Bhashyam: "Sauberer Wasserstoff wird erstmal knappes Gut bleiben"
Wasserstoff werde eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung spielen, sagt Adithya Bhashyam im Interview. Er beobachtet als Analyst beim Informationsdienstleister BloombergNEF den Wasserstoffmarkt weltweit.
Panorama 3: Wo stehen wir global betrachtet beim Aufbau der weltweiten Wasserstoffproduktion?
Adithya Bhashyam: Heute wird Wasserstoff bereits in verschiedenen Prozessen in der Industrie eingesetzt, beispielsweise in der Produktion von Düngemitteln. Dieser Wasserstoff wird fast vollständig auf Basis von fossilen Brennstoffen wie Erdgas und Kohle gewonnen. Insgesamt sehen wir pro Jahr 94 Millionen Tonnen Wasserstoff, die so produziert werden. Im Vergleich dazu erwarten wir, dass bis zum Ende des Jahres 2022, etwa 200.000 Tonnen grüner Wasserstoff hergestellt werden. Wir stehen erst am Anfang einer Wasserstoffindustrie.
Panorama 3: Wie sieht das Ganze im Jahr 2030 perspektivisch aus?
Adithya Bhashyam: Auf Basis von angekündigten Projekten wird dann ungefähr etwas mehr als ein Viertel des aktuellen Wasserstoffbedarfs, der hauptsächlich aus fossilen Quellen stammt, sauber hergestellt werden. Sauber heißt, es ist entweder grüner Wasserstoff, der über sogenannte Elektrolyseanlagen aus Wind- und Sonnenstrom gewonnen wird oder es ist blauer Wasserstoff, der aus Erdgasreformation entsteht. Bei diesem Prozess wird das CO2 abgespalten und in den Untergrund verpresst.
Panorama 3: Wieso wird perspektivisch nicht viel mehr sauberer Wasserstoff hergestellt?
Adithya Bhashyam: Weitere Produktionskapazitäten könnten noch angekündigt werden, aber der Aufbau einer Industrie benötigt Zeit. Grüner Wasserstoff müsste überhaupt erst einmal wettbewerbsfähig werden mit fossilen Brennstoffen. Heute ist die Produktion von grünem Wasserstoff im Verhältnis zum Einsatz fossiler Brennstoff in den meisten Fällen nicht wirtschaftlich. Um diese Lücke zu schließen, werden staatliche Fördermittel benötigt. Irgendwann sollte die Wasserstoffproduktion dann ohne Unterstützung auskommen.
Panorama 3: Sauberer Wasserstoff soll nach den Wünschen von Interessengruppen in sehr vielen Bereichen zum Einsatz kommen. Überspitzt entsteht da teilweise die öffentliche Erwartung, man könne mit Wasserstoff Öl und Gas auch in der Menge gleichwertig ersetzen. Ist das möglich?
Adithya Bhashyam: Ja, diese Theorie taucht immer wieder auf. Ich kann dazu nur sagen: Wasserstoff wird Öl und Gas in verschiedenen Sektoren ersetzen, aber nur dort, wo andere Mittel nicht verfügbar sind. Dazu gehört zum Beispiel die direkte Elektrifizierung von Prozessen. Ich sehe den Einsatz von Wasserstoff in der Schwerindustrie, wo wir heute sehr viel Erdgas verwenden, aber auch im Transportbereich oder der Luftfahrt, wo Öl verwendet wird.
Panorama 3: Welche Rolle wird Wasserstoff bei der Erzeugung von Wärme in einzelnen Häusern oder Wohnungen spielen?
Adithya Bhashyam: Wir sehen nur geringes Potential bei der Verwendung von Wasserstoff für die Wärmeerzeugung in einzelnen Häusern. Hier gibt es andere Möglichkeiten wir Wärmenetze oder Wärmepumpen, die effizienter sind.
Panorama 3: Werden wir absehbar ein Überangebot an sauberem Wasserstoff haben?
Adithya Bhashyam: In den nächsten acht bis zehn Jahren wird sauberer Wasserstoff sehr wahrscheinlich ein knappes Gut bleiben.
Panorama 3: Sind die Erwartungen an Wasserstoff zu groß?
Adithya Bhashyam: Es kann manchmal so scheinen, als wären sie zu groß. Man muss dazu sagen: Wasserstoff wird eine wichtige Rolle spielen bei der Dekarbonisierung. Aber schon alleine um die Klimaziele einzelner Staaten zu erreichen, muss deutlich mehr in den Aufbau der Wasserstoffproduktion investiert werden, als es momentan absehbar ist.
Das Interview führte Nils Naber