Ganz legal: rechtsextreme Waffenbesitzer
Timo S. aus der Region Göttingen ist seit Jahren Rechtsextremist. Fotos und Videos zeigen ihn im vergangenen Juni beim Neonazi-Aufmarsch zum "Tag der deutschen Zukunft" in Dortmund, mit einer Ordnerbinde und beim Einlass auf einem NPD-Fest im thüringischen Eichsfeld, hinter einem Banner der rechtsextremen "Kameradschaft Northeim". Und: Timo S. besitzt Schusswaffen, ganz legal. Denn er ist Inhaber eines Jagdscheins.
Waffennarr erschießt Polizisten
Dass Rechtsextremisten in Deutschland Waffen besitzen, macht dem Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, Torsten Voß, Sorgen. "Wir beobachten in den letzten Jahren eine zunehmende Gewaltbereitschaft im Extremismus. Schauen sie sich den Rechtsextremismus an, die steigende Zahl von Straftaten gegen Flüchtlinge bis hin zu versuchten Morden", erklärt er geegnüber Panorama 3.
Dass diese Sorge nicht unbegründet ist, zeigt der Fall des Rechtsextremisten Wolfgang P. aus dem bayerischen Georgensgmünd. Am 19.10.2016 wollte die Polizei dem Jagdscheininhaber seine Waffen wegnehmen: Er hatte die Kontrollen seiner Waffen verweigert und wirre Briefe an die Gemeinde geschickt. Der Einsatz endete tragisch: Wolfgang P. eröffnete das Feuer und tötete einen SEK-Beamten. Nach seiner Festnahme stellte die Polizei 31 Waffen sicher.
Legale Bewaffnung dank Waffenbesitzkarte
So ein Arsenal anzuhäufen ist in Deutschland legal möglich. Wer als Jäger oder Sportschütze ein sogenanntes Bedürfnis nach Waffen nachweist, kann eine Waffenbesitzkarte beantragen. Liegen keine einschlägigen strafrechtlichen Eintragungen oder Zweifel an der medizinischen oder psychischen Eignung für den Waffenbesitz vor, bekommt der Antragsteller in der Regel eine Waffenbesitzkarte und darf sich legal bewaffnen. Jäger dürfen dabei eine unbegrenzte Anzahl an Gewehren und in der Regel zwei Kurzwaffen besitzen.
Eigentlich soll das Waffenrecht verhindern, dass Rechtsextremisten an Waffen gelangen: Paragraf 5 des Waffengesetzes besagt, dass Personen in der Regel ihre Zuverlässigkeit als Waffenbesitzer verlieren, wenn sie sich einzeln oder als Mitglied in einer Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten. Das Problem: Das wird von den Behörden in der Regel nicht überprüft. Denn dafür wäre eine Anfrage beim Verfassungsschutz nötig, aber die ist nicht gesetzlich verankert. Anfragen sind nur im Einzelfall vorgesehen. Rechtsextremisten, die also strafrechtlich bisher nicht aufgefallen sind, können also in der Regel trotzdem legal Waffen kaufen und jahrelang besitzen.
Waffenbesitzkarte trotz Mitgliedschaft in rechtsextremer Vereinigung
So auch Robert E. aus Mecklenburg-Vorpommern: Schon vor mehr als zehn Jahren fiel E. dem Verfassungsschutz bei einem Treffen der "Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V." auf. Das belegen Aktenvermerke, die Panorama 3 vorliegen. Der Verein beruft sich auf nordisch-germanisches Brauchtum, wird aber vom Verfassungsschutz als rassistische und rechtsextreme Vereinigung eingestuft. Eine zentrale Person der Vereinigung war der ehemalige NPD-Funktionär und Rechtsanwalt Jürgen Rieger. Eine Waffenbesitzkarte bekam E. trotzdem.
2016 entschied sich die Verwaltung anders: Robert E. soll nun keine Waffen mehr besitzen. Aufgrund eines Zeitungsartikels leitete die Waffenbehörde eine Überprüfung ein. Der zuständige Landkreis Vorpommern-Rügen erklärt gegenüber Panorama 3, dass ihm vor dem zufälligen Fund keine Erkenntnisse über rechtsextremistische Bestrebungen von Robert E. bekannt gewesen seien.
Eine regelhafte Überprüfung durch den Verfassungsschutz für jeden Waffenbesitzer lehnt der Leiter der zuständigen Behörde Manfred Zimmermann auf Nachfrage ab: "Ist das nicht eine Gesinnungsprüfung, die wir vornehmen würden? Wir sagen mal vorsorglich, wir prüfen jeden, weil wir ihm unterstellen, er könnte möglicherweise der einen oder anderen Couleur angehören? Ist das der echte Weg? Ich bin der Meinung: Nein."
Regelüberprüfung von Waffenbesitzern abgelehnt
Doch für eine solche Regelung haben sich die Bundesländer - allen voran Hessen - gerade erst im Bundesrat stark gemacht. Hessen brachte eine Gesetzesinitiative ein: Die Regelüberprüfung von Waffenbesitzern durch den Verfassungsschutz soll eingeführt werden. Doch die Bundesregierung lehnt das ab. Gegenüber Panorama 3 erklärt Tobias Plate, Sprecher des Bundesinnenministeriums: "Eine automatisierte Regelabfrage bei allen, das ist ein starker Grundrechteeingriff, der aus unserer Sicht nicht erforderlich ist".
Torsten Voß vom Hamburger Verfassungsschutz hat wenig Verständnis für die Zurückhaltung der Politik: "Natürlich ist es ein Eingriff in Grundrechte, wenn die Personalien von Antragsstellern vom Verfassungsschutz abgefragt werden. Aber im Verhältnis, dass wir hier über waffenrechtliche Erlaubnisse sprechen, steht das aus meinem Verständnis heraus in einer richtigen Korrelation."