Die 551 Fragen der Union: Ganz normal oder Einschüchterung? (Manuskript)
Panorama v. 27.02.2025
Anmoderation Anja Reschke: "Die Union will also mehr Schwung für die Wirtschaft und dafür an anderen Stellen kürzen. Unter anderem, wie Sie eben im Beitrag sehen konnten, auch bei Demokratieförderprogrammen. Das hat uns verwundert, in diesen Zeiten? In denen so viele Menschen so hadern mit Demokratie? Seit Anfang der Woche ahnt man jetzt auch, warum.
Montag, also nur einen Tag nach der Bundestagswahl geht bei der Bundesregierung eine Kleine Anfrage der Union ein. Mit dem Titel: "Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen." Auf 32 Seiten mit 551 Fragen will man also wissen, ob sich bestimmte Organisationen, die gemeinnützig sind oder für einzelne Projekte Geld vom Staat bekommen, auch politisch neutral verhalten.
Gut, kann man mal fragen. Interessant ist aber, welche 17 Organisationen die Union überprüfen will: Da ist die Amadeu Antonio Stiftung, Foodwatch, die Deutsche Umwelthilfe, die Tierschutzorganisation Peta, der BUND und Omas gegen Rechts. Dazu drei journalistische Netzwerke. Und darüber hinaus alle parteinahen Stiftungen. Außer die von der CDU, CSU und FDP. Bei denen scheint man sich über die politische Neutralität keine Sorgen zu machen.
Kleine Anfragen, die sich so zielgerichtet um bestimmte Organisationen drehen, kannten wir bislang eigentlich nur von der AfD, die damit seit Jahren unterschiedliche Landesregierungen in Atem hält. Und nun stellt die CDU/CSU-Fraktion, namentlich unterschrieben von Friedrich Merz und Alexander Dobrindt, genau so eine Anfrage? Warum? Nun, die Erklärung findet sich in der Einleitung der Kleinen Anfrage: "Hintergrund sind die Proteste gegen die CDU Deutschlands".
Ah, darum geht’s. Nachdem die CDU vor der Bundestagswahl gemeinsam mit der AfD für eine Verschärfung der Migrationspolitik gestimmt hat – gab es bundesweit Demonstrationen. Mit Titeln wie "Nie wieder ist jetzt" oder "Für die Brandmauer". Also gegen den Rechtsruck, aber durchaus auch gegen die Politik der Union und AfD gerichtet. Und auf solchen Demonstrationen waren auch einige Organisationen, die sich jetzt auf der Liste der Union finden.
Dürfen sich also gemeinnützige Vereine oder Organisation, die mal für Projekte Geld vom Staat bekommen haben, auch in so einer Kernfrage der Demokratie nicht engagieren? Haben wir die Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger gefragt."
O-Ton Prof. Sophie Schönberger, Verfassungsrechtlerin Uni Düsseldorf: "Nur dadurch, dass ich Projektförderung bekomme, verliere ich nicht meine Meinungsfreiheit, verliere ich nicht mein Recht darauf, mich zu gesellschaftlichen Fragen zu äußern. Mich hat diese Kleine Anfrage sehr beunruhigt, weil sie den Eindruck hinterlässt, sie würde das parlamentarische Informationsrecht, was ein wichtiges Oppositionsrecht ist, missbraucht, um zivilgesellschaftliche Akteure einzuschüchtern."
Abmoderation Anja Reschke: "Einzuschüchtern. Denn am Ende signalisiert diese Kleine Anfrage der Union ja, dass man, wenn man als Verein oder Bürger auf die Straße geht, weil man sich Sorgen um die Demokratie macht oder um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren, Angst haben muss vor Konsequenzen. Und dass die Union, also unsere nächste Regierungspartei, willkürlich Vereine und Organisationen angreift, die eine ganz bestimmte Haltung vertreten.
Denn "neutral" war diese Anfrage der Union ja nicht. Der Bauernverband zum Beispiel, der – man erinnere sich an die Proteste wegen des Agrardiesels – nicht gerade zimperlich mit parteipolitischen Aktionen vor allem gegen die Ampel-Parteien war – bekommt seit Jahren für diverse Projekte staatlicher Fördergelder. Auf der Liste der Union war er nicht zu finden. Dafür wird er in der nächsten Regierung aber allerhöchstwahrscheinlich eine wichtige Rolle einnehmen."
