Wohngeld: Neues Entlastungspaket überfordert die Behörden

Sendedatum: 18.10.2022 21:15 Uhr

Durch die steigenden Preise geraten immer mehr Menschen in finanzielle Not. Helfen will die Bundesregierung durch Erhöhung und Ausweitung des Wohngeldes. Doch kommt die Unterstützung schnell genug an?

von Marie Blöcher

Auf den Schreibtischen in der Wohngeldstelle Rostock stapeln sich buchstäblich die Neuanträge, dazu klingelt permanent das Telefon: Immer mehr Menschen machen sich Sorgen, ob sie ihre Miete aus eigener Kraft bezahlen können. Die Mitarbeiterinnen hier kommen kaum hinterher. "Im Moment stoß ich ständig an meine Grenzen. Das ist einfach so, ich arbeite gerne und versuche auch alles unmögliche möglich zu machen. Aber im Moment kann ich nicht auf mehreren Hochzeiten tanzen", beschreibt eine der Mitarbeiterinnen. Dabei wird der größte Ansturm auf die Wohngeldstellen wohl erst noch kommen: Das Entlastungspaket der Bundesregierung sieht vor, dass ab Januar anstatt 600.000 Haushalte an die zwei Millionen Haushalte Wohngeld bekommen können. Das bedeutet etwa eine Verdreifachung der Berechtigten - die Anzahl der Anträge dürfte allerdings noch deutlich höher sein.

Lange Wartezeiten, umfangreiche Anträge

In einer Umfrage von Panorama 3 geben 16 Städte und Landkreise aktuelle Bearbeitungszeiten von zehn Tagen bis zu vier Monaten an. Allerdings wird der Zeitraum meist erst dann gezählt, wenn alle Unterlagen der Antragsteller:innen vollständig vorliegen. Doch Wohngeldanträge sind extrem umfangreich, die Angaben sind also eher eine theoretische Größe und entsprechen oft nicht dem, was Bezieher:innen von Wohngeld erleben.

So war es auch bei einer jungen Frau aus Bremen: Mehr als ein Jahr hat sie auf die Bewilligung ihres Antrags gewartet. Seit kurzem weiß sie, dass sie Wohngeld bekommt, ausgezahlt werden soll es nächsten Monat. Während des Verfahrens musste sie immer wieder Dokumente über ihre Lebenssituation und auch die ihrer Eltern nachreichen. Zwischendurch habe sie vom zuständigen Amt aber oft wochenlang keine Rückmeldung bekommen. "Ich habe mir in der Zeit auch die Frage gestellt, was wäre, wenn ich jetzt nicht Deutsch als Muttersprache habe oder vielleicht andere Probleme habe, die mich daran hindern, diese Anträge alleine auszufüllen? Es war ja für mich jetzt schon relativ schwer das alles in kürzester Zeit zusammen zu sammeln."

Forderung: Hilfe gewähren, wo sie gebraucht wird

Steffen Bockhahn (Die LINKE) © NDR Foto: NDR
Sozialsenator Steffen Bockhahn fordert Vereinfachung der Wohngeldanträge.

Und auch für die Behörden ist das Wohngeldrecht aufwändig. So müssen beispielsweise auch Menschen, bei denen sich die Einkommensverhältnisse nicht ändern, wie Rentner:innen jedes Jahr einen neuen Antrag stellen. Auf Initiative von Bremen haben die Bauministerinnen und Minister der Länder Ende September beim Bund eine Vereinfachung des Wohngelds angeregt. Das zuständige Ministerium gibt keine konkrete Auskunft zur Vereinfachung und verweist in vielen anderen Punkten auf die Länder und Kommunen.

Auch der Rostocker Sozialsenator Steffen Bockhahn (Die LINKE) meint, dass eine bloße Ausweitung des Wohngelds nicht garantiert, dass die Menschen das Wohngeld zeitnah erhalten: "Wir brauchen, glaube ich, im Moment vor allen Dingen den Mut der Bundesregierung, denen, die Hilfe brauchen, auch Hilfe zu gewähren, ohne da immer auf die letzte Nachkommastelle zu gucken." Blieben die Prozesse so aufwändig, käme das Geld womöglich viel zu spät bei den Menschen an, die darauf angewiesen seien.

Auch Personalmangel ist ein Problem

Ulrike Ludwigs, Wohngeldstelle Rostock © NDR Foto: NDR
Für Ulrike Ludwigs von der Wohngeldstelle Rostock ist Personalmangel ein Problem.

Viele Städte gehen mit Blick auf die bevorstehende Reform von einer deutlichen Verlängerung der Bearbeitungszeit aus. Die Lösung heißt vielerorts: Mehr Personal. Doch das dürfte mit Blick auf den Fachkräftemangel schwierig werden. Außerdem sei das Wohngeldrecht auch für Bearbeiter:innen besonders anspruchsvoll, erklärt die Sachgebietsleiterin der Wohngeldstelle in Rostock, Ulrike Ludwigs: "Das braucht eine längere Einarbeitungszeit. Also wir sind jetzt eigentlich schon quasi so spät dran und zum 1.1. ausgebildetes Personal zur Verfügung zu haben."

Auf die Mitarbeiter:innen in Rostock und die in vielen anderen Wohngeldstellen in Deutschland wird ab Januar wohl deutlich mehr Arbeit zukommen. Gleichzeitig sind immer mehr Menschen dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 18.10.2022 | 21:15 Uhr

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