Arbeiten im Lockdown: Streit ums Homeoffice

Stand: 19.01.2021 15:40 Uhr

von Esra Özer, Joachim Plingen, Timo Robben und Mirco Seekamp

"Homeoffice ist ausdrücklich nicht erwünscht seitens der Führungsetage. Die Gründe kennen wir nicht genau", erzählt uns ein Arbeitnehmer, der anonym bleiben möchte. Eine andere Arbeitnehmerin sagt: "Ich persönlich weiß, dass es möglich ist ins Homeoffice zu gehen, weil wir das im ersten Lockdown auch so gemacht haben. Das heißt: es wäre machbar ohne Probleme. Und es wäre eigentlich auch besser, um die Lage auch in den Griff zu kriegen. Das Problem ist: wenn man das anspricht, stößt man da eher auf Abneigung." Und wieder eine andere sagt: "Unser Vorgesetzter denkt, wir würden Zuhause nicht richtig arbeiten." Und ein vierter erzählt: "Ich habe es angesprochen und daraufhin wurde sich zusammengesetzt und beschlossen, dass ich meinen Job dann pausieren muss."

Kritik von der Gewerkschaft

Ein Porträtbild von dem DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann. © dpa-Bildfunk
Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann kritisiert Unternehmer, die von ihren Angestellten verlangen, ins Büro zu kommen.

Das geht so nicht, sagt DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann: "Wir haben viel zu oft die Erfahrung machen müssen, gerade in den Betrieben, wo es keine Betriebsräte gibt, dass der Chef, der Vorgesetzte sagt: Nee, du kommst mal besser her zum Arbeiten. Dann habe ich dich besser im Griff. Und das kann so nicht weitergehen, wenn wir die Chancen einer zukünftigen digitalen Arbeitswelt wirklich nutzen wollen." Da, wo der Arbeitgeber keine Möglichkeiten schaffe, "muss der Gesetzgeber dafür einen verlässlichen Rahmen bieten." Denn der Gesundheitsschutz stehe absolut im Mittelpunkt.

Im April, im ersten Lockdown, haben noch 27 Prozent der Beschäftigten mindestens überwiegend von zu Hause aus gearbeitet. In der zweiten Welle seit November sind es nur noch die Hälfte: 14 Prozent. Das ergab eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung.

Homeoffice-Verpflichtung "in keinster Weise nachvollziehbar"

Michael Jahn © NDR Foto: Screenshot
Michael Jahn hält eine Homeoffice-Verpflichtung für nicht umsetzbar.

Bei der Flensburger Fahrzeugbau GmbH zum Beispiel fahren viele der 270 Verwaltungsmitarbeiter täglich ins Büro. "Die Diskussion in der Politik, die Forderung nach einer Verpflichtung zum Homeoffice, ist für mich in keinster Weise nachvollziehbar", sagt Michael Jahn, Leiter der Personalabteilung. "Homeoffice hat einfach Auflagen des Arbeitsschutzes und der Arbeitsstättenverordnung, des Datenschutzes und des Geheimschutzes zu erfüllen. Das können wir alles nur sehr rudimentär behandeln."

Denn Homeoffice sei ein arbeitsrechtlicher Begriff, bei dem einige juristische Anforderungen erfüllt werden müssten. Angefangen beim Arbeitsschutz - wie zum Beispiel der richtigen Tischhöhe - bis hin zu Datenschutz. Es dürfe nicht jede Akte mit nach Hause genommen werden. Auch deswegen prüft Jahn jeden Mitarbeiter, der Zuhause arbeiten will. Jahn erklärt: "Es gibt natürlich auch den Mitarbeiter, der da unter Umständen einen persönlichen Vorteil draus schlagen möchte und jetzt den Wunsch nach einem Heimarbeitsplatz verwirklichen möchte unter dem Argument der Pandemie." Es sei zudem unfair gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die nicht Zuhause arbeiten können. Zwei Drittel seien in der Produktion - und könnten nur vor Ort arbeiten.

Studie: Homeoffice effektive Maßnahme

Hajo Zeeb © NDR Foto: Screenshot
Der Epidemiologe Prof. Dr. Hajo Zeeb leitet seit Januar 2010 die Abteilung Prävention und Evaluation des Leibnitz-Instuts in Berlin.

Doch mobiles Arbeiten ist eine effektive Maßnahme, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Das zeigt eine Studie der Universität Mannheim aus dem Dezember 2020. Darin heißt es, dass bereits ein Prozentpunkt mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht ins Büro kämen, eine Infektionsrate um bis zu acht Prozent verringern kann. Einen großen Einfluss erkennt auch der Epidemiologe Prof. Dr. Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut BIPS in Bremen. Er argumentiert: "Wenn man jetzt denkt: Normalerweise haben die vielleicht zehn Kontakte am Tag im Büro und im Homeoffice sind es dann noch ein oder zwei Kontakte, dann kann man sich schon sehr klar vor Augen führen, dass es auch in der Summe die Fallzahlen deutlich reduziert." Selbst, wenn man sich im Einzelbüro aufhalte, gebe es Kontakte, wie in öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Arbeitsweg oder auch im Büro: "Solange man auf Toilette geht, oder in Gemeinschaftsräumen. Da trifft man auch Leute. Dann ist das Teil des Problems, das auch eine gewisse Nachlässigkeit schnell einziehen kann."

Großteil im Norden arbeitet von Zuhause

Wir haben die zehn größten norddeutschen Unternehmen gefragt, wie sie es mit dem mobilen Arbeiten gerade halten. Sechs davon haben uns auch Zahlen geliefert. In diesen Unternehmen arbeiten im Schnitt rund 78 Prozent der Büroangestellten im Homeoffice. 

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will in Sachen mobiles Arbeiten vor allem im Hinblick auf das Bund-Länder-Treffen am 19.01. noch einmal nachsteuern. Auf unsere Anfrage antwortet eine Sprecherin des Ministeriums: "Wir prüfen laufend weitergehende Maßnahmen zur Kontaktreduzierung in den Betrieben auch im Hinblick auf ein beschleunigtes Infektionsgeschehen durch deutlich infektiösere Virusmutationen. Abhängig von den Beschlüssen der Ministerpräsident*innen-Konferenz am 19. Januar ist das BMAS vorbereitet, die Arbeitsschutzstandards anzupassen. Dazu gehören verbindliche Regeln für Homeoffice als Angebot des Arbeitgebers an die Beschäftigten, wo immer das betrieblich möglich ist."

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 19.01.2021 | 21:35 Uhr

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