Stand: 24.08.2023 11:33 Uhr

Volker Kauder: "Bleibt schön in der Mitte"

Volker Kauder, langjähriger Fraktionschef der Union im Bundestag, über den aktuellen Kurs der CDU und ihre Zukunft.

Volker Kauder war zwischen 1990 und 2021 Mitglied des Deutschen Bundestags und davon 13 Jahre Fraktionsvorsitzender der Union, so lange wie kein anderer vor ihm. Er hat die CDU jahrzehntelang geprägt. Wo sieht er die Partei aktuell? Wie bewertet er den aktuellen Kurs? Und wie groß ist die Gefahr, dass sie wie ihre Schwesterparteien in einigen europäischen Ländern an Bedeutung verliert?

Panorama: Herr Kauder, in vielen europäischen Ländern sind die traditionellen konservativen oder christdemokratischen Parteien entweder nicht mehr existent oder bedeutungslos geworden, meistens verbunden mit dem Erstarken von Rechtsaußen-Parteien. Ist die CDU auch in Gefahr?

Volker Kauder: Also ich sehe die Gefahr bei der CDU nicht. Aber ich sage auch: Bleibt schön in der Mitte. Die CDU ist nach wie vor, auch wenn es unterschiedliche Positionierungen gibt, stabil. Um als Volkspartei stabil zu bleiben, muss sie das Konservative, das Liberale, das Christlich-Soziale in der Mitte integrieren. Und das gelingt auch.

So stabil wirkte das in letzter Zeit allerdings nicht. Immer wieder Diskussionen um die so genannte "Brandmauer" zur AfD, ein Parteivorsitzender, der unlängst die CDU als "Alternative für Deutschland mit Substanz" bezeichnet. Wie bewerten Sie das?

Volker Kauder vor Bücherregalen © NDR
Volker Kauder ist strikt gegen Zusammenarbeit von CDU und AfD.

Einen Satz wie "Alternative für Deutschland mit Substanz" sollte die CDU nicht verwenden. Das gibt eine zu große sprachliche Affinität an die AfD. Da würde ich mir wünschen, dass wir den Menschen klar zeigen: Wir sprechen als Christdemokraten anders als Populisten. Unser Markenkern ist das christliche Menschenbild. Und selbst in einer Gesellschaft, die zunehmend säkularisiert ist, haben die Menschen eine klare Vorstellung von dem, was der Wertekompass des "C" bedeutet. In der Asyl-Diskussion 2016/2017 habe ich beobachtet, dass man durch eine entsprechende Sprache vielleicht ein paar Leute auf der rechten Seite gewinnen kann, aber man verliert umso mehr in der Mitte und im christlichen Bereich. Da habe ich von vielen Leuten auf Veranstaltungen gehört: Wenn man so über Flüchtlinge spricht, machen wir nicht mehr mit. Allen, die glauben, auf diese Weise Wähler zurückgewinnen zu können, denen muss man sagen, dass das nicht funktionieren wird. Wenn wir nicht in der Mitte bleiben, verlieren wir signifikant Menschen.

Kritiker sagen, dass das Agieren von Friedrich Merz, bisweilen rechts zu blinken, Begriffe aus der rechten Ecke zu nutzen wie etwa "Sozialtourismus" im Zusammenhang mit der Flüchtlingsfrage, an das Agieren von Nicolas Sarkozy erinnere, der seinerzeit Sprache und Themen von Rechtsaußen übernommen hat. Inwieweit ist das vergleichbar und könnte möglicherweise auch zu ähnlichen Konsequenzen für die Partei führen? Sarkozy hat am Ende sowohl rechts als auch links viele Wähler enttäuscht und verloren…  

Das ist nicht vergleichbar. Sarkozy hat ganz laut und deutlich gesagt: Wir müssen den Rechten die Themen wegnehmen. Und das hieß für ihn: Wir sprechen so wie die, damit die Menschen das auch erkennen. Das ist ja bei der CDU und bei Friedrich Merz nicht der Fall. Sondern er spricht an, dass wir Probleme haben, etwa in der Flüchtlingspolitik. Und er formuliert ja auch nicht wie die AfD, nach dem Motto "Nur das deutsche Volk und sonst nix". Sondern er sagt: Die, die ein Asylrecht haben, einverstanden, die müssen auch bleiben können. Menschen, die in Not sind, bedroht werden. Aber es ist eine klare Sache, dass wir uns etwas einfallen lassen müssen, wie wir die nicht-reguläre Migration reduzieren können. Wenn dann einige sagen: Ja, ihr sprecht über Probleme, über die die AfD spricht. Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn wir die Themen, die die Menschen bewegen, nicht ansprechen, dann warten sie, bis Sie von der Veranstaltung weggegangen sind und sprechen dann darüber. Insofern müssen wir die Themen ansprechen, aber auch offen sagen, welche Lösungen möglich sind und wo wir an Grenzen kommen.

