Iran: Der Rapper in der Folterzelle
Er ist einer der berühmtesten Rapper im Iran, kritisiert in seinen Texten das Regime: Toomaj Salehi. Jetzt droht ihm die Todesstrafe.
Jahrelang verfasste der Rapper Toomaj Salehi kritische Texte gegen das islamische Regime im Iran. Als im September 2022 immer mehr Menschen gegen die Regierung auf die Straße gehen, ist er einer ihrer Wortführer. Ende Oktober wird Toomaj Salehi festgenommen. Jetzt droht ihm die Todesstrafe.
"Ich sehe die Spezialeinheiten, die Mullahs, die Anzugträger, die korrupten Gauner. Sie müssen sich alle vor Gericht verantworten!" So beschreibt Toomaj Salehi in einem seiner Songtexte die Zukunft des Regimes. Im Musikvideo zum Song "Omen" sieht man ihn, wie er die Zukunft der iranischen Regierung aus dem Satz einer Kaffeetasse liest. Wenige Monate später wird die Regierung genau dieses Video nutzen, es umschneiden und durch eine verstörende Szene ergänzen: Toomaj Salehi sitzt in einem dunklen Raum. Er sieht mitgenommen aus. Er sagt, ihm tue es leid, dass er mit seiner Musik und seinen Texten zur Gewalt aufgerufen habe. Angeblich zeigt das Video sein Geständnis. Für seine Freunde und seine Familie steht fest, Toomaj wurde durch Folter zu diesen Aussagen gezwungen.
Mit Song-Texten gegen das Regime
Toomaj Salehi ist heute einer der bekanntesten Rapper im Iran. Auf Instagram hat er mehr als eine Millionen Follower. In seinen Texten kritisiert er das Regime scharf. Zum Beispiel in seinem Song "Rattenloch", in dem er den Mitgliedern des Regimes empfiehlt, sich ein Versteck zu suchen, solange sie noch können. Als im September 2022 immer mehr Menschen im Iran gegen die Regierung auf die Straße gehen, ist Toomaj von Anfang an mit dabei. Er filmt sich auf Demonstrationen und ruft in Videos andere dazu auf, sich anzuschließen. In einem Video droht er sogar ganz persönlich dem Vorsitzenden des iranischen Parlaments: Ali Ghalibaf.
"Ich schrieb ihm: 'Hau schnell ab, es ist sehr gefährlich!'"
Toomaj Salehis Engagement ist lebensgefährlich, das weiß auch seine engste Freundin. Die Iranerin Negin studiert seit einigen Jahren in Deutschland. Toomaj Salehi lernt sie über Social Media kennen. Sie kommunizieren über WhatsApp, telefonieren täglich. Irgendwann bittet Toomaj sie, seinen Instagram-Kanal zu übernehmen, sollte er festgenommen werden. Er wolle nicht, dass seine Anhänger die Hoffnung verlieren, sagt er. Einen Tag nach dieser Nachricht wird Toomaj tatsächlich festgenommen.
"Wir sprachen gerade miteinander, und dann war sein Internet plötzlich weg", so beschreibt Negin den Tag der Festnahme Ende Oktober. Später meldet sich Toomaj wieder bei ihr, ein Peugeot mit getönten Scheiben sei gerade vorgefahren. "Ich schrieb ihm: 'Hau schnell ab, es ist sehr gefährlich!' Das war meine letzte Nachricht." Gemeinsam mit einigen Freunden wird Toomaj festgenommen. Wenig später veröffentlichen Regierungsmedien ein Foto. Es zeigt Toomaj Salehi auf der Rückbank eines Wagens mit verbundenen Augen.
Mit Schlagstöcken geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert
Gemeinsam mit Reportern des WDR und der "Süddeutschen Zeitung" treffen wir einen Mann, der angibt mehr als zehn Jahre in iranischen Gefängnissen gearbeitet zu haben - auch nach Beginn der Proteste im Herbst 2022. Das belegen sein Dienstausweis und Gehaltsabrechnungen. Er will anonym bleiben, zum Schutz seiner Familie. Eder mehr als zehn Jahre in iranischen Gefängnissen gearbeitet hat. Er will anonym bleiben, weil er um sein Leben fürchtet. Er habe den Job irgendwann nicht mehr ertragen, sagt er. Aus Angst vor der Regierung sei er nach Deutschland gekommen. Der ehemalige Wärter beschreibt, wie Gefangene gefoltert werden. Er selbst habe aber nie gefoltert, sagt er; eine Aussage die nicht überprüfbar ist. Auch Toomaj Salehi werde es ähnlich ergehen, vermutet der ehemalige Wärter: "Seine Songs sind politisch, gegen die Regierung gerichtet. Ich bin mir sicher, dass sie ihn Tag und Nacht foltern." Panorama hat der iranischen Regierung Anfragen zu den Vorwürfen geschickt. Beantwortet wurden sie nicht.
Von Menschen, die mit Toomaj inhaftiert waren und jetzt auf freiem Fuß sind, erfährt seine Freundin Negin, dass er wohl gefoltert wurde. "Ein ehemaliger Mithäftling meinte, Toomaj habe während der Folter in Einzelhaft seine Texte gerappt und gesungen", erzählt sie. Einen Monat nach der Festnahme gibt es zum ersten Mal wieder Bilder von Toomaj: Es ist das Video mit seinem angeblichen Geständnis. Dazu sagt Negin: "Der Verlierer dieser Videos ist die Regierung. Es zeigt, wie schwach sie sind, wie sehr sie Angst haben". In einem Video, das vor seiner Verhaftung entstand, spricht Toomaj über das Risiko, das er mit seinem Engagement eingeht: "Ich bin nicht verrückt, dass ich mein Leben riskiere, denn das hier ist kein Glücksspiel, es ist eher wie Schach. Im Laufe der Geschichte hat immer das Volk gesiegt. Diktaturen haben nie auf lange Zeit überlebt."