Trotz eigener Not : Griechen helfen Flüchtlingen
Während ganz Europa auf die faulen Griechen schimpft und von den Milliardengeschenken spricht, die Griechenland bekommt, kämpfen viele Griechen längst gegen eine ganz andere humanitäre Katastrophe: Jede Woche treffen in der Ägäis viele Tausend Flüchtlinge ein, die versorgt werden müssen. In den ersten Monaten dieses Jahres kamen bereits mehr als 60.000 Flüchtlinge nach Griechenland. Sie alle brauchen etwas zu Essen, medizinische Versorgung und ein Dach über dem Kopf. Doch die griechische Bevölkerung selbst ist von der Krise schwer getroffen, jeder Dritte hat keine Arbeit.
Helfen aus eigener Kraft
"Unsere Verwaltung hier auf Kos bekommt keinen Cent aus Europa. Wir versuchen aus eigener Kraft zu helfen", sagt Elias Sifakis, stellvertretender Bürgermeister der griechischen Ferieninsel. Die meisten Flüchtlinge treffen zunächst auf den Inseln ein und fahren dann weiter in die Hauptstadt Athen. Allein im Großraum Athen leben heute etwa 50.000 Menschen, die auf der Flucht sind.
Angst vor sinkenden Buchungen
Seit der Krise müssen die griechischen Ferienorte um jeden Urlauber kämpfen. Sinkende Buchungen würden für viele Hotels die sichere Pleite bedeuten. An der Hafenpromenade der Insel Kos sitzen heute in der Hauptsaison syrische Familien in der prallen Sonne und warten tagelang auf ihre Papiere, während Urlauber in den Cafés um sie herum Eiskaffee trinken. Doch die meisten Feriengäste werden in ihrem Urlaub ungern an Menschen erinnert, die im Mittelmeer ertrinken. "Wenn jetzt hier überall Flüchtlinge kommen, das hätte schon einen bitteren Beigeschmack. Wir wollen ja unsere Woche hier genießen", sagt eine deutsche Urlauberin.
Kein Geld für eine Flüchtlingsunterkunft
Kos hat kein Geld, um eine offizielle Flüchtlingsunterkunft zu betreiben. Den ersten Schlafplatz auf dem Weg nach Europa finden hunderte Menschen jede Nacht im "Captain Elias", einem heruntergekommenen ehemaligen Hotel am Rande der Stadt. Der ganze Fußboden liegt voller Matratzen, es gibt im Haus keinen Strom, kein fließendes Wasser, lediglich drei funktionierende Toiletten. Es riecht nach Zigarettenrauch und Schweiß.
Weil es keine Infrastruktur gibt, organisieren die Inselbewohner seit Monaten jede Hilfe selbst. Eine 40-köpfige Solidaritätsgruppe hat sich gebildet und die Aufgaben in die Hand genommen, die eigentlich ganz Europa angehen: Jeden Mittag bringen Hotelbesitzer und Privatleute Essen in ein Café. Hier warten schon Freiwillige, schneiden Brot, portionieren Reis und Hühnchen. Jeden Tag pünktlich um 14:50 Uhr machen sie sich mit ihren vollgepackten Privatautos auf den Weg zum "Captain Elias".
"Ich bin dem griechischen Volk so dankbar"
Um kurz vor drei sitzen hier alle Bewohner in einer Reihe auf der Mauer vor dem alten Hotel und warten darauf, etwas zu Essen zu bekommen. Aus einem anderen Auto heraus verteilt eine junge Frau Schuhe an Mädchen und Jungen, Kleidung an deren Eltern.
Am Abend sitzt ein Vater mit vier seiner sechs Kinder auf einer alten Matratze im Garten. Die Familie hat es beim elften Versuch geschafft, aus Syrien zu fliehen. Im Haus bewohnen sie ein kleines Zimmer, drinnen ist es stickig und heiß. "Ich bin dem griechischen Volk so dankbar. Sie haben uns Essen gegeben, etwas zum Anziehen. Danke Griechenland, danke Griechenland, danke Griechenland."