Stand: 06.02.2025 21:45 Uhr

Neuer Bundestag: Unter Männern (Manuskript)

Doch wählen lässt sich nur, wer auch kandidiert. Und das steht bei der CDU inzwischen fest. Nur 60 Frauen konnte die CDU in ihren 252 Wahlkreisen als Kandidatinnen aufstellen. Und damit sogar drei weniger als bei der letzten Bundestagwahl. Wenn die Union bei der Wahl stärkste Kraft wird, prägt diese Zahl also auch die Zusammensetzung des gesamten Parlaments.

Abgeordnetenwatch hat in unserem Auftrag eine Prognose für den Frauenanteil im nächsten Bundestag berechnet: Die Berechnung zeigt: Der Frauenanteil im neuen Bundestag wird voraussichtlich sinken - auf rund 31,5 Prozent. Ein Rückgang um mehr als 4 Prozentpunkte - verursacht vor allem durch das Erstarken von Union und AfD. Zwar wird in der SPD-Fraktion der Frauenanteil nach der neuen Prognose auch sinken - von 43 auf rund 40 Prozent. Er läge damit aber immer noch klar über dem Durchschnitt des Bundestages. Warum gelingt es der Union trotz guter Vorsätze nicht, mehr Volksvertreterinnen in den Bundestag zu bringen? Zunächst bestreitet die stellvertretende Generalsekretärin das Problem.

O-Ton Christina Stumpp, stellvertr. Generalsekretärin CDU: "Wir haben in der Union kein Frauenproblem, sondern wir haben in der Union starke Frauen, die wirklich die nächsten paar Jahre auch für sie noch viel sichtbarer werden. Und mit Friedrich Merz haben wir da jemand in der Partei Fraktionsspitze, der das auch wirklich fördert und die Frauen auch wirklich voranbringen möchte. Und deswegen bin ich mal Parteivorsitzende auch sehr dankbar dafür."

 An der Parteispitze liefe also alles gut. Schuld seien, wenn überhaupt, die Wahlkreise vor Ort.

O-Ton Christina Stumpp, stellvertr. Generalsekretärin CDU: "Uns sind da die Hände gebunden in der Parteispitze, weil vor Ort entschieden wird. Wenn Sie vor Ort Fraktionsvorsitzende sind, im Kreistag, im Gemeinderat und sich da einen Namen gemacht haben und engagiert sind, dann werden Sie automatisch auch vor Ort angesprochen. Haben Sie denn Interesse am Bundestagsmandat im Landtagsmandat?"

Anissa Saysay hat "vor Ort" in der CDU andere Erfahrungen gemacht.

O-Ton Anissa Saysay, Vorsitzende CDU Dormagen: "Im Moment sieht das nicht so aus, dass wenn Männer auf einem festen Wahlkreis sitzen und etabliert sind, dass eine Frau von außen oder als Quereinsteigerin eine echte Chance hat. Das hat sie nicht."

Und wenn es doch mal eine Frau in den Bundestag geschafft hat, wird es nicht leichter. Yvonne Magwas ist Vizepräsidentin des Bundestags. Nach rund 11 Jahren verlässt sie ihn nun wieder - auch aufgrund solcher Erfahrungen:

O-Ton, Yvonne Magwas, CDU, Vizepräsidentin Deutscher Bundestag: "Ich bin beleidigt worden, ich bin diffamiert worden. Gerade als ich Vizepräsidentin wurde, hat man immer gesagt: Was haben Sie denn an? Dann kamen hier mehrere Anrufe an. Was hat sie denn wieder an? Also mit Kleidung und Sprache zu erniedrigen sozusagen."

Ihr Geschlecht habe dabei auch oft eine Rolle gespielt.

O-Ton Yvonne Magwas, CDU, Vizepräsidentin Deutscher Bundestag: "In der Quantität ist es eine, eine Unterschiedlichkeit. Und es waren vor allen Dingen Männer, die mich beleidigt haben, dazu ermuntert, sozusagen noch mal die Kommentare loszuwerden, sowohl per Telefon als auch im Netz, aber auch analog."

Auf ihren CDU-Sitz im Bundestag bewirbt sich nun ein Mann. Wieder eine Frau weniger. Bei der AfD sind schon jetzt die allermeisten Abgeordneten Männer: nur etwa 12 Prozent der Fraktion ist weiblich. Will die Partei daran etwas ändern? Ein Interview lehnt sie ab. Schriftlich versucht die AfD, die Verantwortung den Wähler*innen zuzuschieben. (Zitat: Antwort AfD) "Der Frauenanteil der Fraktion ergibt sich aus dem Ergebnis demokratischer Wahlen. Auf diese hat die Fraktion keinen Einfluss." Bei der FDP sieht es - was Frauen angeht - nicht viel besser aus. Dreikönigstreffen in Stuttgart. Wir wollen mit dem Parteivorsitzenden über den Frauenanteil in seiner Fraktion sprechen. Mit 25% immerhin der zweitniedrigste im Bundestag. Ein Interview hatte er abgelehnt. Und auch hier will er nicht mit uns über den Frauenanteil im Bundestag reden. Viel lieber will er über die "Gremien" der Partei sprechen.

