Herzinfarkte, Schlaganfälle, Beinbrüche - auf solche Notfälle sind Rettungsdienst und Kliniken bestens vorbereitet. Wer medizinische Hilfe braucht, wird gut versorgt. Doch mit dem Terror sind andere Verletzungen in Europa angekommen - und in Deutschland. Schüsse, Sprengsätze und Splitterbomben verursachen Wunden, die Rettungskräfte und Klinikärzte vor Herausforderungen stellen und die sie aus ihrem normalen Berufsalltag nicht kennen.
VIDEO: Kein Rettungskonzept bei Terroranschlag (7 Min)
Einheitliche Rettungskonzepte gefordert
"Mit dem Terror sind Kriegsverletzungen nach Deutschland gekommen", sagt der Bundeswehrarzt Prof. Benedikt Friemert. Viele Opfer verbluten, wenn sie nicht schnell und fachgerecht versorgt werden. Deshalb sei es wichtig, Notfallsanitäter und Notärzte mit speziellem Behandlungsmaterialien auszustatten und die Anwendung zu trainieren. Um viele Terroropfer nach einem Anschlag optimal zu versorgen, unter Zeitdruck und großem Stress, müssen neue, einheitliche Rettungskonzepte entwickelt werden. Doch die gibt es bisher in den norddeutschen Bundesländern nicht, kritisiert der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst. Zuständig sind die Innenministerien der Länder und jede einzelne Behörde gibt ganz unterschiedliche Empfehlungen oder hat zum Teil gar kein spezielles Terror-Konzept.
"(...) Der Landesausschuss Rettungsdienst (LARD) hat zur rettungsdienstlichen Bewältigung von Amok- bzw. Terrorlagen die beigefügte Empfehlung, veröffentlicht im Nds. MinBlatt Nr. 10 S. 254 vom 15.03.2017, beschlossen. Sie wurde aufgrund der aktuellen Sicherheitslage ergänzt (...) Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind die erforderlichen Rettungsmittel (z.B. Rettungsfahrzeuge) gemäß der Vorgabe des §4 Abs.5 NRettDG und den aktuellen Erfordernissen ausreichend und nach dem Stand der Technik ausgestattet.Rettungssanitäterinnen/Rettungssanitäter sowie Notfallsanitäterinnen/Notfallsanitäter werden in Schulungen und Übungen auch auf besondere Lagen (z.B. Terrorlagen) vorbereitet. Diese Übungen sind integrativer Bestandteil der Ausbildung, Prüfung und Zertifizierungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rettungsdienst."
"(...) Aufgrund der politischen Entwicklungen hat die Polizei 2016 erneut die Initiative ergriffen und die ursprüngliche AG AMOK erneut zusammengerufen. Die Arbeit dieser AG besteht in der Entwicklung eines Konzeptes in der die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehren standardisiert. Unter anderem werden Taktik, Kommunikation, Zusammenarbeit und Ausrüstung abgestimmt, es soll auch Übungen geben (...) Insgesamt ist zu sagen, dass die Zusammenarbeit in Schleswig-Holstein schon länger besteht und seit 2016 auch die Feuerwehren mit dabei sind. Das Konzept befindet sich in der Endabstimmung, es soll beschult und geübt werden. (...) Die in anderen Ländern diskutierte Ausrüstung zum Abbinden stark blutender Gliedmaßen ist in SH in Teilen nach unserem Stand bereits in Rettungswagen vorhanden. Eine Übersicht liegt im Ministerium nicht vor."
" (...) Für die Feuerwehr Hamburg ist es stete Aufgabe ihre technische Ausrüstung entsprechend der aktuellen Einsatzanforderungen bereitzuhalten und auszubauen. Dies ist in den zurückliegenden Jahren so gewesen und so wird es auch in der Zukunft sein. Darüber hinaus hat die Feuerwehr Hamburg gerade für die Einsatzbewältigung bei Einsatzlagen mit einer Vielzahl von Verletzen bestehende Einsatzkonzeptionen auf der Basis der aktuellen Erkenntnisse weiterentwickelt sowie ergänzende technische Ausrüstungsgegenstände für den Einsatzdienst der Feuerwehr Hamburg beschafft und eingeführt."
Entsprechende Handlungsempfehlungen gibt es über die Feuerwehr bereits in allgemeiner Form seit geraumer Zeit. Eine Spezifikation wird zur Zeit zwischen der Feuerwehr/ den Leitenden Notärzten und der Polizei abgestimmt. (...) Die Erweiterung des Materials ist anzustreben und auch notwendig. Erste Konzepte sind bereits erarbeitet. Die sich allgemein in dieser Beziehung in der Diskussion befindlichen Tourniquets sind allerdings bereits schon seit Jahren auf jedem RTW vorgehalten. Der Umgang damit ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rettungsdienst vertraut. (...) Explizite Übungen für Einsätze bei Terrorlagen werden zukünftig in das Übungsprogramm mit aufzunehmen sein.
"(...) Im Rahmen des Katastrophenschutzes und des Rettungsdienstes ist bei einer Terrorlage in der Regel von einem Massenanfall von Verletzten auszugehen. Für diese Art von Einsätzen halten die unteren Katastrophenschutzbehörden und der Träger des Rettungsdienstes entsprechende Pläne bereit. Spezielle Handlungsempfehlungen wurden diesbezüglich vom Ministerium für Inneres und Europa und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit nicht herausgegeben. (...) In Mecklenburg-Vorpommern sind überwiegend mindestens 1 Tourniquet auf allen Rettungstransportwagen und teilweise auch auf den Notarzteinsatzfahrzeugen vorhanden. (...) Das Ministerium für Inneres und Europa hat in diesem Jahr mit allen Verantwortungsträgern des Katastrophenschutzes zum Thema "Terror" einen Workshop durchgeführt, um sie auf den Ernstfall vorzubereiten."
Völlig neues Rettungsmanagement
Und auch die Kliniken sollen sich künftig besser auf Terrorlagen vorbereiten. Die Deutsche Gesellschaft für Notfallchirurgie, DGU, hat dafür einen 5-Punkte-Plan entwickelt. Wichtigste Forderung: Das Klinikpersonal sollte spezielle Notfallübungen durchlaufen. Doch die hat bisher kaum ein Krankenhaus im Norden durchgeführt, so das Ergebnis einer stichprobenartigen Umfrage von Panorama 3. Eine Notfallübung kostet rund 100.000 Euro, die Träger der Klinik entscheiden eigenständig, ob und wann sie eine Übung durchführen. Eine Verpflichtung gibt es nicht. Außerdem empfiehlt die DGU Ärzte in der Behandlung fortzubilden. Denn Terroranschläge mit Sprengstoff und Schusswaffen verursachen neue Verletzungsmuster.
Sind unser Rettungskräfte auf Terrorsituationen ausreichend vorbereitet? Panorama 3 war bei einer Übung dabei.
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Die Hamburger Notfallakademie und der Verein Trema haben die Vorbereitung jetzt selbst in die Hand genommen. Sie haben in Hamburg Notfallsanitäter, Polizisten und Ärzte für Anschlagsszenarien trainiert. Ihnen allen ist bewusst, dass sie solche Schulungen für den Ernstfall brauchen. Fazit eines Notarztes: "Wir sind auf Terrorsituationen nicht vorbereitet. Sie erfordern ein völlig neues Rettungsmanagement."
Viele Notaufnahmen sind seit Jahren überlastet. Ärzte und Schwestern müssen neben ihrem Job auch mit dem Patienten-Frust umgehen. Körperliche Gewalt ist keine Ausnahme mehr.
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