Lithium: Der Traum vom sauberen Auto

Sendedatum: 24.11.2022 22:20 Uhr

BMW gibt an, Lithium von einem besonders nachhaltigen Hersteller beziehen. Doch Panorama-Recherchen zeigen: Es gibt Zweifel, Verfahren und Auswirkungen auf die Umwelt sind wenig erforscht.

von L. Ackermann, S. Borghardt, S. Friedrich, L. Hagen, N. Kailouli, S. Zamora Martin, S. Zadegan

Damit Autos sauber werden, soll der Verbrennermotor durch elektrische Antriebe ersetzt werden. BMW verspricht, das Lithium für die Batteriezellen von einem besonders nachhaltigen Hersteller zu beziehen. Doch Panorama-Recherchen zeigen: Es gibt Zweifel. Das Verfahren und Auswirkungen auf die Umwelt sind wenig erforscht.

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Lithium gilt inzwischen als das weiße Gold der Energiewende. Vor allem der Bedarf der Automobilindustrie für E-Mobilität lässt die Nachfrage nach dem Alkalimetall explodieren. So hat sich der Preis für Lithiumcarbonat in den vergangenen beiden Jahren verfünfzehnfacht. Eine der größten Lagerstätten befindet sich in Südamerika, wo das Lithium aus Salzseen gewonnen wird. BMW behauptet, Lithium dort direkt von einem besonders nachhaltigen Hersteller zu beziehen: Livent. Im März 2021 schloss BMW einen Vertrag in Höhe von 285 Millionen Euro mit dem US-Konzern, der am Salar del Hombre Muerto, einem Salzsee in Argentinien, Lithium fördert.

Salar del Hombre Muerto in Argentinien. Hier baut Livent für BMW Lithium ab. © NDR Foto: Screenshot
E-Mobilität ist ohne Lithium nicht denkbar. Am Salar del Hombre Muerto gewinnt Livent für BMW das Alkalimetall.

BMW behauptet in einer Pressemeldung zum Vertragsschluss, das Verfahren von Livent sei im Vergleich zum herkömmlichen Abbau von Lithium im Länderdreieck zwischen Argentinien, Bolivien und Chile "besonders nachhaltig". Livent verwende für den Lithiumabbau "ein innovatives Verfahren, das eine nachhaltige Wassernutzung gewährleistet und die Auswirkungen auf die lokalen Ökosysteme und Gemeinden minimiert", so BMW im März 2021.

Enorm hoher Süßwasserverbrauch

BMW Firmen Logo © NDR Foto: Screenshot
BMW behauptet in einer Pressemeldung, das Verfahren von Livent sei im Vergleich zum herkömmlichen Abbau von Lithium im Länderdreieck zwischen Argentinien, Bolivien und Chile "besonders nachhaltig".

Tatsächlich klingt das Verfahren von Livent zunächst einmal vorbildlich. Die meisten Lithium-Minen in Südamerika lassen lithiumhaltiges Salzwasser unter Beigabe von Chemikalien verdunsten, bis das Lithium zurückbleibt. Livent verwendet stattdessen das "Direct Lithium Extraction"-Verfahren, ein Direktverfahren, bei dem das Salzwasser direkt in eine Aufbereitungsanlage gepumpt wird, wo das Lithium durch chemische Prozesse extrahiert wird. Ein Vorteil der Methode: Anders als bei den Verdunstungsverfahren etwa in der Atacama-Wüste von Chile müssen nicht unzählige Verdunstungsbecken geschaffen werden. Der Flächenverbrauch ist also bei der Direkt-Methode, die Livent nutzt, geringer. 

Weniger nachhaltig ist das Direktverfahren im Vergleich zur herkömmlichen Verdunstungsmethode aber in Bezug auf den Süßwasserverbrauch. Das ergeben Recherchen von Panorama und STRG_F. Für die Produktion von einem Kilo Lithium verbraucht Livent laut Geschäfts- und Umweltverträglichkeitsberichten des Unternehmens knapp 900 Liter Süßwasser. Das ist mehr als fünf Mal so viel Süßwasser wie bei der Verdunstungsmethode am Atacama-Salzsee in Chile. Dort benötigt der chilenische Konzern SQM, basierend auf Zahlen ihres Nachhaltigkeitsberichts und eigenen Online-Monitorings, 173 Liter Süßwasser je Kilo.

Verheerende Folgen für die Viehzucht

BMW entgegnet, man könne die Projekte nicht vergleichen. Am Salzsee Hombre Muerto, wo Livent Lithium abbaut gebe es mehr Niederschlag und verfügbare Wasserressourcen als am Atacama-Salzsee. Laut dem Aqueduct Water Risk Atlas des World Resources Institute liege die Mine von Livent sogar in einer Region mit "Low" Water Risk - der niedrigsten Kategorie. Was zunächst verwundert, denn die wüstenähnliche Gegend gilt als eine sehr trockene Region. Tatsächlich betrachtet der Risk Atlas aber Wasserressourcen in Bezug auf Wassernutzer, z.B. Bevölkerungsdichte. Demnach haben auch Teile der libyschen Wüste die niedrigste Kategorie, Ostfriesland gilt als risikoreicher, liegt in der 3. Kategorie.

