Milliardenverluste: Kommunen in der Coronakrise
Ob Großstädte wie Göttingen oder beschauliche Ferienorte wie Röbel an der Müritz - alle Kommunen im Norden haben das gleiche Problem: Während die meisten Kosten weiterlaufen oder sogar steigen, brechen die Einnahmen massiv ein. Städte und Dörfer finanzieren sich über Steuereinnahmen und Gebühren, über Pachteinnahmen und die Einkünfte städtischer Betriebe wie Verkehrsunternehmen. Doch die Wirtschaft steht in großen Teilen still. Der Deutsche Landkreistag schätzt, dass den Städten und Gemeinden bundesweit Steuern in Höhe von zwölf Milliarden Euro fehlen werden.
Weil Schwimmbäder und Theater geschlossen sind, städtische Parkplätze leer stehen und in Bussen und Bahnen viele Plätze frei bleiben, fällt auch das Geld aus dem Verkauf von Eintrittskarten oder Parktickets weg. Um wie viel Geld es genau geht, kann im Moment nur abgeschätzt werden. Zu viel ist momentan noch unklar: Wird es an der Müritz oder auf den Inseln noch eine kurze Feriensaison geben? Reichen die Lockerungen, damit Gewerbesteuern wieder fließen?
Kommunen erwarten massive Einnahmen-Rückgänge
Um zumindest einen Eindruck zu bekommen, hat Panorama 3 mit Bürgermeistern und Kämmerern aller Städte im Norden über 100.000 Einwohner, den Landeshauptstädten und - als Beispiel für einen kleinen Ort - mit Röbel in Mecklenburg-Vorpommern gesprochen. Ohne Ausnahme erwarten die Kommunen heftige Rückgänge bei den Einnahmen. Nur drei Beispiele: Kiel schätzt, dass im kommenden Jahr in der Summe 100 Millionen Euro im Haushalt fehlen werden. Göttingen geht von 30 Millionen Euro aus, die allein aus der Gewerbesteuer wegfallen. Dem 5.000-Einwohner-Städtchen Röbel werden 200.000 Euro aus der Kurabgabe fehlen, dazu Gewerbesteuereinnahmen in sechsstelliger Höhe. Jeder rechnet derzeit anders, genau beziffern wie hoch die Mindereinnahmen am Ende sind, kann momentan noch keine Kommune verlässlich.
Auch viele Kommunale Unternehmen machen riesige Verluste. Das wohl wichtigste Beispiel ist der öffentliche Nahverkehr, weil kaum noch Fahrkarten verkauft werden. Bremen teilte auf Anfrage von Panorama 3 mit, dass für Busse und Straßenbahnen 150.000 Euro fehlen - jeden Tag. Im deutlich kleineren Lübeck sind es bis zu 35.000 Euro täglich, Rostock geht von 1,2 Millionen Euro im Monat aus. Für Kleinstädte wie Röbel kann schon eine ungenutzte Parkuhr zum Problem werden. Kämmerer Matthias Mahnke nimmt mit dem Parkplatz am Hafen in normalen Zeiten 70.000 bis 80.000 Euro im Jahr ein. Doch dort parken hauptsächlich Touristen, im Moment steht er meist leer.
Kreditrahmen ausgeweitet
Röbel hat deshalb bis zum ersten Juli eine Haushaltssperre verhängt. Erstmal werden nur die laufenden Kosten beglichen, geplante Straßensanierungen verschoben und Stellen nicht nachbesetzt. Die größeren Städte schrecken davor noch zurück, weil öffentliche Investitionen für die Wirtschaft vor Ort gerade oft die letzten Rettungsanker sind. Stattdessen werden Rücklagen aufgebraucht und der sogenannte "Kreditrahmen" erhöht, also die Summe, die sich eine Stadt kurzfristig leihen kann. Hannover etwa hat seinen Kreditrahmen fast verdoppelt, von 402 auf 800 Millionen Euro. Der Stadtstaat Hamburg rechnet mit zusätzlichen Krediten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro bis Ende 2021.
Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben klafft immer weiter auf. Doch das alles ist nur eine Momentaufnahme. Es könnte sich alles noch bessern, so hofft zumindest Kämmerer Mahnke in Röbel. Doch dazu müssen dieses Jahr noch Touristen an die Müritz kommen. Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler sieht eine "ökonomische Katastrophe" drohen, wenn die Wirtschaft sich nicht erholt. Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer, stellvertretender Präsident des Deutschen Städtetages, hat schon vor knapp zwei Wochen einen finanziellen Rettungsschirm für die Kommunen gefordert. Denn darin sind sich alle Bürgermeister, mit denen Panorama 3 gesprochen hat, einig: Wenn die Lage sich nicht bessert, werden nicht nur wie bislang Unternehmen, sondern auch Städte und Dörfer viel Geld vom Staat brauchen. Die große Sorge vieler Kommunen: Ohne diese Hilfe könnten Einschnitte für Bürgerinnen und Bürger bei bisher selbstverständlichen Leistungen wie öffentlichen Schwimmbäder, dem Nahverkehr oder Kultureinrichtungen drohen.