Panorama - die Reporter
Dienstag, 07. Februar 2017, 21:15 bis
21:45 Uhr
Donnerstag, 09. Februar 2017, 02:10 bis
02:45 Uhr
Panorama Reporterin Nadia Kailouli bemerkte Ende vergangenen Jahres etwas Ungewöhnliches: In ihrer Schreibtisch-Schublade stapelten sich die Taxiquittungen. Eigentlich ist sie überzeugte Bus- und Bahnfahrerin. Trotzdem ließ sie sich zuletzt erstaunlich oft bis vor die Haustür kutschieren. War es Bequemlichkeit? Oder vielleicht doch dieses diffuse Gefühl, wenn sie abends unterwegs war?
"Als Frau schaut man stets, wer hinter einem läuft, vor allem in der Dunkelheit", sagt Kailouli. Das war schon immer so. Aber jetzt kommen auch noch diese Schlagzeilen dazu. Sexuelle Übergriffe, Köln, Silvester, U-Bahn-Schubser. Plötzlich gibt es eine neue Gruppe, die viele Frauen verunsichert: Die Zuwanderer.
Mehrheit der Frauen fühlt sich sicher
Laut einer infratest dimap Umfrage im Auftrag von Panorama fühlt sich die große Mehrheit der Frauen nach wie vor sicher im öffentlichen Raum. Doch 27 Prozent geben an, sich eher unsicher oder sogar sehr unsicher zu fühlen. Und es gibt eine Tendenz, die neu ist: für jede dritte Frau (34 Prozent) hat sich infolge der Zuwanderung das Sicherheitsgefühl verschlechtert.
Die Befragten geben weiter an, dass sich ihr Verhalten in den vergangenen zwei Jahren verändert hat. So vermeiden 62 Prozent aller Frauen abends bestimmte Straßen, Parks oder Plätze - ein gutes Drittel davon (36 Prozent) gibt an, dies seit zwei Jahren häufiger zu tun. Öffentliche Verkehrsmittel am Abend vermeidet jede dritte befragte Frau (31 Prozent). Annähernd die Hälfte von ihnen (45 Prozent tut dies häufiger als vor zwei Jahren.
Bei der Frage, ob es bestimmte Gruppen gibt, von denen man sich besonders bedroht fühlt, ergibt sich ein geteiltes Bild: Eine leichte Mehrheit aller Befragten (51 Prozent) verneint das, aber immerhin 47 Prozent empfinden bestimmte Gruppen als Bedrohung. Für rund jeden Dritten (32 Prozent) sind Ausländer und Flüchtlinge die Gruppe, von der die stärkste Bedrohung ausgeht.
Sicherheit kontinuierlich verbessert, doch es gibt Auffälligkeiten
"Die Sicherheit in Deutschland hat sich über Jahre kontinuierlich verbessert und ist nach wie vor auf sehr hohem Niveau", sagt Dr. Dominic Kudlacek vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Allerdings zeigten die polizeilichen Kriminalstatistiken in den letzten Jahren eine steigende Zahl nicht-deutscher Tatverdächtiger, so Kudlacek weiter. Dieser Anstieg der erfassten Taten ist dabei in erster Linie dem Zuwachs der Bevölkerung infolge der Flüchtlingswanderungen zuzuschreiben.
Es gibt aber noch andere Gründe. Die Tatsache, dass Zuwanderer in der Kriminalstatistik auffälliger sind, sei für Kriminologen nicht überraschend, so Kudlacek, denn die Gruppe der Zuwanderer setzt sich demografisch anders zusammen als die deutsche Gesamtbevölkerung. Viele Zuwanderer seien "Menschen, die männlich und jung sind, selber Gewalt erlebt haben und perspektivlos sind", so Kudlacek. "Diese begehen häufiger Straftaten als Menschen, die eine Perspektive haben, die etwas älter sind und die in der Gesellschaft gut integriert sind." Kriminalität werde eben durch solche Faktoren beeinflusst und sei keine Frage des Passes.
Besonders viele junge Männer ohne Perspektive kommen aus Nordafrika. Das hat auch Auswirkungen auf die Kriminalstatistik. Es falle auf, so Kriminologe Kudlacek, dass bestimmte Gruppen, wie z.B. die Zuwanderer aus Nordafrika (Algerien, Marokko, Tunesien), bei bestimmten Straftaten (z.B. Rohheitsdelikte, Diebstahl oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) überproportional auffällig sind.
Deutliche Unterschiede zwischen Zuwanderern
Dies legt auch ein interner Lagebericht des Bundeskriminalamtes für die ersten drei Quartale 2016 nahe, der Panorama vorliegt. Hier wird Kriminalität im "Kontext von Zuwanderung" unter die Lupe genommen. Es zeigen sich noch einmal deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen von Zuwanderern. Zwischen Januar 2015 bis September 2016 kam zwei Drittel der Zuwanderer aus Syrien, Irak und Afghanistan, diese Gruppe machte aber nur ein Drittel der tatverdächtigen Zuwanderer in den ersten drei Quartalen 2016 aus. Im gleichen Zeitraum kamen zwei Prozent der Zuwanderer aus den Magheb-Staaten (Tunesien, Algerien und Marokko), ihr Anteil an den Tatverdächtigen: 22 Prozent.
Kriminologe Kudlacek plädiert dafür, "offen und ehrlich" über solche Befunde zu sprechen: "Alles andere ebnet aus meiner Sicht Demagogen den Weg, sich des Themas anzunehmen." Kein vernünftiger Wissenschaftler würde versuchen, die ethnische Zugehörigkeit oder die Staatsbürgerschaft als einen kriminogenen Faktor darzustellen. Es seien immer Belastungsfaktoren, die kriminogen wirken, so Kudlacek.
Wie also gehen wir damit um? Müssen wir uns wirklich um unsere Sicherheit sorgen? Und sind härtere Gesetze und Abschiebungen wirklich Schutz vor Kriminalität? Nadia Kailouli und das Team von Panorama - die Reporter suchen nach Antworten.
- Autor/in
- Nadia Kailouli
- Pia-Luisa Lenz
- Anna Orth
- Anne Ruprecht
- Patrizia Schlosser
- Redaktion
- Lutz Ackermann
- Dietmar Schiffermüller
- Produktionsleiter/in
- Nicole Deblaere
- Redaktion
- Schiffermueller, Dietmar