"Mit dem Rücken zur Wand": Demokratieprojekte unter Druck
Die Bundesregierung wollte mit dem "Demokratiefördergesetz" Projekte und Initiativen unterstützen, die sich für die freiheitliche Grundordnung einsetzen. Doch sie stehen vor einer ungewissen Zukunft, denn mittlerweile blockiert die FDP das Gesetz.
Ein Jugendclub in einem kleinen Ort im niedersächsischen Landkreis Göttingen. Hier trifft sich Sozialarbeiter Moritz Keppler mit mehreren Jugendlichen. Sie wollen heute gemeinsam Buttons produzieren. Was man auf den ersten Blick nicht sieht: Hier im südlichen Niedersachsen ist die rechte Szene erstarkt. So ist etwa die Zahl der rechtsextremen Straftaten im Landkreis auf dem höchsten Stand seit fünf Jahren. Keppler beobachtet, dass sich Andersdenkende wegen der rechten Dominanz oft nicht mehr trauen, sich zu Wort zu melden.
Sicherer Anlaufort für Jugendliche
Daran wollen Keppler und sein Team etwas ändern. Gemeinsam haben sie das Projekt "stay#dorfkind" entwickelt. Eines ihrer Ziele ist, dass Jugendliche einen sicheren Anlaufort haben, an dem sie sich austauschen und lernen können, rechtem Gedankengut entgegenzutreten.
Im Jugendclub hilft Keppler den Jugendlichen mit der Button-Maschine. "Bunt vernetzt" steht auf den Ansteckern für ein örtliches Bündnis gegen Rechtsextremismus. Annika ist 20 Jahre alt und im Ort aufgewachsen. Sie findet gemeinsame Aktionen wie diese wichtig, um dem Rechtsextremismus in ihrem Heimatort zu begegnen.
Zukünftige Förderung vieler Projekte unsicher
Jedoch ist aktuell unklar, ob diese präventive Arbeit im Landkreis im kommenden Jahr fortgeführt werden kann. "Stay#dorfkind" finanziert sich hauptsächlich über das Programm "Demokratie leben" des Bundesfamilienministeriums - so wie Hunderte anderer Projekte in ganz Deutschland. Doch die Unterstützung ist zeitlich befristet. Jedes Mal bangen Projekte wie dieses am Ende einer Förderperiode ums Überleben. Sie wünschen sich von der Bundespolitik eine Möglichkeit, längerfristig gefördert zu werden.
Auch in Erfurt warten sie dringend auf Unterstützung durch die Bundespolitik. Franz Zobel und seine Kollegin Theresa Lauß arbeiten für "ezra", eine Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt. In der Erfurter Innenstadt nahe der Staatskanzlei schildern sie einen Vorfall aus dem Jahr 2020. Damals hatte eine Gruppe mit Verbindungen zur rechtsextremen Szene mehrere junge Menschen auf offener Straße zusammengeschlagen. Sie habe einige von ihnen später zur Polizei begleitet, sich um die psychologische Betreuung gekümmert und geholfen, die Gerichtsprozesse vorzubereiten, erzählt Lauß.
Verteidigung der Grundrechte mit dem Rücken zur Wand
Gemeinsam mit drei weiteren Kolleginnen und Kollegen sind beide für ganz Thüringen zuständig - und das bei steigenden Fallzahlen. Im Jahr 2023 gab es mit 176 dokumentierten Vorfällen den zweithöchsten Wert innerhalb der vergangenen zehn Jahre. Zobel sagt: "Im Grunde genommen verteidigen wir hier jeden Tag mit dem Rücken zur Wand die Grundrechte."
Sie finanzieren ihre Arbeit aktuell durch Gelder von Bund und Land. Doch das eine ist an das andere gekoppelt. Nach dem Erfolg der rechtsextremen AfD bei den Landtagswahlen ist aktuell unklar, mit wie viel Geld "ezra” 2025 rechnen kann.
FDP blockiert Gesetz und hat "Fragezeichen"
Dabei gibt es längst einen Gesetzentwurf, der solch eine Situation verhindern sollte. Bereits im März 2023 haben SPD, FDP und Grüne gemeinsam das "Demokratiefördergesetz" vorgestellt und es als wichtigen Eckpfeiler im Kampf gegen Rechts angepriesen. Lisa Paus von den Grünen, eine der beiden zuständigen Ministerinnen, gab sich damals zuversichtlich: Damit werde die "prekäre Situation der Projekte" abgeschafft und eine langfristige Förderung ermöglicht.
Doch seitdem ist nichts passiert. Die FDP, die das Gesetz anfangs mitgetragen hat, blockiert es nun und hat "Fragezeichen", wie Gyde Jensen von der FDP-Bundestagsfraktion formuliert. Jensen wirft die Frage auf, ob der Staat zivilgesellschaftliche Initiativen und Projekte überhaupt mit Geldern aus dem Bundeshaushalt fördern sollte.
Stabile Strukturen und ein langer Atem
Moritz Keppler wünscht sich von der Politik konkrete Unterstützung für seine Arbeit. Er sagt: "Wir haben es mit einer professionalisierten, extremen Rechten zu tun, die Think Tanks hat, wo Leute das hauptberuflich machen." Angesichts dessen von der Zivilgesellschaft zu erwarten, dass sie "die Demokratie ehrenamtlich nach Feierabend rette", sei realitätsfern. Was es stattdessen für den Kampf für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus brauche, seien verlässliche und stabile Strukturen sowie ein langer Atem.