Rechte Hassattacken: Opfer fühlen sich alleingelassen
Als David Janzen an einem Samstagabend im Mai 2020 ein Päckchen öffnet, ist er schockiert. Ein beißender Gestank kommt ihm entgegen. Er findet den abgetrennten Kopf eines Ferkels, eingewickelt in Zeitungspapier und ahnt schon, was dahinter hinter stecken könnte. Als Sprecher des Bündnisses gegen Rechts in Braunschweig wird David Janzen seit fast einem Jahr von der ansässigen Neonaziszene schikaniert. Er erhält sogar Morddrohungen. Darüber hat Panorama 3 schon 2019 berichtet. Obwohl Janzen immer wieder bei der Polizei Anzeige erstattet, gehen die Bedrohungen weiter.
"Man muss sich ständig Gedanken machen, kann ich mit den Kindern auf dem Spielplatz gehen? Das ist wirklich fast ein Jahr jetzt, dass es immer wieder diese Aktionen gegen mich gibt und die Polizei offensichtlich da auch nicht in der Lage ist, dem Einhalt zu gebieten."
Seit Jahren im Visier der Neonaziszene
Auch für Karin Larisch aus Güstrow sind Angriffe aus der Neonaziszene Alltag geworden. Die Landtagsabgeordnete der Linkspartei setzt sich in ihrem Ort für Menschen mit Handicap, sozial Schwache und Geflüchtete ein und steht deshalb seit Jahren im Visier der Nazis. In den vergangenen zehn Jahren hat sie nach eigener Aussage hunderte Taten bei der Polizei angezeigt: Von Sachbeschädigungen und Beleidigungen über Säureangriffe bis hin zu Morddrohungen. Ihre Anzeigen bei der Polizei konnten die Täter nicht stoppen. Erst im April wurde ihr Briefkasten mit Böllern gesprengt. An der Hauswand daneben wurde ein rechtes Graffiti an die Wand gesprayt.
Kritik an Polizeiarbeit
Doch warum kann die Polizei die Serie von Drohungen und Anschlägen nicht stoppen? Karen Larisch hat den Eindruck, dass die Polizei die Bedrohung nicht immer ernst nimmt. Auch wenn es engagierte Polizeibeamte gäbe – oft würden die Taten gegen sie nicht im Zusammenhang gesehen.
Ähnliche Erfahrungen hat auch David Janzen mit der Polizei Braunschweig gemacht. Und: Es fehle manchmal auch an Sensibilität der Ermittler. Der Chef der Kriminalpolizei Braunschweig, Uwe Lietzau, dementiert diesen Vorwurf im Interview mit Panorama 3: "Dieser Eindruck ist definitiv falsch. Natürlich werden die Taten zunächst erstmal als Einzeltaten aufgenommen, aber natürlich wird im Ergebnis der Ermittlungen klar werden und wurde auch klar, dass es Tat oder Täterzusammenhänge gibt. Und dementsprechend werden dann auch die Ermittlungen geführt" so Lietzau.
Akteur ist kein Unbekannter
Besonders ein Neonazi hat es auf David Janzen abgesehen: Pierre Bauer Ein muskulöser Typ mit Glatze, der in seiner Freizeit gerne Kampfsport macht und mehrfach vorbestraft ist. Unter anderem, weil er politische Gegner verprügelt hat. In den letzten Monaten tauchte er immer wieder vor dem Wohnhaus von David Janzen auf.
Rasmus Kahlen, der Anwalt von David Janzen, kritisiert, die Polizei hätte hier schon längst ein Aufenthaltsverbot aussprechen können. Denn mit dem niedersächsischen Gefahrenabwehrrecht könnte man den Neonazis verbieten, vor der Wohnung von David Janzen aufzutauchen.
Auf Nachfrage von Panorama 3 erklärt die Polizei Braunschweig dann, sie habe einem Braunschweiger Neonazi seit neuestem ein Betretungsverbot für den Wohnort ausgesprochen. Um wen es sich dabei handelt, bleibt allerdings unklar. Außerdem konnte ein Tatverdächtiger für den abgetrennten Ferkelkopf ermittelt werden.
Trotz der regelmäßigen Bedrohungen ist für David Janzen und Karen Larisch klar: Sich nicht mehr gegen Rechts zu engagieren, ist keine Option.