Rechte Hassattacken: Die Angst von Opfern in Braunschweig
Es ist im Februar 2016, als Christopher Krauß bei seiner Arbeit niedergeschlagen wird. Er arbeitet damals als Bildungsreferent für die linke Jugendgruppe "Die Falken" in Braunschweig. Vor der Tür des Ortsverbands hatten sich zwei Männer herumgetrieben, verdächtig ausgesehen. "Die haben sich ein bisschen auffällig verhalten und ich fand es komisch", erzählt Krauß. Er sei herausgegangen, um zu schauen, was die beiden trieben.
"Unwohl gefühlt auf der Arbeit"
Eine Überwachungskamera zeichnet auf, was passiert. Die beiden Neonazis Pierre B. und Lasse R. bringen Aufkleber mit rechten Parolen am Gebäude der linken Jugendgruppe an. Krauß kommt raus, will sie dabei fotografieren. Einer der beiden greift ihn an, hört erst auf, als eine Kollegin von Krauß ihm zur Hilfe eilt. "Ich hab mich in den Monaten danach häufig extrem unwohl gefühlt auf der Arbeit", erzählt Christopher Krauß. "Ich habe vermieden, alleine in unseren Büroräumen zu sein. Ich hab vermieden, abends alleine gehen zu müssen."
Auch seine Kollegen seien durch den Angriff eingeschüchtert worden. Sie alle hätten sich gefragt: "Wenn sowas nochmal passiert, wer hilft uns da eigentlich?" Beim Prozess gegen Pierre B. werden verschiedene Straftaten zusammengefasst, für den Angriff auf Krauß und andere Gewalttaten wird er zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Das Verfahren gegen Lasse R. wird eingestellt.
Stadtbekannte Neonazis
Pierre B. und Lasse R. sind seit 2015 in der regionalen Neonazi-Szene aktiv, gehören zu einer Gruppe, die sich "Adrenalin Braunschweig" nennt. In den letzten Jahren wurde dutzendfach gegen sie ermittelt. Aber das hält sie offenbar nicht zurück. Kurz nach dem Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke in Kassel verhöhnt Lasse R. den Ermordeten in einem Internet-Video. In einem weiteren droht er dem Sprecher vom "Bündnis gegen Rechts" in Braunschweig, David Janzen: "Heute Walter, morgen Janzen."
"Hier ist gerade ein Mord passiert. Ein CDU-Politiker, ein führender Repräsentant des Staates, wurde erschossen, kaltblütig erschossen. Und dann kommen solche Neonazis und drohen einem eigentlich dasselbe an", erzählt David Janzen Panorama 3. Er nimmt solche Drohungen ernst. Aber einschüchtern lassen will er sich nicht.
Kein Vertrauen in die Polizei
Seit Jahren können die beiden Haupttäter immer wieder Straftaten begehen, ohne ins Gefängnis zu müssen. David Janzen vom "Bündnis gegen Rechts" hat den Eindruck, dass die Behörden solche Drohungen nicht ernst genug nähmen. Viele Opfer rechter Gewalt schreckten mittlerweile davor zurück, sich an die Behörden zu wenden: "Wir erleben immer wieder, dass sich Leute an uns wenden und sagen: Ich bin bedroht worden. Ich bin angegriffen worden. Ich stelle aber keine Anzeige, weil ich Angst habe, dass sie [= die mutmaßlichen Täter, Anm. d. Red.] darüber an meine Adresse kommen, aber auch, weil ich das Vertrauen in die Polizei und die Justiz verloren habe."
Die Braunschweiger Polizei weist entschieden zurück, dass sie untätig sei. Sie beobachteten die rechte Szene in der Region. "Wir dulden keinerlei rechtsfreie Räume hier in Braunschweig, von keiner Seite aus", betont Polizeisprecher Stefan Weinmeister. "Wenn es zu Straftaten kommt, sind wir dort. Wir nehmen jede Straftat ernst." Aber es sei wichtig, dass diese der Polizei auch gemeldet würden. Denn nur dann könnten sie handeln.
Letztlich, fordert David Janzen, müsse die Gesellschaft gegen Nazis zusammenstehen: "Wenn mehr Leute aus der Mitte der Gesellschaft aufstehen und sagen: So nicht. Einem dem Rücken stärken." Wie es bei ihm passiert sei, nachdem Lasse R. mit Mord gedroht habe. "Ich habe jetzt viel Solidarität erfahren. Aber ich glaube, das muss oft noch viel mehr sein."
Die Gruppe Adrenalin Braunschweig hat sich mittlerweile aufgelöst. In einem sind sich das "Bündnis gegen Rechts" Braunschweig und die Polizei einig: Nur, weil die Gruppe nicht mehr existiert, werden die Nazis nicht verschwinden.