Inwieweit ist der Resonanzraum für die CDU in den letzten Jahren kleiner geworden? 

Er ist kleiner geworden, keine Frage. Aber auch mit kleinerem Resonanzraum kann man etwas lautstark verkünden. Und klar, wir sind zum Teil auch selber schuld, indem wir wie das Kaninchen vor der Schlange auf die AfD geschaut haben, geschaut haben, wie wir die AfD-Wähler erreichen können, anstatt unsere Position deutlich zu machen und den Menschen gerade in den neuen Ländern zu vermitteln, dass sie bei uns gut aufgehoben sind.

Was glauben Sie, wer für die AfD der strategische Hauptgegner ist? 

Ich glaube, dass die AfD schon die CDU als Hauptgegner sieht, was mir allerdings egal ist. Wenn die den Fehler machen wollen, sich an anderen auszurichten, sollen sie machen. Das ist mir völlig wurscht. 

Maximilian Krah, der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, formuliert so klar wie bisher keiner, dass die AfD nur zum Erfolg kommen könne, wenn die CDU kleiner werde, auseinanderfalle oder verschwinde. Er freue sich über den aktuellen Kurs der Union, es laufe genauso wie die AfD es sich wünsche. Ist das in Ihrer Partei allen schon bewusst?

Ich glaube schon. Der Krah kann ja seine Hoffnung formulieren, wir werden es ihm aber ganz schön schwer machen. Die CDU wird nicht kleiner werden. Wir müssen noch zulegen, sicher, das gelingt uns mit klaren Problem- und Lösungsbeschreibungen. Wir dürfen auch jetzt nicht ängstlich werden. Und ich sage voraus: Die AfD wird diesen Höhenflug bei den Bundestagswahlen nicht mehr haben. Landtagswahlen gelten immer noch bei vielen Wähler als ein Feld, wo man auch mal experimentieren kann. Bei der Bundestagswahl sieht es anders aus.

Landtagswahlen stehen in nächster Zeit ja an. In drei ostdeutschen Ländern kann die AfD im kommenden Jahr stärkste Kraft werden. Inwieweit sind jetzt diejenigen in der CDU, die eine Zusammenarbeit mit der AfD zumindest in Erwägung ziehen, die auch eine Sprache nutzen, die von der AfD kommen könnte, unfreiwillige, vielleicht sogar ahnungslose Helfer, die der CDU langfristig das Grab schaufeln könnten? 

Da kann ich ganz einfach antworten: Ja, das sind sie.

Das heißt, wenn es in diese Richtung weitergeht, könnte die CDU daran zerbrechen und es möglicherweise auch zu einer Entwicklung kommen wie bei ihren Pendants in anderen Ländern Europas?

Wenn es in diese Richtung läuft, wäre das für die CDU mittelfristig auf jeden Fall ein ernstes Problem. Und deswegen hat die CDU ja auch zu Recht klargestellt: keine Zusammenarbeit. Und das muss eingehalten werden. Ich will nicht sagen, dass wir schon in einer Situation sind wie in der Weimarer Republik. Aber ein paar Linien sehen wir doch. Und da ist damals auch gesagt worden: Ja, die bändigen wir schon, ein bisschen müssen wir mit denen arbeiten, so kriegen wir das hin. Nein! Die sind eben nicht kompromissbereit, die ziehen ihr Ding durch. Und deshalb darf es darüber im Wahlkampf auch keine Spekulation geben. Das kann auch bittere Konsequenzen haben, indem dann die Leute sagen: Okay, dann eben nicht die CDU. Eine Spekulation, wenn ich mich in irgendeiner Form der AfD im Wahlkampf annähere, könnte mir das nützen, das halte ich für total verfehlt. Meiner Erfahrung nach wählen die Leute dann sowieso das Original. Und ich sage: Eine CDU, die mit der AfD zusammenarbeitet, ist nicht mehr meine CDU.

Das Interview führte Robert Bongen

 

 

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 24.08.2023 | 22:00 Uhr

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