Holstein Kiel: Steuergelder für den Profi-Fußball
Holstein Kiel will hoch hinaus: Nur knapp scheiterte man in der vergangenen Saison in der Relegation zur Fußball-Bundesliga. Kurz vorher kam es zum Eklat mit der Deutschen Fußball Liga (DFL): Die wollte die Kieler "Störche" im Falle des Aufstiegs zunächst nicht im eigenen Stadion spielen lassen - denn dieses entspricht nicht den Bundesliga-Vorgaben. Erst nach umfangreichen Zusagen zum Ausbau erteilte die DFL schließlich eine Ausnahmegenehmigung.
Durch den verpassten Aufstieg wurde diese am Ende zwar gar nicht in dieser Form gebraucht, aber begeistert vom sportlichen Erfolg hatte auch die Politik inzwischen Hilfe zugesagt: Zehn Millionen Euro werde das Land Schleswig-Holstein in den Stadionausbau investieren, versprach Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) - unter der Bedingung, dass die Stadt Kiel und der Verein sich jeweils mit derselben Summe beteiligen.
Steuerzahler finanzieren Stadion mit
Holstein Kiel ist allerdings auch ein Wirtschaftsunternehmen: Der Profi-Kader hat einen Personal-Etat von mindestens 6,5 Millionen Euro. Am Ende bedeutet die Finanzspritze der öffentlichen Hand also: Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler übernehmen zwei Drittel der Finanzierung für ein Stadion, in dem bislang ausschließlich Profi-Fußball gespielt wird.
Das ärgert Aloys Altmann: Der ehemalige Landesrechnungshof-Chef ist heute Vorsitzender beim Steuerzahlerbund in Schleswig-Holstein. Seiner Meinung nach gäbe es Wichtigeres - zum Beispiel: Schwimmunterricht. Die Schwimmhalle in Kiel-Gaarden ist geschlossen, das neue Hörnbad - wohl eher ein Spaß- als ein Sportbad - noch gar nicht geöffnet. "Wir machen als Bund der Steuerzahler große Unterschiede zwischen Sportstätten und Sportbädern und Luxuseinrichtungen und Profi-Einrichtungen", so Altmann. "Und wir wollen, dass das knappe Steuergeld für Breitensport und für Schulsport eingesetzt wird."
Warum wird das Stadion nicht durch die reichen Investoren finanziert?
Dass Holstein Kiel ins Fußball-Oberhaus will, kann dem Verein niemand verdenken. Doch warum sorgen die schwerreichen Investoren nicht in Eigenregie für ein bundesligataugliches Stadion? Den Hauptsponsoren Gerhard Lütje und Hermann Langness gehören unter anderem die Citti- und Famila-Märkte - millionenschwere Unternehmer. Für den Verein sind die beiden unverzichtbar. Das bestätigt auch Holstein-Geschäftsführer Wolfgang Schwenke: "Ohne die beiden Herren würde es Bundesliga-Fußball gar nicht geben. Es sind Investitionen geflossen in die Infrastruktur, die Rasenheizung, die Tribünendächer. Das ist nicht selbstverständlich. Und man kann nicht immer wieder sagen: Jetzt müssen die auch nochmal dieses und jenes."
Betriebskosten? Zahlt die Stadt, nicht der Verein
Allerdings: Eine Pacht zahlt Holstein Kiel bis heute nicht. Die Stadt Kiel dagegen muss immer wieder ran. Allein in den vergangenen drei Jahren hat sie nach eigenen Angaben über 200.000 Euro nur für Betriebskosten gezahlt. In etwa dieselbe Summe fressen die Betriebskosten für das Leistungszentrum des Vereins, dessen Gelände ebenfalls der Stadt gehört. Immer wieder kommt es außerdem zu Sonderzahlungen für Flutlicht oder den Brandschutz. 2015 trug die Stadt außerplanmäßig eine "Ausgabe für Brandschutz- und Sicherheitsmaßnahmen in Höhe von bis zu 412.722,37 Euro", wie es im entsprechenden Ratsbeschluss heißt.
