Arbeitsrechtlicher Skandal an Uniklinik Lübeck
Eine Herzchirurgin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) erhebt schwere Vorwürfe gegen die Leitung des Hauses. Vorstand und Personaldezernat hätten es versäumt, sie gegen die arbeitsrechtlich fragwürdigen Anfeindungen ihres Chefarztes in Schutz zu nehmen. Stattdessen habe die Leitung des UKSH den Chefarzt dabei unterstützt, sie aus ihrer Stellung zu drängen, obwohl ihr keinerlei Fehlverhalten habe angelastet werden können. Ein unanfechtbares Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein gibt ihr auf ganzer Linie Recht.
Die Herzchirurgin, in der Position einer geschäftsführenden Oberärztin, schildert ihre Erfahrungen in einem Interview mit dem NDR-Politikmagazin Panorama 3. "Alles war darauf ausgerichtet, mein Arbeitsverhältnis zu beenden. Und eben nicht nur mein Arbeitsverhältnis zu beenden, sondern meine Karriere kaputt zu machen", so Dr. Doreen Richardt.
Kündigung tariflich nicht möglich
Ihre Kompetenzen seien drastisch eingeschränkt worden, als im April 2018 ein neuer Chefarzt der Herzchirurgie an das UKSH berufen wurde. Dieser habe sie kaum noch operieren lassen, ihr die Bereichsleitung für minimalinvasive Eingriffe am Herzen entzogen und ihr verboten, als Hochschullehrerin einzelne Medizinvorlesungen zu halten. In Gesprächen mit Vorstand und Personaldezernat sei ihr nahegelegt worden, dass sie das UKSH verlassen soll. Tariflich kann der Arbeitgeber der geschäftsführenden Oberärztin, die Mutter von fünf Kindern ist, nicht kündigen.
Am 22. November 2019 wurde Dr. Richardt dann vom Vorstand des Uniklinikums ohne Vorankündigung freigestellt. Gleichzeitig wurden ihr Email-Account gelöscht und ihre EDV-Zugänge zu dienstlichen Daten gesperrt. Das Bitterste sei für sie die Erfahrung gewesen, "dass mich niemand schützt", erklärt die 49-Jährige. Seit zwanzig Jahren arbeitet Dr. Richardt für das UKSH.
Klage in allen Instanzen erfolgreich
Richardt klagte im Eilverfahren mit Erfolg gegen ihre Freistellung vor dem Arbeitsgericht Lübeck. Der Vorstand des UKSH ging gegen das Urteil in Berufung. Doch auch vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein bekam die Oberärztin Recht. In dem nicht anfechtbaren Urteil vom 6. Februar 2020 wird die Freistellung als unrechtmäßig gewertet. Der Vorstand des Uniklinikums habe "die Klägerin durch die erzwungene Freistellung von einem Tag auf den anderen ausgeschaltet, ohne dass sich die Klägerin etwas zu Schulden kommen lassen hätte".
Im Interview mit Panorama 3 erläutert Gerichtssprecher Gregor Steidle: "Das beklagte Klinikum hat sich hier nicht vor die Oberärztin gestellt, sondern hat versucht, die Wünsche des neuen Chefarztes umzusetzen und ist damit gescheitert."
Nach Wertung des Landesarbeitsgerichts hat die Klinik mit der Freistellung versucht, diese zur Einwilligung in die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zu zwingen. "Eine solche Vorgehensweise ist nicht schutzwürdig", heißt es in dem Urteil. Durch die Sperrung ihrer dienstlichen EDV-Zugänge sei sie für die Fachwelt "unsichtbar" geworden. Ihr habe ein "Reputationsschaden" gedroht. "Das galt es zu vermeiden", begründet Gerichtssprecher Steidle die Eilbedürftigkeit der Klage.
Klinikum will sich nicht äußern
Der Vorstand des Uniklinikums wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Fall äußern. Der Chefarzt bestreitet auf Anfrage die einzelnen Maßnahmen gegen die Oberärztin nicht. Sie seien "sachlich begründet" gewesen und hätten nicht den Zweck gehabt, die Oberärztin zum Verlassen des Kinikums zu drängen. Ein "generelles" Vorlesungsverbot habe er nicht erteilt.
Nach dem Urteil im gerichtlichen Eilverfahren kehrte Dr. Richardt an das Klinikum zurück. Derzeit arbeitet die Herzchirurgin im Covid-19-Team auf einer Intensivstation des UKSH.