Arm durch Inflation: Wie Preissteigerungen zum Risiko werden

Stand: 06.09.2022 16:00 Uhr

Der Krieg in der Ukraine hat dazu geführt, dass die Preise für Lebensmittel, Strom und Energie derzeit nahezu ungebremst steigen. Für viele mit wenig Geld stellt das ein großes Problem dar.

von Simona Dürnberg

Die Inflation im August liegt trotz aller Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung wie etwa Tankrabatt und 9-Euro-Ticket bei 7,9 Prozent. Lebensmittel zum Beispiel wurden im Vergleich zum Vorjahresmonat noch einmal teurer. Von den Preissteigerungen besonders betroffen sind einkommensschwache Haushalte.

Inflation bereitet Sorgen

So wie zum Beispiel die Rentnerin Ursula aus Hamburg-Wilhemsburg - sie möchte, dass wir nur ihren Vornamen nennen. Ursula muss ohnehin schon jeden Cent umdrehen, hat nun noch weniger zum Leben. Beim Einkaufen suche sie jetzt gezielt heruntergesetzte Lebensmittel, erzählt sie, "damit ich ein bisschen sparen kann". Fachleute gehen davon aus, dass die Inflationsrate noch weiter steigen wird. "Das macht mir sehr viele Sorgen", sagt Ursula. "Und das nimmt auch ein bisschen die Freude am Alltag, weil man immer dran denken muss: Komme ich über die Runden? Weggehen war schon vorher sowieso nicht großartig drin. Aber jetzt erst recht nicht. Jetzt geht gar nichts mehr."

Sparen an Lebensmitteln

Sie verzichte komplett auf alles, was mit Freizeit zu tun habe, sagt sogar Ausflüge mit ihrem Enkel ab. Und da sind noch die Folgen eines gebrochenen Armes, die ihr zu schaffen machten. Zusatzkosten für eine notwendige Physiotherapie sind kaum zu stemmen. "Also spare ich dann eben an Lebensmitteln oder an dem, was ich kann."

Armut führt zu mehr Erkrankungen

Eine Angestellte kümmert sich um einen Patienten im Gesundheitskiosk Hamburg-Billstedt. © Screenshot
Im Gesundheitskiosk Hamburg-Billstedt kümmern sich die Angestellten um Menschen mit geringem Einkommen.

Wie Armut und Gesundheitsfürsorge zusammenhängen, wird im Gesundheitskiosk in Hamburg-Billstedt deutlich. Das medizinische Angebot ist niedrigschwellig, richtet sich an Menschen mit geringem Einkommen. Die steigenden Kosten seien hier ein häufiges Thema, sagt Cagla Kurtcu, die Leiterin der Einrichtung. Wenn den Klientinnen und Klienten gesagt würde, dass sie mehr Gemüse oder Obst einkaufen sollen, käme häufig die Antwort, dass sie sich das nicht leisten könnten, berichtet Kurtcu. Zahlreiche Studien belegen: Viele Erkrankungen, Gesundheitsbeschwerden und Risikofaktoren kommen häufiger bei Menschen vor, die in Armut leben.

Bundesregierung verspricht Hilfe

Am vergangenen Sonntag hat die Bundesregierung ein drittes Entlastungspaket in Höhe von 65 Milliarden Euro angekündigt, das unter anderem Einmalzahlungen auch für Rentnerinnen und Rentner, eine Erhöhung des Kindergeldes und eine Strompreisbremse vorsieht. "You'll never walk alone", kein einziger Bürger werde allein zurückgelassen, versprach Kanzler Olaf Scholz einmal mehr bei der Vorstellung der Pläne.

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Ökonomen: Tropfen auf den heißen Stein

Doch während die Regierungskoalition Zuversicht verbreitet, sehen Ökonomen das Vorhaben deutlich kritischer, sprechen im Hinblick auf den Nutzen für Ärmere von einem Tropfen auf den heißen Stein. Der Wirtschaftswissenschaftler Maximilian Priem vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagt: "Die Preise werden höchstwahrscheinlich auf dem hohen Niveau verharren." Haushalte mit niedrigem Einkommen müssten langfristig mit dem erhöhten Preisniveau zurechtkommen. Und da helfe keine Einmalzahlung.

Auch die Rentnerin Ursula aus Hamburg-Wilhelmsburg ist skeptisch, ob sich die Verheißungen der Koalition bewahrheiten. Sie sagt, dass sie zwar für die vorgesehene Einmalzahlung dankbar sei, aber auf Nachbesserungen durch die Bundesregierung hoffe. "So habe ich mir mein Alter nicht vorgestellt, dass ich Angst habe vorm Winter. Es macht mir Angst hier zu sitzen und zu frieren."

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06.09.2022 | 21:15 Uhr

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