Schlüttsiel: Welche Rolle spielten Rechte bei Protest?
Haben Rechte bei dem Tumult um Wirtschaftsminister Habeck am Fähranleger Schlüttsiel eine Rolle gespielt? Panorama 3 hat sich auf Spurensuche begeben.
Bis zu 300 Menschen hatten vor rund zwei Wochen am Fähranleger des nordfriesischen Örtchens Schlüttsiel gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck protestiert, der deshalb nicht von Bord gehen konnte. Videos davon verbreiteten sich in den sozialen Medien noch am selben Abend. Auch wenn Polizei, Augenzeugen und Teilnehmer der Proteste mittlerweile erklären, dass die Situation weniger bedrohlich gewesen sei, als es zunächst gewirkt habe, werfen die Aufnahmen Fragen auf.
Antisemitische Bewegung aus Schleswig-Holstein
Denn zu sehen ist auf einigen Videos auch ein Trecker, an dem die Flagge der Landvolk-Bewegung hängt – einer antisemitischen Bauernbewegung aus den 1920er Jahren.
Sie bildete sich während der damaligen Agrarkrise in Schleswig-Holstein und radikalisierte sich schnell. Ideologisch hatte sie große Gemeinsamkeiten mit den Nationalsozialisten der NSDAP, insbesondere den Antisemitismus und die Ablehnung des Parlamentarismus teilte man.
"Diese Fahne ist verankert in einer Blut- und Boden-Ideologie, in einer völkischen Ideologie", sagt Torsten Nagel vom Regionalen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus. Seit einigen Jahren beobachte er, wie die Fahne der Landvolk-Bewegung immer wieder bei Bauernprotesten gezeigt wird. "Die, die diese Fahne zeigen, verlassen die demokratischen Wertmaßstäbe und bewegen sich aus unserer Perspektive nicht mehr auf dem Boden der demokratischen Grundordnung", erklärt er.
Hunderte Trecker stellen Landvolk-Symbol nach
In Nordfriesland haben sich protestierende Landwirte auch in jüngerer Zeit auf die Landvolk-Bewegung bezogen: 2020 hatten sie mit 400 Treckern das Motiv der Flagge, einen Pflug und ein Schwert, nachgebildet. Organisiert worden sein soll diese Aktion vom Landwirt Jann-Henning Dircks, der auch Bürgermeister des kleinen Örtchens Norderfriedrichskoog ist. Auch in Schlüttsiel war er dabei - und in Telegram-Kanälen wird ein Interview mit ihm verbreitet, in dem die Demo gegen Habeck als "seine", also Dircks Demo, bezeichnet wird.
Landwirt: Fahne "ehrlichstes Symbol überhaupt"
Gegenüber Panorama 3 sagt Dircks, er habe mit der Demo nichts zu tun gehabt, er sei lediglich als Teilnehmer dabei gewesen. Die Flagge der Landvolk-Bewegung lasse er inzwischen bewusst weg, weil sie immer wieder Kritik hervorrufe. Distanzieren will er sich aber nicht: "Für uns ist das das ehrlichste Symbol überhaupt", sagt er. Die historischen und politischen Hintergründe der Landvolk-Bewegung zweifelt er an: "Meine historischen Quellen sagen was anderes", sagt er, "und deswegen lasse ich mir das auch nicht kaputtreden."