O-Töne
Panorama:
"Herr Lindner; ARD-Politik Magazin Panorama. Eine kurze Frage habe ich, warum Sie denn in Ihrer Fraktion so wenig Frauen im Bundestag?"

Christian Lindner, Parteivorsitzender FDP: "Sie hatten ja schon angefragt und ich hatte daraufhin mitteilen lassen, dass Sie einmal nachzählen müssten, wie hoch der Anteil der FDP-Frauen in den Führungsgremien ist. Haben Sie es recherchiert?"

Panorama: "Uns interessiert ja der Anteil in der Fraktion im Bundestag."        

Christian Lindner: "Jetzt meine Frage, damit wir feststellen, ob es ein unabhängiger Qualitätsjournalismus ist."

Panorama: "Das ist es ganz bestimmt, wollen Sie nicht antworten?"

Christian Lindner: "Kennen Sie die Zusammensetzung Frauen in den Gremien der FDP."

Panorama: "Wir recherchieren ja zum Frauenanteil im Bundestag."

Christian Lindner: "Das ist sehr interessant von Ihnen gefragt, aber den nächsten Bundestag kennen wir noch nicht. Tschüss, frohes neues Jahr."

Warum sitzen so wenige Frauen für die FDP im Bundestag? Für Christian Lindner offenbar kein Thema, für die Frauen in seiner Partei schon.

O-Töne
Panorama:
"Will denn die FDP auch in der Fraktion den Frauenanteil erhöhen? Und wenn ja, wie will sie das machen?"

Katja Adler, Bundestagsabgeordnete FDP: "Ich habe manchmal das Gefühl, dass das gar kein großes Thema ist. Also dass das zwar immer wieder gesagt wird, dass wir den Frauenanteil erhöhen wollen, aber gar nicht aktiv betrieben wird."

Panorama: "Die FDP sagt grundsätzlich, sie sind gegen Quote und eher für Leistung. Bedeutet das, wenn man sich den Frauenanteil der Fraktion anguckt, eigentlich bei den Leistungen? Da hapert es bei den Frauen in der FDP. Oder anders gesagt Frauen können es einfach nicht."

Katja Adler: "Das ist ein guter Punkt. Wenn man sagt, man setzt auf Leistung und dann gleichzeitig aber gerade auch in der FDP sieht, dass da so wenig Frauen an der Spitze sind. Könnte man den Umkehrschluss wagen, dass Frauen die Leistung nicht bringen können. Was definitiv aber nicht der Fall ist. Das sind immer die Strukturen, die Frauen ausbremsen. Also, je mehr Frauen auch in die Politik drängen, je größer wird auch der Gegendruck auch von Männern." 

Momentan scheint der Gegendruck der Männer wieder stärker zu werden. Ist es also vorbei mit Emanzipation und Gleichberechtigung? So schnell geben die Frauen nicht auf, etwa in der CDU:

O-Ton Anissa Saysay, Vorsitzende CDU Dormagen: "Die CDU braucht die Frauen, die Frauen brauchen aber nicht unbedingt die CDU. Und wenn die CDU diesen Weckruf jetzt auch bei dieser Bundestagswahl nicht ernst nimmt, dann sehe ich für uns auch als Partei schwarz. Und das nicht im positiven Sinne."

Bericht: Marie Blöcher, Isabel Schneider
Kamera: Martin Kobold, Andrjez Król, Torsten Lapp
Schnitt: Christiane Herrmann, Lasse Knop, Sarah Steffen
Grafik: Benjamin Rosentreter  

  • Teil 1:
  • Teil 2: O-Töne
    Panorama:
    "Herr Merz, im aktuellen Bundestag liegt der Frauenanteil bei ungefähr 36%, der in Ihrer Fraktion noch etwas darunter und mit Blick auf den künftigen Bundestag. Sieht nicht so aus, als würde das viel besser werden. Sie werben ja schon eine ganze Weile für deutlich mehr Frauen in Ihrer Bundestagsfraktion. Warum funktioniert das nicht?"

    Friedrich Merz, Kanzlerkandidat CDU: "Also zunächst einmal, was das Thema Frauen betrifft: Woher wissen Sie, dass das nicht funktioniert? Die Wahlkreise sind zum Teil neu aufgestellt worden, und es gibt viele Frauen, die in den Wahlkreisen aufgestellt worden sind. Und jetzt geht es darum, dass sie ihre Wahlkreise gewinnen. Ich werde auch viele von den Frauen unterstützen, habe das auch in der Vergangenheit schon getan. Ich hoffe, dass uns das gelingt."

    Panorama: "Also rechnen Sie mit einem steigenden Anteil? Nach der nächsten Wahl?"

    Friedrich Merz: "Ich rechne und ich erhoffe einen steigenden Anteil und werbe bei den Wählerinnen und Wählern in Deutschland dafür, insbesondere die Frauen zu wählen, die in unseren Wahlkreisen aufgestellt worden sind."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 06.02.2025 | 21:45 Uhr

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