Antibiotika im Stall: Wir brauchen Klartext!
Tieren werden immer noch viele hundert Tonnen Antibiotika im Jahr verabreicht. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gab jetzt bekannt, dass 2016 insgesamt 742 Tonnen an Tierärzte abgeben wurden. Immerhin zeigen die Zahlen auch, dass die eingesetzte Menge der wichtigen Medikamente in Ställen weiter zurückgegangen ist. Das ist gut.
Hoher Einsatz: Antibiotika verlieren Wirkung
Notwendig wäre allerdings, dass die Politik von Landwirten und Tierärzten einfordern würde, den Antibiotikaeinsatz deutlich konsequenter zurückzufahren. Genau wie in Arztpraxen und Krankenhäusern muss auch in der Tierhaltung in Zukunft noch sorgsamer mit den wertvollen Medikamenten umgegangen werden. Denn je mehr Antibiotika eingesetzt werden, desto höher ist das Risiko, dass sie ihre Wirkung auch für Menschen verlieren.
Ohne wirkungsstarke Antibiotika: moderne Medizin in Gefahr
Die Weltgesundheitsorganisation warnt seit Jahren vor der großen Gefahr, dass sich mehr resistente Keime entwickeln, gegen die nur noch wenige oder sogar gar keine Antibiotika mehr wirken. Wenn Infektionen nicht mehr wirksam bekämpft werden können, steht nicht weniger als die gesamte moderne Medizin auf dem Spiel.
Keine Zahlen zu einzelnen Tierarten
Ein Anfang wäre mehr Transparenz. Deutsche Behörden sollten endlich veröffentlichen, welche Wirkstoffe bei welchen Nutztieren eingesetzt werden. Nur wenn nachvollziehbar wäre, wieviele Antibiotika jeweils Schweine, Kühe, Hühner und Puten bekommen, würden mögliche Einsparpotentiale sichtbar.
Angabe der Antibiotikamengen in Tonnen irreführend
Auch die Angabe der Antibiotikamengen in Tonnen ist irreführend. Denn die verschiedenen Medikamente werden in höchst unterschiedlichen Konzentrationen verabreicht. Von einigen Wirkstoffen muss etwa 30 Mal so viel gegeben werden wie von anderen, um denselben Effekt zu erzielen. Statt Gewichtsangaben sollten also die Menge der Tagesdosen benannt werden.
Einsatz von Reserveantibiotika geht zu langsam zurück
Doch selbst die wenigen veröffentlichten Zahlen zeigen, dass in der Tierhaltung nicht genug getan wurde, um die Wirkung von Antibiotika zu erhalten. Das BVL weist darauf hin, dass die abgegebene Menge einer für Menschen besonders wichtigen Wirkstoffgruppe - den sogenannten Fluorchinolonen - 2016 immer noch höher lag als im Jahr 2011. Das bedeutet: Der Einsatz besonders wichtiger Antibiotika, die unverzichtbar sind für die Behandlung schwerer Infektionen bei Menschen, wird in der Landwirtschaft zu langsam reduziert.
Ein wichtiges Reserveantibiotikum bleibt unerwähnt
Erstaunlich ist auch, dass die zuständige Behörde nur zwei Wirkstoffgruppen nennt, die für die Therapie bei Menschen besonders wichtig sind. Ausgerechnet der Wirkstoff, den die Weltgesundheitsorganisation erst kürzlich in die wichtigste Kategorie der Reserveantibiotika eingestuft hat, bleibt hier unerwähnt: das bedeutsame Antibiotikum Colistin.
Colistin wird in Krankenhäusern inzwischen immer häufiger benötigt, um Leben zu retten, wenn andere herkömmliche Antibiotika bereits versagt haben. Trotzdem wird Colistin in Ställen immer noch in großen Mengen eingesetzt – insbesondere in Puten- und Hühnermastställen, wie Recherchen von Panorama 3 zeigten.
Keine strengeren Regeln für wichtiges Reserveantibiotikum
Strengere Vorschriften wären hier deshalb dringend nötig. Dennoch setzt sich Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) nicht dafür ein. Wie gesagt: Detaillierte öffentliche Daten wären ja erst der Beginn, schärfere Regeln vor allem für den Einsatz wichtiger Reserveantibiotika müssten folgen, genau wie notwendige Verbesserungen der Tierhaltung.
Tierhaltung verändern: mehr Platz und robustere Rassen
Unter Veterinärwissenschaftlern ist unumstritten: Durch robustere Rassen, die nicht so anfällig für Krankheiten sind und durch mehr Platz für die Tiere könnte der Antibiotikaeinsatz schneller gesenkt werden. Solche Veränderungen sind teuer. Doch die Politik darf notwendige Reformen nicht aus wirtschaftlichen Gründen verschleppen.