammenkunft sein werde. "Das haben sie uns vielleicht eine Stunde vor dem Abschied gesagt. Ich hab das aber nicht geglaubt, ich habe das in dem Moment überhaupt nicht erfasst. Ich habe gesagt: Das könnt ihr uns nicht antun. Wir haben ja alle drei verabschiedet und wir haben alle fünf geheult. Ich merke auch immer noch die Umarmung von dem Uwe Mundlos, der mir auch noch mal aufgetragen hat, seine Mutti zu grüßen, die er sehr geliebt hat. Ich sehe den immer noch und ich spüre auch immer noch seinen Druck und ich so noch zu ihm so gesagt, in sein Ohr geflüstert, du bist der Älteste, pass auf den Uwe auf. Beate habe ich ganz lange umarmt und hab gesagt, Mädchen überleg Dir das doch. Du bist eine Frau, was willst du denn machen?"
"Und erst im Nachhinein hätte ich mich erschlagen können. Statt mit ihr Rezepte durchzugehen und zu besprechen, und mein Mann war mit den Jungs unterwegs, da hätte ich ja noch tausend andere Fragen gestellt, aber in dem Moment wusste ich doch nicht, dass das unser letztes Treffen war. Ich hätte mir lieber die Zunge abgebissen als mit ihr über Backrezepte zu reden."
"Die Tage, Wochen danach haben wir immer wieder in den Briefkasten geguckt, ob ein Zettel drin liegt, dass sie wieder Verbindung aufnehmen. Und so sind die Jahre dahingegangen und nie, nie wieder kam eine Nachricht bis wir dann endlich begriffen und geglaubt haben: Ja, die sind wirklich weg."
- Teil 1: Ein Gefühl der Ohnmacht
- Teil 2: Falsche Freunde - hilflose Eltern
- Teil 3: Der Schritt in den Untergrund
- Teil 4: Beate Zschäpe meldet sich wieder