Klimawandel: Zu wenige Solaranlagen auf öffentlichen Gebäuden

Stand: 23.08.2022 12:25 Uhr

Auf öffentlichen Gebäuden könnten viele zusätzliche Photovoltaik-Anlagen installiert werden, um damit Solarenergie zu erzeugen. Doch zu oft scheitert der Ausbau bisher an Bürokratie und Finanzierungsproblemen.

von Nils Naber

Bisher ging es zunächst darum, den Klimawandel aufzuhalten. Die Energieerzeugung sollte deshalb langfristig möglichst ohne den Ausstoß von CO2 erfolgen. Doch seit Februar, seit Beginn des Krieges in der Ukraine, geht es vor allem um Energieunabhängigkeit. Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner sprach sogar von Wind- und Solarstrom als "Freiheitsenergien", die es nun auszubauen gelte, um Deutschland weniger abhängig von Energieimporten zu machen.

Die meisten öffentlichen Dächer sind ungenutzt

Gerhard Stryi-Hipp, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg. © NDR Foto: NDR
Gerhard Stryi-Hipp ist dafür, jede sinnvoll nutzbare Dachfläche mit einer Solaranlage auszustatten.

Jede sinnvoll nutzbare Dachfläche müsste künftig mit einer Solaranlage ausgestattet werden, meint Gerhard Stryi-Hipp vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg. Es geht dabei auch um Verwaltungsgebäude, Kasernen oder Lagerhallen von Bund, Ländern und Kommunen. Obwohl es sich insgesamt betrachtet nicht um sehr große Dachflächen handelt, hat "die öffentliche Hand eine Vorbildwirkung und eine entscheidende Rolle" bei diesem Thema, erklärt der Wissenschaftler. Zwar liegen beim Bund und den norddeutschen Ländern dazu einige Daten vor, wie es mit Photovoltaik-Anlagen auf Rathäusern oder kommunalen Kläranlagen im Norden aber tatsächlich aussieht, hat nach unseren Recherchen bislang niemand zusammengetragen.  

Um Licht ins Dunkel zu bringen, haben wir das sogenannte Marktdatenstammregister der Bundesnetzagentur ausgewertet, in dem unter anderem alle Erneuerbaren-Energien-Anlagen und ihr Standort verzeichnet sind. Diese Informationen haben wir mit allen Gemeinden in allen drei norddeutschen Flächenländern verglichen. Dabei kam heraus, dass in Schleswig-Holstein 72% der Gemeinden keine Solaranlage auf einem öffentlichen Dach haben. In Mecklenburg-Vorpommern sind es sogar 80% der Gemeinden. In Niedersachsen haben dagegen 45% der Gemeinden keine Solaranlage auf einem öffentlichen Dach. Vielfach handelt es sich dabei um kleinere Gemeinden.

Solaranlagen auf Dachflächen norddeutscher Länder

Niedersachsen

Potenzial: 1,5 Mio. m2 - Die praktisch nutzbare Dachfläche ist wohl deutlich geringer. Genau Zahlen liegen nicht vor.

Fläche mit PV-Anlagen genutzt: ca. 17.500 m2.

Länder müssen Kommunen unterstützen

Dirk Sohn, Bürgermeister von Lütjenburg. © NDR Foto: NDR
Dirk Sohn will den Ausbau von Solarenergie nun vorantreiben.

So hat zum Beispiel Lütjenburg in Schleswig-Holstein bislang keine Photovoltaikanlage auf einem öffentlichen Dach. Doch das soll sich jetzt kurzfristig ändern, sagt Bürgermeister Dirk Sohn. "Ausgelöst durch den Krieg, den wir leider in Europa erleben müssen", werde das Thema nun schnell vorangetrieben. Auf den Bauhof und auf die Kläranlage sollen möglichst schnell Solarpaneele. Der Lütjenburger Bürgermeister meint, vielen Gemeinden fehle das Geld, um solche Investitionen tätigen zu können.

Gerhard Stryi-Hipp sieht die Landkreise und die Länder in der Pflicht, den Gemeinden mit Know-How unter die Arme zu greifen, um den Solarausbau voranzutreiben. Spezielle Förderprogramme für Kommunen existieren nach Recherchen von Panorama 3 bislang weder in Niedersachsen noch in Mecklenburg-Vorpommern. In Schleswig-Holstein wird dagegen immerhin unter anderem die Installation einer Photovoltaikanlage auf kommunalen Schulen mit bis zu 70% der Kosten gefördert.

Eine Aussicht auf diese Förderung hat den Bürgermeister der Gemeinde Großenaspe ins Grübeln gebracht. Torsten Klinger will nun prüfen lassen, ob auf dem Schuldach eine PV-Anlage aufgestellt werden könnte. Schon vor Jahren habe man mal über diese Möglichkeit nachgedacht, den Plan aber wieder verworfen, "nachdem der Statiker Bedenken gehabt" habe. Eine besondere Dringlichkeit sah man damals in dem Thema offenbar nicht. Nun hat der Torsten Klinger die Hoffnung, dass es möglicherweise leichtere Anlagen gibt, die statisch kein Problem verursachten.

Osnabrück als Vorreiter

In Osnabrück ist man schon weiter. Dort ist, nach Bremen und Hannover, laut den Daten der Bundesnetzagentur am meisten PV-Leistung auf öffentlichen Dächern in einer norddeutschen Kommune installiert. Rund die Hälfte der infrage kommenden Dachflächen habe man bereits belegt, berichtet der zuständig Stadtbaurat Frank Otte stolz. Nach und nach müssten alle restlichen Flächen mit Solarpaneelen bestückt werden, denn "das rechnet sich wirtschaftlich", erklärt er. Auch der Denkmalschutz kann aus der Sicht von Otte nicht dauerhaft die Installation von PV-Anlagen behindern. Er fordert eine Regeländerung. Zumindest auf rückwärtigen Dächern von historischen Dächern sollten Anlagen installiert werden können.

Bund hinkt hinterher

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) kann sich an Osnabrück ein Beispiel nehmen. Die BImA verwaltet die Gebäude des Bundes. Doch der "Anteil der zivilen Dienstliegenschaften im Eigentum der BImA, auf denen sich eine Photovoltaik-Anlage befindet, (…) beträgt rund vier Prozent", so die Antwort der BImA auf eine Frage des Linken-Politikers Dietmar Bartsch.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 23.08.2022 | 21:15 Uhr

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