Kommunen sagen Schottergärten den Kampf an
In dem Naturschutzgesetz von Bremen sind Schottergärten verboten, denn sie sind unökologisch. In Niedersachsen ist man noch nicht so weit. Umweltschützer fordern, dass nun stärker durchgegriffen wird.
Ein Neubaugebiet in Barsinghausen. Olaf von Drachenfels hat uns hierher geführt. Der promovierte Landschaftsplaner engagiert sich seit vielen Jahren in der hiesigen Ortsgruppe des NABU. Einer seiner Hauptgegner: Der Schottergarten. Und hier, im Neubaugebiet, weiß er um ein besonderes Exemplar. Der Vorgarten glänzt in steinernem Rot und Anthrazit.
Von Drachenfels nimmt es mit Galgenhumor. "Wir sehen hier einen Schottergarten der besonders gepflegten Sorte, wo man sich bemüht hat, nicht nur alles einheitlich grau zu machen, sondern eben auch noch farbliche Akzente zu setzen. Und das, was normalerweise eine grüne Pflanze sein sollte, ist in diesem Fall eine ja grünliche, künstliche Buchsbaumimitation, die dann quasi noch suggeriert, es wäre etwas Bewuchs da. Aber in Wirklichkeit ist alles tot."
Schottergärten sind unökologisch
Ein Vlies oder eine Folie verhindern bei diesen Gärten, dass Pflanzen sich einen Weg durch die Schicht Schotter bahnen. Wird eine Folie verwendet, kommt noch hinzu, dass das Regenwasser nicht mehr ins Erdreich, und damit auch nicht mehr ins Grundwasser gelangt. In einem solchen Garten lebt gar nichts, auch keine Insekten. "Wovon sollen die auch leben?", fragt von Drachenfels. "Es gibt keine Blüten, wo man Nektar sammeln könnte. Auch für Vögel ist hier nichts zu finden. Wo soll hier die Amsel Regenwurm oder Beeren zu sich nehmen?" Sein Fazit zu derlei Gartengestaltung ist gnadenlos: "Im Prinzip kann man sagen, wer so eine Fläche hat, bringt zum Ausdruck, dass sie oder ihn eigentlich weder Klimawandel noch Artensterben irgendwie interessieren."
Was Naturschützern wie von Drachenfels Sorgen macht: Der Schottergarten ist auf dem Vormarsch. Für die Erkenntnis reicht ein Blick in ein aktuelles Neubaugebiet. Dort ist inzwischen das Anthrazit des Schotters die dominierende Farbe im Vorgarten. Dabei ist das Anlegen eines solchen Gartens hier in Barsinghausen gar nicht gestattet. In der Niedersächsischen Bauordnung heißt es bereits 1995: "Die nicht überbauten Flächen der Baugrundstücke müssen Grünflächen sein, soweit sie nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich sind." Mit anderer zulässiger Nutzung sind allerdings Parkplätze, Terrassen, Wege oder Auffahrten gemeint. Und Barsinghausen ist mit dem Problem nicht allein.
"Grundstücke möglichst grün anlegen"
"Vierzig Kilometer weiter, in Sarstedt, kennen sie im Rathaus das Problem mit den Schottergärten. Hier hat sich im Neubaugebiet bislang kaum jemand an die niedersächsische Bauordnung gehalten. Auch hier glänzen die geschotterten Vorgärten in Grautönen um die Wette. Für die Erweiterung des Neubaugebiets hat sich der Stadtrat um Bürgermeisterin Heike Brennecke nun etwas einfallen lassen. "Bei allen Neubaugebieten, wo jetzt Bebauungspläne aufgestellt werden, gibt es den ausdrücklichen Hinweis, dass die Grundstücke möglichst grün anzulegen sind, dass es dort keine Schottergärten gibt." Würden Kontrollen helfen? "Das würde einiges leichter machen", so die SPD-Politikerin. "Aber im Moment liegt es daran, dass das nicht durchgesetzt wird."
Hohe Priorität hat das Thema in der Politik nicht
Durchsetzen müsste das die Bauaufsicht. Sie könnte bei Verstößen auch den Rückbau anordnen. Doch der Blick in die Neubaugebiete rund um Hannover macht deutlich: Hohe Priorität hat der Schottergarten bei der Bauaufsicht nicht. Deren oberster Dienstherr ist in Niedersachsen Bau- und Umweltminister Olaf Lies. Der SPD-Mann hat das Problem zwar erkannt, aber bei der Frage nach Kontrollen weicht er aus. "Ja, die Kontrollen sind nicht ganz einfach, weil die Bauaufsichtsbehörden natürlich auch genug zu tun haben. Deswegen glaube ich, müssen wir eher ran. In einem Neubaugebiet muss von Beginn an klar sein, dass dort der Schottergarten verboten ist", so Lies. Und vergangenes Jahr habe er die Bauaufsichtsbehörden per Runderlass noch einmal für das Thema sensibilisiert. Für ihn sind Appelle und Aufklärung weiterhin das Mittel seiner Wahl im Kampf gegen die Gärten.
Naturschützern wie von Drachenfels geht das längst nicht mehr weit genug. Für ihn ist die Zeit der Appelle vorbei: "Aus unserer Sicht ist der Punkt inzwischen erreicht, dass man wirklich nicht mehr auf Freiwilligkeit setzen kann, sondern dass man sagen müsste: Jetzt muss man die Leute zu ihrem Glück zwingen." Und das würde bei Missachtung der Bauordnung bedeuten: Ein Rückbau der Schottergärten.