Griechenland - Tragödie mit Ansage
Das Ende hätten doch alle wissen müssen. Jetzt aber wird um Griechenland gezerrt, gedrückt, gestritten, als sei noch was zu retten. Und ein Volk, das am wenigsten für die Misere kann, wird ins Massenelend getrieben.
Kein Zweifel: Griechenland muss sich selbst drastische Reformen zumuten. Klebrige Klientelpolitik, Korruption und Schlendrian sind die Ursachen eines beispiellosen Niedergangs - gleichgültig, welche Regierung ihre Günstlingswirtschaft betrieb. Deshalb hätte Griechenland von Anfang an nicht in die Eurozone gehört. Mit Bilanz-Tricks, die viele durchschauten, konnte es sich den Zugang 2001 erschwindeln. Denn der war politisch gewollt.
Deutschland hat gut verdient
Und dann ging die Party erst richtig los. Ausländische Banken fixten Griechenland mit günstigen Krediten an wie Drogendealer einen Süchtigen. Gerade Deutschland, dessen Finanzminister Wolfgang Schäuble heute zu den strengsten Austeritätspolitikern gehört, verdiente bestens daran. Denn mit dem gepumpten Geld gingen die Griechen bei uns auf Shopping-Tour: Panzer, U-Boote, teuerste Infrastruktur-Projekte, etwa für die Olympischen Spiele 2004. Der langjährige Geschäftsführer der deutsch-griechischen Handelskammer in Thessaloniki, Odysseas Athanasiadis, erinnert sich: "Die Hälfte der Griechen fuhr VW und BMW, und die andere Hälfte träumte davon." Und dann zählt er die Konzerne auf, die in Griechenland beste Geschäfte gemacht hatten - das Who ist Who der deutschen Industrie.
Die Blase ist geplatzt
Aus, vorbei, die Blase ist geplatzt, die Party zu Ende. Die Gewinne sind eingesackt, Griechenland versinkt im Schuldensumpf. Und jetzt erzwingen die Gläubiger, die doch Mitwisser waren, von den Helenen eine Sparkur, die das Land erdrückt, jegliche Konjunktur abwürgt und alles nur noch schlimmer macht: In den vergangenen fünf Jahren verdoppelte sich die Arbeitslosigkeit auf 30 Prozent, bei den Jugendlichen auf über 50 Prozent, tausende Firmen machten Pleite, Millionen Menschen verarmen, haben keine Krankenversicherung mehr.
Für unsere Reportage reisten wir durch Griechenland, trafen den tüchtigen UnternehmerGrigoris Tekos, dessen Fensterfabrik vor der Krise 10 Millionen Euro Umsatz machte. Über 90 Beschäftigte arbeiteten im zwei-Schichten-Betrieb. Jetzt werkeln in den leeren Hallen gerade noch 34 Mann an zwei bis drei Tagen pro Woche. Der Umsatz ist auf 1,8 Millionen abgesackt.
Faule Griechen?
In der Athener Armen-Klinik Elliniko haben Giorgios Vichas und seine Kollegen allesamt unentgeltlich in den vergangenen dreieinhalb Jahren 40.000 Menschen behandelt. Hier treffen wir Takis Moukimoglou, 67 Jahre alt. Seine beiden Bekleidungsgeschäfte liefen bestens, bis die Krise kam. Die nächsten Stationen: Bankrott, Verlust der Krankenversicherung, schwere Herzerkrankung, Operation. Als er nicht mehr bezahlen konnte, wurde der Schwerkranke aus dem Krankenhaus regelrecht rausgeschmissen. Und zur Begleichung der Schulden wurde seine Wohnung beschlagnahmt. Er weiß, wie deutsche Politiker und die "Bild"-Zeitung über die Griechen ablästern. Verzweifelt und wütend sagt er in unsere Kamera: "Ich bin einer von diesen faulen Griechen."
Solidarität statt Krisengejammer
Ortswechsel: Auf der griechischen Ferieninsel Kos kommen fast jede Nacht Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern an. Hier fragt man nicht lange, was Europa tun könnte, um den Griechen wenigstens dieses Problem abzunehmen. Auf Kos hat sich spontan eine Bürgerinitiative gebildet, die Tag für Tag Hunderte Flüchtlinge mit Lebensmitteln und Kleidung versorgt. Aus Brüssel bislang kein Euro an Hilfe.