Iran: Journalisten als Feindbild des Staates
Zum ersten Mal spricht Natalie Amiri über Situationen der Angst, in denen ihr "das Herz aus den Augen rausklopfte". Bisher hatte sie vermieden, darüber zu sprechen. Sie wollte keinesfalls riskieren, nicht mehr über das Land berichten zu können. Vorerst wird Natalie Amiri aber nicht mehr in den Iran einreisen.
ARD Korrespondentin als "politische Geisel"
Der Iran gehört laut der gerade wieder veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" zu den repressivsten Ländern weltweit für JournalistInnen und belegt Platz 173 von 180. Natalie Amiri erzählt im Interview mit ZAPP von einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes in Bezug auf ihre Person. Es sei von der Gefahr die Rede gewesen, dass man sie im Iran als politische Geisel nehmen wird. Amiri besitzt neben der deutschen auch die iranische Staatsbürgerschaft. Das bedeute, dass ihr Status im Iran ausschließlich der einer Iranerin sei. "Damit sind Unterstützungsmaßnahmen aus Deutschland, wenn sie sich im Iran aufhält, bei besonderen Entwicklungen äußerst limitiert", teilt der Bayerische Rundfunk mit. Natalie Amiri werde künftig aus verschiedenen Ländern berichten und ihre Expertise zur Gesamtregion einbringen, so BR-Chefredakteur Christian Nitsche.
Situationen der Angst
Besondere Entwicklungen hat Natalie Amiri einige erlebt, seit sie im Jahr 2007 für die ARD ihre Berichterstattung aus Teheran begann. 2009 berichtete sie von der "Grünen Bewegung" im Iran nach der Präsidentschaftswahl. Am Rand einer Demonstration saß sie eingeschlossen vom stehenden Verkehr mit ihrem Kamerateam im Auto, während hunderte bewaffnete Männer der Revolutionsgarden auf Motorrädern heranrasten, um Jagd auf politische Gegner zu machen. Sie wusste, dass der Geheimdienst auch Bilder von ihr und ihrem Team besaß. Würde man sie erkennen, drohte auch ihr Gewalt. Schließlich gelang die Flucht zu Fuß.
In einer anderen Situation wurde sie in ein Hotel zitiert. In einer Suite warteten acht Männer, die alles über sie zu wissen schienen. Sie wollten sie daran hindern, weiter zu berichten. Die Drohung: Sie wisse doch, wie es Journalisten hierzulande erginge: Es könne durchaus mal ein LKW-Fahrer vom Weg abkommen. Amiri ließ sich davon nicht einschüchtern.
Ständige Verhöre, kaum Bewegungsfreiheit, ein Katz- und Mausspiel mit dem Geheimdienst: Das alles sei "Dauerstress" gewesen für das ganze Team, das seine Arbeit überhaupt nur machen könne, weil alle dafür brennen würden, über das Land zu berichten. Allen sei klar, dass es kaum noch Journalisten im Iran gebe, die das tun könnten. Sie habe sich glücklich geschätzt, immer die ARD als große Fernsehanstalt hinter sich zu haben, so Amiri: "Darauf habe ich immer vertraut, dass die alles in Bewegung setzen würden, wenn mir etwas passieren würde".
Die Sorge gilt den einheimischen Journalisten
Die einheimischen Journalisten könnten das nicht: Ihnen gehe es wirklich verheerend. "Als Journalist gehört man zum Feindbild des Staates im Iran", meint Amiri. Freie Presse gebe es nicht, selbst wenn Journalisten in Blogs etwas veröffentlichten, könnten sie abgeholt und inhaftiert werden, und niemand hole sie da raus. 2009 habe es noch so etwas wie eine kritische freie Presse im Iran gegeben. Aber entweder seien diese Journalisten inzwischen inhaftiert oder emigriert.
Sie selbst habe noch viele Themen für das Land und hoffe, diese irgendwann umsetzen zu können. "Es war immer mein Wunsch und ich fühlte es auch als Aufgabe, einen anderen Iran, also den, der wirklich existiert, zu zeigen. Mit Menschen, die einfach das machen, was wir auch machen: Partys feiern, tolle Hochzeiten, kreative Menschen und Künstler, Pokernächte und all diese Dinge."
Das BR-Büro in Teheran wird nun ab Mai dem ARD-Studio in Istanbul zugeordnet. Katharina Willinger übernimmt zusätzlich zu ihrer Korrespondententätigkeit in der Türkei die Leitung des Büros in Teheran.