Zuwendungen, die kleinere Vereine in Kiel gerne hätten: Schwarz-Weiß Elmschenhagen zum Beispiel. Der Sportverein musste sein Umkleidegebäude, welches einen Sanierungsstau von 60.000 Euro aufweist, von der Stadt Kiel übernehmen. Mühsam sammelte der Verein Spenden ein. Doch seit Juli 2017 wartet man darauf, dass die Stadt über einen Förderantrag entscheidet. Der erste Vorsitzende Stefan Rogacki beklagt, man habe nun "bereits den zweiten Sommer" zum Bauen verloren. Man sei "mit der Geduld am Ende".
Gerne hätten wir mit Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer über das Holstein-Stadion und seine Finanzierung gesprochen. Doch ein zunächst zugesagtes Interview wird aus Termingründen abgesagt. Schriftlich heißt es "man diskutiere gerade, wem das Stadion in Zukunft gehören soll."
Selbe Summe für den Breitensport?
Und warum gibt das Land Schleswig-Holstein zehn Millionen Steuergelder aus? Die Grünen tragen als Teil der Regierung diese Entscheidung mit. Allerdings teilweise mit etwas Bauchschmerzen, wie die Landtagsabgeordnete Aminata Touré sagt: "Wir haben gesagt, wir sind nicht dazu bereit, ausschließlich den Spitzensport zu unterstützen, sondern uns ist es auch wichtig, dass im gleichen Zuge dann auch der Breitensport finanziell unterstützt wird." Neben den zehn Millionen für das Holstein-Stadion wird das Land jetzt also nochmal dieselbe Summe für den Breitensport ausgeben.
Bereits im letzten Jahr erklärte sich das Land bereit, den Löwenanteil der Kosten für die neue Osttribüne zu tragen. Von den veranschlagten 10,4 Millionen Euro bezahlt das Land demnach sieben Millionen, Stadt und Verein sollten für jeweils 1,7 Millionen aufkommen. Mittlerweile ist bekannt: Die Tribüne wird wohl mindestens 1,8 Millionen teurer als geplant. Wer die Rechnung am Ende bezahlt, ist noch unklar, aber auch hier wird der Großteil wohl beim Steuerzahler verbleiben.
Exklusive Nutzung statt Zugang für die Allgemeinheit?
Wenn man als Profiverein derart umfangreich öffentliche Gelder nutzt, muss man nach EU-Recht das Stadion zu mindestens 20 Prozent für die Allgemeinheit zugänglich machen - zum Beispiel für Amateursport oder andere Veranstaltungen. Das wissen Stadt und Verein auch, sie haben es selbst schon im vergangenen Jahr öffentlich thematisiert: "Wir haben ja bisher eine exklusive Nutzung für Holstein Kiel", so Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) damals, "weil jetzt viel öffentliches Geld dazu kommt, wollen wir, dass hier auch andere Aktivitäten sein können, das können auch Fußballspiele sein, aber auch kulturelle Dinge." Passiert ist jedoch bisher nichts: weder von Seiten der Stadt noch von Holstein Kiel. "Konkrete Ideen" habe man noch keine, sagt Holstein-Geschäftsführer Schwenke.
"Holstein Women" sollten aus Verein geworfen werden
Selbst die eigene Frauenschaft darf weder Stadion noch Leistungszentrum nutzen. Zwischenzeitlich wollte man die "Holstein Women" sogar aus dem Verein werfen. Erst nach großer öffentlicher Empörung nahm der Verein den Schritt zurück. Für die Grünen-Abgeordnete Touré, die dieses Vorhaben ebenfalls prominent kritisiert hatte, ein Vorgang, der sich nicht wiederholen darf: "Wir werden schon darauf achten, dass man so etwas wie eine Richtlinie formuliert", so Touré. "Und man hat immer auch die Sanktionsmöglichkeiten zu sagen, wenn ihr euch nicht an die Richtlinien haltet, dann muss das Geld leider wieder zurückgezahlt werden."
Doch Steuerzahlerbund-Chef Altmann bleibt skeptisch: "Der Verein hat am Anfang - als der sportliche Erfolg kam - sofort nach dem Land und nach der Stadt gerufen. Wenn man darauf reagiert, dann ist das wie bei dem Anfüttern und Dressieren von Tieren: Das ist typisch Politik. Politik sagt nie 'Nein'. Politik sagt: 'Wir machen das und der Steuerzahler ist am Ende der Dumme'."