Für den Akku eines Elektro-SUVs werden mehrere Kilogramm Lithium benötigt, für den BMW iX M60 beispielsweise sogar rund zehn Kilogramm. Würde das Lithium komplett von Livent stammen, wären das fast 9.000 Liter Süßwasser.

Román Guitian, Sprecher der indigenen Gemeinschaft "Atacameños del Altiplano" © NDR Foto: Screenshot
Hält den Süßwasserverbrauch von Livent für problematisch: Román Guitian.

Román Guitian, Sprecher der indigenen Gemeinschaft "Atacameños del Altiplano", kritisiert den Süßwasserverbrauch von Livent in der Region. Livent habe für die Lithiumproduktion bereits in den 1990er-Jahren einen Staudamm an einem Fluss errichtet, der in der Folge unterhalb des Staudamms ausgetrocknet sei. Das habe verheerende Folgen haben, etwa für die Viehzucht vor Ort. Guitian befürchtet, dass mit steigender Lithiumnachfrage auch der größte Fluss der Region austrocknen könnte. 

Verdunstet so die Sole nicht?

BMW hebt demgegenüber Lithiumbeschaffer Livent für dessen Umgang mit dem Salzwasser unter den Salzseen positiv hervor. Tatsächlich wird bei der herkömmlichen Verdunstungsmethode das Salzwasser, auch Sole genannt, aus dem Untergrund der Salzseen gepumpt, bevor es in große Verdunstungsbecken geleitet wird. Das Problem dabei: Durch Verbrauch bzw. Verdunstung großer Mengen an Sole kann laut verschiedenen Studien nicht nur der Pegel des unterirdischen Salzsees fallen, sondern auch das für die trockene Region so wichtige Grundwasser am Rand der Salzseen sinken. 

Im Gegensatz zu dem klassischen Verdunstungsverfahren kann bei einem Verfahren, wie BMW-Zulieferer Livent es verwendet, die verarbeitete Sole zurück in den unterirdischen Salzsee gepresst werden. Das kann verhindern, dass der Pegel des Sees und damit einhergehend das Grundwasser der Umgebung sinkt. BMW behauptet auch, dass der "größte Teil der verwendeten Sole" nicht verdunstet. Das wäre ein einleuchtendes Verfahren, wenn es so umgesetzt würde.

Zweifel an der Umsetzung

Broder Merkel, Professor für Hydrogeologie an der Bergakademie Freiberg © NDR Foto: Screenshot
Fragt sich, was mit der Restsole passiert: Hydrogeologie-Professor Broder Merkel.

Doch genau daran gibt es Zweifel. So ist in den eigenen Umweltberichten von Livent nirgendwo die Rede davon, dass die restliche Sole wieder in den Untergrund zurückgeleitet wird. Was aber in den Berichten zu lesen ist: Laut Livent wird die Restsole nach einer Neutralisierung des pH-Wertes in einen künstlichen See auf den Salar del Hombre Muerto geleitet. Broder Merkel, Professor für Hydrogeologie an der Bergakademie Freiberg, sieht nur zwei Möglichkeiten, was mit der Restsole passiert: "Entweder wird die Restsole wieder in die Sole zurückgepumpt oder auf den Salar geleitet, wo sie verdunstet." Merkel geht auf Basis der NDR-Recherchen davon aus, dass die restliche Sole tatsächlich verdunstet und sieht entgegen der BMW-Aussagen somit keinen positiven Effekt hinsichtlich des Sole-Spiegels. BMW und Livent ließen Anfragen, was mit der genutzten Sole geschieht, unbeantwortet.

 Lithiumbedarf wird sich vervielfachen

BMW betont gegenüber dem NDR, seine Verantwortung im Rahmen der Umwelt- und Sozialstandards bei der Lithium-Beschaffung sehr ernst zu nehmen. BMW weist auf wissenschaftliche Studien zum Ltihium-Abbau in Chile und Argentinien hin, die man in Auftrag gegeben habe. Konkrete Fragen zum Abbau von Livent ließ BMW unbeantwortet. Auf Nachfrage heißt es: "Wir verpflichten alle unsere Lieferanten zur Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards, Menschenrechten sowie zur Anwendung von Managementsystemen zum Arbeitsschutz und Schutz der Umwelt. Dies ist auch bei unserem Lieferanten Livent der Fall." Auch Livent hat Fragen von Panorama und STRG_F zum Produktionsverfahren und zur Nachhaltigkeit nicht beantwortet. 

Bis 2040 könnte sich der weltweite Lithiumbedarf im Vergleich zu heute mehr als verzehnfachen. Welche ökologischen Folgen eine entsprechende Produktion des Alkalimettals für die Ökosysteme in den Abbaugebieten haben wird, weiß niemand.

 

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Der Panorama-Beitrag vom 24. November 2022 als PDF-Dokument zum Download. Download (84 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 24.11.2022 | 22:20 Uhr

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