Asbestfund in Reinbek verharmlost
Es waren besorgniserregende Bilder, die Panorama 3 Anfang Oktober 2019 sendete: Aufnahmen aus dem Rasterelektronenmikroskop mit deutlich sichtbaren Asbestfasern. Die im Labor untersuchte Staubprobe stammte aus einem von der Volkshochschule genutzten Gebäude in Reinbek. Bis zu unserem Fund fanden dort Yoga- und Fitnesskurse statt. Nach unserer Entdeckung war Schluss damit. Doch dann passierte etwas Erstaunliches: Ein sichtlich nervöser Bürgermeister attackierte in der Lokalpresse Panorama 3. Sein Ziel war offenbar, den Asbestfund zu verharmlosen. Anlass für uns noch einmal etwas genauer hinzuschauen in Reinbek.
Asbestfasern mit bloßem Auge erkennbar
Angestoßen wurde die Recherche wie so oft durch einen Hinweis. Ulrich Fritz aus Reinbek wandte sich an den NDR mit der Bitte, wir sollten uns das von der Volkshochschule genutzte Gebäude ansehen. In der Nähe sei vermutlich vor fünf Jahren ein Asbestdach mit einem Druckstrahler gereinigt worden. So etwas ist streng verboten, denn dabei werden Millionen krebserzeugende Fasern freigesetzt. Ulrich Fritz hatte bereits vor fünf Jahren die Stadt Reinbek informiert und sogar Anzeige erstattet. Passiert ist seitdem offenbar wenig: Das Strafverfahren wurde mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt. Und auch die zuständige Bauaufsicht der Stadt sah offenbar keinen Handlungsbedarf. Erstaunlich, denn bei unserem Ortstermin waren die gefährlichen Fasern für uns im und am Gebäude schon mit bloßem Auge erkennbar. Ein Laie wird das nicht unbedingt erkennen, doch wir beschäftigen uns schon seit mehr als 15 Jahren mit dem Thema Asbest. Eine Staubprobe aus dem Treppenhaus bestätigt dann unseren Verdacht. Das Gebäude ist mit Asbeststaub kontaminiert.
Baubehörde wollte nicht zuständig sein
Auf einer Pressekonferenz der Stadt Reinbek haben wir Mitte September gefragt, warum die Bauaufsicht der Stadt Reinbek dort nicht früher gehandelt hat? Daraufhin bestreitet Bauamtsleiter Sven Noetzel die Zuständigkeit der Stadt: Wir seien "fehlinformiert" und "über die Organisationsform in Schleswig-Holstein nicht ganz im Bilde", entgegnet er vor laufender Kamera.
Zuständig seien der Umwelttrupp der Polizei sowie der Kreis Stormarn. Und der sei informiert worden. Diese Aussagen konnte Panorama 3 widerlegen. Die Stadt Reinbek hat den Kreis Stormarn nicht informiert und ist zuständig für Gefahrenabwehr in Sachen Asbest. Immerhin hat die Stadt Reinbek nach unserem Asbestfund eine einmalige Luftmessung in dem VHS-Saal machen lassen. Dabei wurden keine lungengängigen Fasern gefunden.
Bürgermeister reagiert nervös
Offenbar dient diese eine Luftmessung Bürgermeister Warmer als Grundlage, den Wahrheitsgehalt unserer Berichterstattung öffentlich anzuzweifeln. Es folgen eine ganze Reihe von Artikeln in der Lokalpresse. Im "Hamburger Abendblatt" verkündet Warmer: "für die Innenräume gab es keine Gefahr."
Bürgermeister und Lokalpresse werfen Panorama 3 darüber hinaus vor, fehlerhaft recherchiert zu haben. "Das ist wie bei Donald Trump" - lässt sich der Bürgermeister in der Zeitung "Der Reinbeker" zitieren. "NDR im Kreuzfeuer der Kritik" titelt die "Glinder Zeitung". Warmer verliest sogar in einer Stadtverordnetenversammlung die schriftlichen Fragen von Panorama 3 an die Stadt Reinbek samt Antworten. Weil er "'erneut die Verbreitung eines Zerrbildes in der Öffentlichkeit' durch einen neuen Bericht des NDR-Reporters Jörg Hilbert befürchtet", berichtet die Zeitung "Der Reinbeker". Immerhin will die Stadt mittlerweile vor fünf Jahren nach der unsachgemäßen Reinigung des Daches mit zwei Mitarbeitern vor Ort gewesen sein. "Mangels konkreter Gefahrenlage" hätten diese keinen Handlungsbedarf gesehen. Einen schriftlichen Vermerk gebe es darüber nicht, teilt uns die Stadt auf unsere Anfrage mit.
Gutachter bestätigt Panorama 3
Wir haben das ehemals von der VHS genutzte Gebäude noch einmal besucht, erneut Staubproben genommen und die Räume mit dem renommierten Sachverständigen Roland Contrino angeschaut. Er kommt nach der Begehung und eigenen Untersuchungen zu dem Ergebnis: Das Gebäude und auch der VHS-Saal "sind mit Asbest kontaminiert". Die von der Stadt Reinbek in Auftrag gegebene "Raumluftmessung stellt nur eine Momentaufnahme dar", daraus könne man aber nicht ableiten, dass es in dem Gebäude keine Gefährdung gebe. Die deutlich sichtbaren Asbestfasern seien "wie schwach gebundener Asbest", könnten mobilisiert werden und so in die Raumluft gelangen. Auch in von Panorama 3 genommen Bodenproben rund um das Gebäude fanden sich Spuren von Asbest. Mittlerweile hat ein regelmäßiger Nutzer des mit Asbest belasteten VHS-Saales Strafanzeige erstattet.